erwiderte La Ramée, »man muß ihm vergeben, denn ich habe ihn bestellt.«
»Warum habt Ihr ihn bestellt? … weil Ihr wißt, daß er mir mißfällt?«
»Monseigneur erinnert sich, was verabredet worden, ist,« erwiderte La Ramée, »und daß er uns bei dem bekannten Abendbrod bedienen muß. Monseigneur hat das Adendbrod vergessen.«
»Nein. Aber ich hatte Herrn Grimaud vergessen.«
»Monseigneur weiß, daß es ohne ihn kein Abendbrod gibt.«
»Nun, so macht es, wie Ihr wollt.«
»Tretet näher, mein Lieber,« sprach La Ramée, »und hört, was ich Euch sage.«
Grimaud näherte sich mit seinem grießgrämigsten Gesichte.
La Ramée fuhr fort:
»Monseigneur erweist mir die Ehre, mich auf morgen zum Abendbrod unter vier Augen einzuladen.«
Grimaud machte ein Zeichen, durch das er sagen wollte, er wisse nicht, in welcher Beziehung dies ihn angehe.
»Doch, doch,« erwiderte La Ramée, die Sache geht Euch allerdings an, denn Ihr sollt die Ehre haben, uns zu serviren, abgesehen davon, daß, so guten Appetit und so großen Durst wir auch haben werden, immer noch etwas im Grunde der Platten und auf dem Boden der Flaschen zurückbleiben wird, und dieses Etwas ist für Euch.«
Grimaud verbeugte sich zum Danke.«
»Und nun Monseigneur,« sprach La Ramée, »bitte ich Eure Hoheit um Entschuldigung, es scheint, Herr von Chavigny entfernt sich auf einige Tage, und er läßt mir sagen, er habe vor seiner Abreise noch einige Befehle zu geben.«
Der Herzog versuchte es, mit Grimaud einen Blick zu wechseln, aber Grimauds Auge war ohne Blick.
»Geht,« sagte der Herzog zu La Ramée, »und kommt bald zurück.«
»Will Monseigneur Revanche für die Ballpartie von gestern haben?«
Grimaud machte ein unmerkliches Zeichen von oben nach unten.
»Ja,« sagte der Herzog, aber nehmt Euch in Acht, mein lieber La Ramée, die Tage folgen sich, aber gleichen sich nicht; heute bin ich entschlossen, Euch gehörig zu schlagen.«
La Ramée entfernte sich, Grimaud folgte ihm mit den Augen, ohne daß sein übriger Körper nur um eine Linie von seiner Richtung abging; als er die Thüre wieder geschlossen sah, zog er rasch aus seiner Tasche einen Bleistift und ein Blatt Papier und sagte:
»Schreibt, Monseigneur.«
»Und was soll ich schreiben?«
Grimaud machte ein Zeichen mit dem Finger und diktierte:
»Alles ist für morgen Abend bereit; habt Acht von sieben Uhr bis neun Uhr, bringt zwei Reitpferde mit Euch, wir steigen durch das erste Fenster der Galerie hinab.«
»Weder,« sprach der Herzog.
»Weiter, Monseigneur?« erwiderte Grimaud erstaunt. »Weiter? unterzeichnet.«
»Und das ist Alles?«
»Was wollt Ihr mehr, Monseigneur,« sprach Grimaud, der sehr sehr für die Kürze eingenommen war.
Der Herzog unterzeichnete.
Hat Monseigneur den Ball verloren?« fragte Grimaud.
»Welchen Ball?«
»Denjenigen, welcher den Brief enthielt.«
»Nein, ich dachte, er könnte uns nützlich sein. Hier ist er.«
Und der Herzog zog den Ball unter dem Kopfpfühl hervor und reichte ihn Grimaud.
Grimaud lächelte so angenehm, als es ihm nur immer möglich war.
»Nun?« fragte der Herzog.
»Ich nähe das Papier in den Ball, und wenn Ihr spielt, werft Ihr denselben in den Graben.»
»Aber vielleicht geht er verloren?»
»Seid unbesorgt, es ist Einer da, der ihn aufhebt.«
Grimaud machte ein bejahendes Zeichen.
»Derselbe wie gestern?«
Grimaud wiederholte sein Zeichen.
»Der Graf von, Rochefort also?«
Grimaud machte zum dritten Male ein bejahendes Zeichen.
»Aber sage mir doch etwas über die Art und Weise, wie wir fliehen sollen,« sprach der Herzog.
»Es ist mir vor dem Augenblick der Ausführung verboten.«
»Wer sind diejenigen, welche mich auf der andern Seite des Grabens erwarten werden?«
»Ich weiß es nicht, Monseigneur.«
»Aber theile mir doch wenigstens mit, was die Pastete enthalten wird,wenn Du nicht willst, daß ich verrückt werden soll?«
»Monseigneur, sie wird zwei Dolche, einen Strick mit Knoten und eine Maulbirne8 enthalten«
»Gut, ich begreife.«
»Monseigneur sieht, daß für Alles gesorgt ist.«
»Wir nehmen für uns die Dolche und den Strick,« sagte der Herzog.
»Und lassen La Ramée die Birne essen,« versetzte Grimaud.
»Mein lieber Grimaud,« sprach der Herzog, »Du sprichst nicht oft, aber man muß Dir Gerechtigkeit widerfahren lassen, wenn Du sprichst, sprichst Du goldene Worte.«
Viertes bis sechstes Bändchen
I
Ein Abenteuer von Marie Michon
Ungefähr um dieselbe Stunde, wo die Entweichungspläne zwischen dem Herzog von Beaufort und Grimaud entworfen und angesponnen wurden, ritten zwei Männer, gefolgt von einem Bedienten, durch die Rue du Faubourg-Saint-Marcel in Paris ein. Diese zwei Männer waren der Graf de La Fère und der Vicomte von Bragelonne.
Der junge Mann kam zum ersten Male nach Paris und Athos hatte keine große Eitelkeit darein gesetzt, indem er ihm die Hauptstadt, seine alte Freundin, von dieser Seite zeigte. In der That, das letzte Dorf der Touraine war lieblicher anzuschauen, als Paris von dem Gesichtspunkte aus betrachtet, unter dem der Jüngling Blois anschaute. Zur Schande von Paris muß man auch gestehen, daß es nur einen mittelmäßigen Eindruck auf den jungen Menschen hervorbrachte.
Athos hatte stets seine heitere, sorglose Miene.
In Saint-Medard angelangt, schlug Athos, der in diesem großen-Labyrinth seinem Reisegefährten als Führer diente, zuerst den Weg in die Rue des Postes, dann in die de l’Estrapade, dann in die des Fossés-Saint-Michel, dann in die Rue des Vaugirards ein. Zur Rue Ferou gelangt, ritten die Reisenden durch diese. Ungefähr in der Mitte derselben hob Athos lächelnd die Augen empor, deutete auf ein Haus von bürgerlichem Aussehen und sagte zu dem Jüngling:
»Sieh, Raoul, hier ist ein Haus, wo ich die sieben süßesten und sieben grausamsten Jahre meines Lebens zugebracht habe.«
Der junge Mann lächelte ebenfalls und begrüßte das Haus. Die fromme Achtung, die er für seinen Beschützer hegte, gab sich in allen Verhältnissen seines Lebens kund.
Die Reisenden hielten in der Rue du Vieux-Colombier vor dem Gasthofe zum grünen Fuchse an. Athos kannte die Taberne seit geraumer Zeit. Hundertmal war er mit seinen Freunden dahin gekommen; aber seit zwanzig Jahren waren, bei den Wirthsleuten anzufangen, vielfache Veränderungen in diesem Hotel vorgegangen.
Die Reisenden überließen ihre Pferde den Händen der Knechte, und da es Thiere von edler Race waren, so befahlen sie, sehr für dieselben besorgt zu sein, ihnen nur Stroh und Haber zu geben und die Brust und die Beine mit warmem Weine zu waschen. Sie hatten zwanzig Meilen in einem Tage zurückgelegt. Nachdem sie sich, wie dies wahre Cavaliere thun müssen, zuerst mit ihren Pferden beschäftigt hatten, verlangten sie zwei Zimmer für sich.
»Ihr werdet