Alice Berend

Spreemann Co


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Kreisrat war andrer Ansicht. Er konnte nichts Verrücktes darin finden, daß man ein Wesen heiratete, von dem man genau wußte, daß es vorzüglich kochen konnte, sparsam und ohne jeden Familienanhang sei. Das war ein Handel, wo man einmal nicht die Katze im Sack kaufte. Und sah Herrn Spreemann durchaus ähnlich.

      Frau Kreisrat erwiderte, daß sie sich erstmal den Vergleich von der Katze im Sack verbitte. Dann befahl sie ihrem Manne, die Troddel zu kaufen, nicht etwa aber mit der leeren Troddel allein zurückzukehren. Sie wollte wissen, mit wem sie unter einem Dache lebte.

      Gesagt, getan.

      Herr Kreisrat Giesecke kramte im Troddelkasten und beobachtete dabei Herrn Spreemann. Dieser lächelte. Er hatte zur üblichen Kaffeestunde noch eine Tasse getrunken. Er war gefüllt mit Lebensmut.

      Herr Kreisrat sagte sich: Der Mann hat schon das Aufgebot bestellt. Allerdings, auch die Irren lächeln beständig.

      Er schob auf jeden Fall den Troddelkasten zwischen sich und seinen Freund.

      Dann sagte er:

      »Na, Herr Spreemann, wann heiraten Sie?«

      Spreemann schlug sich an die Stirn. War da ein Loch? Konnte man in ihn hineinsehen? Er klopfte sich noch einmal erschreckt an die Stirn.

      Wahrhaftig, er ist nicht normal, dachte Herr Kreisrat.

      Er rückte den Troddelkasten noch ein Stück weiter vor. Dann fing er wieder an:

      »Wer hätte geahnt, daß Mamsell Schmidt so niedlich ist? Sie sind ein Schlauer. Sie haben recht, die Perle selber einzufassen.«

      Spreemann riß den Mund auf. Er verstand Herrn Kreisrat plötzlich. Und manches andre auch.

      »Das ist ein großartiger Gedanke,« schrie er nach einer Weile. »Ein großartiger Gedanke.«

      Er schwieg und starrte vor sich hin.

      »Glauben Sie, daß man ein goldenes Kreuzchen von seinem Papa haben kann, auch wenn man keinen Papa hat,« fragte er plötzlich und packte Herrn Kreisrat erregt an einem Rockknopf.

      »Nur nicht aufregen, ganz ruhig,« sagte der Kreisrat bebend. »Alles ist möglich auf dieser Welt, alles.«

      Er maß mit aufgerissenen Augen den Abstand bis zur Tür.

      Aber Herr Spreemann hielt immer noch den Knopf fest. Den Frau Kreisrat angenäht hatte und der also noch ganz andres aushalten würde.

      »Sie glauben – auch eine Waise,« fragte Herr Spreemann, das Gesicht dicht vor Herrn Kreisrats Nase.

      »Warum nicht. Als Kind, zum Beispiel,« stotterte Herr Kreisrat. »Einmal muß sie doch einen Papa gehabt haben, wenn es sich um eine halbwegs anständige Waise handelt.«

      »Um eine tadellose,« sagte Herr Spreemann streng.

      Aber dann lachte er hell auf, wie ein übermütiger Junge. Ließ aber, Gott sei's gedankt, Herrn Kreisrats Knopf dabei los.

      »Gewiß, das war es. Als Kind hatte sie das Kreuzchen bekommen,« dachte er.

      »Ich Narr, ich Narr,« sagte er laut und lachte schon wieder schallend auf. »Meine Verwandten werden ihre Freude haben.«

      Er lachte wahrhaftig schon wieder und lief, die Hände in den Hosentaschen, mit großen Schritten durch den Laden.

      Nie hatte ihn der Kreisrat so beweglich gesehn.

      Es war klar. Der Mann war verrückt oder verliebt. Das war nicht leicht zu unterscheiden.

      Er bezahlte seine Troddel und konnte seiner Frau nur dieselben Zweifel zurückbringen, die er mitgenommen hatte.

      Frau Kreisrat sagte, daß es eine Schande sei, daß sie hier im Hause alles selber tun müsse. Sie holte ihren Kapotthut mit den langen Bändern hervor und wollte selbst gehn.

      Aber als der Kreisrat das sonderbare Wesen Spreemanns näher beschrieb, verschob sie ihren Besuch bis morgen. Über Nacht kann manches zu Tage kommen . . .

      Mit Grauen hörten sie eine Weile später Herrn Spreemann laut und singend die Treppe hinaufsteigen. Auch Mamsell Schmidt erbebte. Sie hatte garnicht gewußt, daß Herr Spreemann singen konnte.

      Spreemann ließ sich die Frühlingssuppe auftischen und speiste mit großem Behagen alles, was ihm schon als Mittagbrot bestimmt gewesen war. Jedes Gericht war aufs vorzüglichste geraten. Ja, seine junge Frau verstand zu kochen. Das war sicher.

      Jedesmal, wenn Mamsell Schmidt hereinkam, lächelte er sie bedeutungsvoll an. Was Mamsell Lieschen seinem beschädigten Geisteszustand zuschrieb. Zwischen jedem Gericht betete sie in der Küche.

      Nach den Preißelbeeren nickte ihr Spreemann sogar dreimal zu. Sie nickte nicht zurück, sondern jagte hinaus.

      Da fiel es Spreemann ein, daß sie noch nichts von der ganzen Sache wüßte. Leider. Vor der Auseinandersetzung mit dieser Mamsell war ihm unbehaglich. Sehr unbehaglich. Daß auch bei allem, was mit Weibern zusammenhing, so viel Gerede nötig war.

      Eigentlich hatte er schon nach der Suppe sprechen wollen. Jetzt war er schon bei der Pfeife, ohne daß ein Wort gesagt war. Er war satt und wohlig müde. Wenn er nun zu reden anfing, würde sie aller Wahrscheinlichkeit nach erst ein wenig weinen. Das tat sie leicht. Sehr unangenehm würde das sein.

      Er rauchte und dachte nach.

      Mamsell Schmidt hatte inzwischen den Tisch abgeräumt und war bescheiden hinausgeglitten. Sie war froh, daß alles ganz glücklich verlaufen war.

      Spreemann grübelte weiter. Er wurde immer heiterer. Die Freude auf ein Vergnügen ist auch ein Vergnügen. Und er dachte unaufhörlich an Tante Karoline. Nichts sollte sie vorher zu wissen bekommen. Nichts. Erst die fertige Madame Spreemann würde man ihr mit Knix und Verbeugung vor Augen führen.

      Nur wenn er wieder an Mamsell Schmidt dachte, dämpfte sich seine Freude. Sie mußte es gewiß einige Zeit vorher wissen. Die Weiber brauchten zu solchen Dingen besondere Kleider. Das wußte er nur zu gut. Und hatte keinen Grund, ärgerlich auf diesen Fehler zu sein.

      Wenn man nur diese verflixten Tränen umgehen könnte.

      Er sah nach der Uhr und gähnte. Nein, für heute war es auf jeden Fall zu spät. Schade. Er hätte gern schon morgen früh das Aufgebot bestellt. Dringliche Angelegenheiten soll man nicht verschieben.

      Da fiel ihm ein, daß er selber Mamsell Schmidts Papiere verwahrte. Zum Aufgebot waren nur die Papiere nötig. Das hatte er schon neulich, so ganz nebenbei, von dem Herrn Lehrer erfahren.

      Er ging an seinen Schreibtisch und holte die Bogen heraus. Wort für Wort studierte er die Aufzeichnungen. Erstens erfuhr er da, daß Lieschen erst dreißig Jahre alt war. Dann, daß ihr Papa, der, von dem sie also das Goldkreuzchen hatte, mit einem Apfelkahn auf der Spree untergegangen war. Sie war mithin die Tochter eines ehrbaren Schiffers. Ihre arme Mutter war gestorben, als sie die Kleine der Welt und dem Waisenhaus übergeben hatte.

      Spreemann seufzte. Was es alles für Unglück gab.

      In diesem Augenblick kam Mamsell Schmidt zur Tür herein.

      Spreemann fuhr zusammen und bedeckte seine Lektüre mit einem Zeitungsblatt.

      »Was wünschen Sie denn noch,« fragte er barsch.

      Mamsell Schmidt bat um Entschuldigung, daß sie gestört habe. Sie wolle nur fragen, ob Herr Spreemann noch etwas befehle. Oder ihr erlaube, sich zur Ruhe zu begeben.

      »Legen Sie sich nur ruhig schlafen,« sagte Herr Spreemann wieder ganz sanft. Er dachte mit Rührung, was für eine ernste Unterredung dem niedlichen Wesen morgen bevorstand. Ihr, der der Vater mit einem Apfelkahn untergegangen war.

      »Gute Nacht, Herr Spreemann,« sagte Mamsell Lieschen höflich.

      »Gute Nacht, Mamsell,« antwortete Spreemann feierlich.

      Am andern Morgen steckte Herr Spreemann seine und Lieschens Papiere, die er schon am Abend sorgfältig zusammengebunden hatte, in die Tasche und ging damit schnellen Schritts zum Pfarrer. Er selbst kannte den Geistlichen wenig. Er versprach sich nichts von Kirchenbesuchen, bei denen man leicht einen guten Kunden versäumen konnte. Aber Mamsell Lieschen verfehlte