Александр Дюма

Memoiren einer Favorite


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Seite zu legen. Dies war mein Schatz, das heißt die Freiheit.

      Ich hatte, seitdem ich bei Mr. Hawarden war, sonach sechs Pfund Sterling gesammelt. Meine sechs Goldstücke lagen in einem Schubfach der Kommode meines Zimmers verwahrt, zu welchem ich den Schlüssel stets bei mir trug, obschon dies in Mr. Hawardens Hause eine sehr überflüssige Vorsicht war, denn man hätte hier den Diamanten des Großmoguls ruhig auf offenem Tische liegen lassen können, ohne fürchten zu müssen, daß ihn jemand sich aneignete.

      Ja, ich trug immer noch dasselbe Kleid, Clarisse Danby hatte die Wahrheit gesprochen. Wenn ich aber nach London ging, wenn ich Gesellschaftsdame bei Miß Arabella ward, wenn ich zehn Pfund monatlich bekam, wenn ich Mr. Romney, dem Maler, Modell stand, und wenn er mir für jede Sitzung fünf Pfund bezahlte, so konnte ich alle Monate, alle vierzehn Tage, ja alle Tage ein neues Kleid anziehen.

      Nie bemächtigte sich eine Versuchung eines Frauenherzens rascher als die, welche mich in diesem Augenblick beschlich. Ich betrachtete den Zettel, den ich in meinem Halstuch verwahrt trug, und wiederholte wohl zehnmal:

      »Miß Arabella, Oxfordstreet, 23.«

      Übrigens hätte ich dieses Papier auch ohne Nachteil verlieren können, denn die Adresse stand auf unauslöschliche Weise in meinem Hirn eingegraben.

      Als ich wieder in Mr. Hawardens Haus zurückkam, fand ich hier einen neuen Gast vor. Es war dies Mr. James Hawarden, der Sohn, derselbe, der, wie ich schon gesagt, Wundarzt in London war und in Leicester Square wohnte. Er kam eben von London. Er wollte acht Tage bei seinem Vater bleiben.

      Acht Tage lang sollte ich also von London sprechen hören!

      Mein Gesicht äußerte auf ihn dieselbe Wirkung, die es auf alle anderen Leute äußerte. Er richtete allerhand Fragen in bezug auf meine Familie und mich selbst an mich. Er fragte, was ich in Zukunft zu tun gedächte und warum ich nicht nach London ginge. Er wollte, sagte er, mir ein passendes Unterkommen verschaffen. Dann, und während mein Herz vor Begierde und Hoffnung pochte, und mir die Brust zu sprengen drohte, setzte er, nachdem er mich einen Augenblick lang mit einem Blick inniger Teilnahme betrachtet, hinzu:

      »Nein; jedenfalls ist es besser, wenn Sie nicht hinkommen.«

      Gern hätte ich ihn näher befragt, aber in Mr. Hawardens Gegenwart wagte ich es nicht. Endlich fügte es der Zufall, daß dieser das Zimmer verließ.

      Kaum hatte die Tür sich hinter ihm geschlossen, so entschlüpften mir auch schon die Worte:

      »Kennen Sie vielleicht Mr. Romney?«

      »Welchen Romney?« fragte Mr. James Hawarden.

      »Nun, den Maler,« antwortete ich. »Ah, wer kennt Romney nicht? Er ist ja der größte Porträtmaler der Neuzeit.«

      Dann zuckte er die Achseln und setzte hinzu:

      »Welch' ein Unglück!«

      Ich sah ihn an und befragte ihn mit den Augen, denn mit dem Munde wagte ich es nicht.

      »Ja,« fuhr er fort, »welch' ein Unglück, daß ein so großes Genie sich bei diesem Manne im Bunde mit so großer Immoralität zeigt. Er hatte eine anbetungswürdige Frau und zwei reizende Kinder, hat aber die eine wie die anderen verlassen, um mit Theaterdamen und Kurtisanen zu leben, welche seine Gesundheit ruinieren, und sein Geld verschwenden. Für seine Kunst ist ihm allerdings nichts zu teuer. Er würde ein Modell mit fünfundzwanzig Pfund Sterling bezahlen, wenn es ihm eine neue Schönheit darböte. Woher aber kennen Sie Romney?«

      »Ich kenne ihn nicht,« antwortete ich errötend. »Es war bloß eine Verwandte von ihm in der Pension, in welcher ich mich befand.«

      Mr. Hawarden trat wieder ein und ich schwieg. Der strenge Puritaner würde es sehr gemißbilligt haben, daß ich mit seinem Sohne eine Konversation über dergleichen Dinge führte.

      Ich sprach überhaupt mit Mr. James Hawarden nicht wieder über Romney. Ich wußte ja nun alles, was ich wissen wollte. Mr. Hawarden hatte es mir selbst gesagt. Er war imstande, ein Modell, welches ihm irgend eine neue Schönheit darböte, mit fünfundzwanzig Pfund Sterling zu bezahlen.

      Ich enthielt mich, mit ihm von Miß Arabella zu sprechen. Ich wollte nicht wissen, was sie eigentlich war, denn der Zweifel gestattete mir, von ihrem Anerbieten Gebrauch zu machen.

      War übrigens das erste Wort aller, die mich sahen, nicht, daß ich nach London gehen sollte? Ebenso aber nahm auch jeder, nachdem er mehr über die Sache nachgedacht, seine Worte zurück und riet mir ab.

      Was hatte London denn so Furchtbares? Auf die anderthalb Millionen Menschen, welche London bewohnten, kamen wenigstens zwei- bis dreihunderttausend junge Mädchen von meinem Alter. Waren diese denn deshalb, weil sie in London wohnten, verloren?

      Nach Verlauf von acht Tagen reiste Mr. James Hawarden wieder ab. Sein Interesse an mir hatte sich während seines Aufenthaltes bei seinem Vater nur gesteigert, und als er mich verließ, sagte er, wenn ich jemals – obschon er es nicht wünschte – nach London käme, so bäte er mich, ihn nicht zu vergessen.

      Es stand durchaus nicht zu fürchten, daß ich ihn vergäße. Ich hatte seine Adresse meinem Gedächtnis eben so eingeprägt wie die Miß Arabellas.

      Einige Tage nach seiner Abreise fügte es der Zufall, daß ich, als ich das Haus verließ, um die Kinder, welche bei einer Verwandten von Madame Hawarden waren, abzuholen, an dem Laden des Spiegelhändlers vorbeikam, von welchem Dick mir vor vier oder fünf Jahren erzählt. Ich schrak förmlich zusammen, als ich mich in dem an einer Tür des Ladens ausgestellten Spiegel in Lebensgröße erblickte. Unwillkürlich blieb ich, wie durch mein eigenes Bild bezaubert, stehen.

      In diesem Augenblick fühlte ich, daß man mich an der Schulter berührte. Ich drehte mich herum und erkannte Amy Strong, die ich seit beinahe einem Jahre nicht gesehen.

      Sie war, ohne gerade elegant, doch besser gekleidet, als ihrem Stande zukam, und ich betrachtete sie daher mit Erstaunen.

      Sie sah, daß ich im Begriff stand sie auszufragen. Sie ließ mir nicht Zeit dazu.

      »Was machst du hier?« sagte sie zu mir.

      Ich lachte.

      »Du hast es doch gesehen,« antwortete ich.

      »Ja, du betrachtetest dich in einem Spiegel, du fandest dich schön und du hattest recht. Ich möchte auch so schön sein wie du; dann wüßte ich wohl, was ich täte.«

      »Und was würdest du tun?«

      »Ich würde dann in dem Fürstentum Wales nicht mehr lange bleiben.«

      »Wo würdest du denn hingehen?«

      »Nach London. Alle Welt sagt, daß man mit einem hübschen Gesicht in London sein Glück macht. Geh doch hin, und wenn du Millonärin bist, so machst du mich zu deiner Kammerzofe.«

      Ich stieß' einen Seufzer aus.

      »Lust dazu hätte ich schon,« sagte ich.

      »Nun, was hält dich dann ab?«

      »Wie willst du, daß ich in meinem Alter allein nach London reise?«

      »O, wenn es dir bloß an einer Reisegefährtin fehlt, so bin ich ja da.«

      Ich sah sie an.

      »Sprichst du im Ernste?« fragte ich sie.

      »In vollem Ernste.«

      »Aber man braucht viel Geld, um nach London zu gehen.«

      »Nein, im Gegenteile, es kostet nicht viel. Man kann für ein Pfund hingelangen. Ich habe mich in Chester schon erkundigt. Für ein Pfund bekommt man einen Platz im Innern der Personenpost; wir nehmen zwei Plätze für zwei Pfund und in drei Tagen sind wir in London.«

      »Aber deine Mutter?«

      »Meine Mutter?« wiederholte Amy, den Mund verziehend. »Mit dieser bin ich, seitdem ich den Pachthof verlassen, nicht recht einig.«

      »Dann bist du also nicht mehr bei Mistreß Rivers?«

      So hieß die Pächterin, bei welcher Amy früher diente.

      »Nein. Es wird am besten sein, wenn ich dir sogleich alles sage.