war ein noch junges Ehepaar ohne Kinder, der Mann war Schuster.
Schließlich begriffen sie, daß sie allein am Leben geblieben.
„Herrjeh, Marie,“ rief der Mann, „wenn niemand mehr lebt, dann gehört doch alles uns!“
Vorsichtig nahm er einen schönen Spazierstock auf, dabei ängstlich nach einem toten Schutzmann blickend, dann warf er ihn wieder weg und untersuchte die Taschen eines elegant gekleideten Herrn, ließ auch wieder davon ab und betrat endlich den ersten Laden in seiner Nähe, ein Juweliergeschäft, um bald jubelnd, die Hände gefüllt mit Ringen und Uhren, wieder heraus zu kommen.
Auch die junge Frau fand sich rasch in ihre Lage, sie nahm einer vornehmen Dame Pelz und Hut ab und schmückte sich damit, obgleich die Sonne schon furchtbar heiß vom Himmel herabbrannte.
Vergebens bat Richard die beiden, sich doch mit ihm zu überlegen, was nun zu thun sei; hier in dieser Totenstadt könnten sie doch nicht bleiben, auch müßten sie an ihren Lebensunterhalt denken, da sie schon in kurzer Zeit keine Nahrungsmittel mehr haben würden.
„Was, wir hätten bald nichts mehr zu essen?“ lachte der Schuster. „Die Fleischerläden, die Handlungen mit Delikatessen – alles steht uns ja frei. Jetzt gehe ich aber erst in eine Weinstube. Hei, nun soll ein Schlaraffenleben beginnen!“
Damit stürzte er davon, in die nächste Weinhandlung, während die Frau neugierig in ein Modewarengeschäft trat. Als Richard ihr nachging, fand er sie vor einem Spiegel stehen, wie sie eine Reihe von Hüten ausprobierte. Die besten Gesellschafter hatte Richard gerade nicht gefunden, beide waren durch die ungewohnte Situation fast närrisch geworden.
Er sagte der Frau, daß er einem Ausflug in die Umgegend machen wolle, um sich zu überzeugen, wie es draußen aussehe, und da sie sich in der verödeten Stadt nicht leicht wiederfinden könnten, sollte sie nicht vergessen, auf den Altar der Kirche einen Zettel zu legen, wenn sie sich eine andere Wohnung wählten. Er würde es auch so thun, dann wüßten sie doch immer, wo sie einander zu suchen hätten. Die Frau bejahte zerstreut und sagte, sie wolle daran denken.
Dann ging Richard in ein Fahrradgeschäft, das auch Waffen führte, wählte sich das beste, für ihn passende Rad aus, ebenso das schönste Gewehr und einen Revolver, versorgte sich mit Munition und bestieg das Rad, um in die Umgegend zu fahren.
Dies alles zeigte, daß er selbst der Verlockung erlag, unbeschränkter Herr und Besitzer der Stadt zu sein, auch er griff nach dem, wonach sein Sinn stand. Er fuhr erst lange Zeit auf der aufgeweichten Straße, ehe es ihm einfiel, daß ihm ja niemand mehr verbieten könne, das Trottoir zu benutzen.
Nur eine halbe Stunde war mit seiner Ausrüstung vergangen, aber als er wieder durch jene Gegend kam, wo er die beiden Gefährten verlassen hatte, sah er bereits den Schuster, eine Champagnerflasche in der Hand, so betrunken durch die Straßen taumeln, daß auch er voraussichtlich bald wie eine Leiche am Boden liegen mußte, seine Frau aber stolzierte neben ihm als vornehme Dame einher, von oben bis unten mit blitzendem Schmuck behangen.
Richards Annahme
Die Landstraße war von der hochstehenden Sonne schon getrocknet. Von den Feldern war der Schnee weggeschmolzen, die frischen, grünen Spitzen der Wintersaat zeigten sich bereits und bildeten mit den unbestellten Aeckern und den blätterlosen Bäumen einen merkwürdigen Gegensatz. Auch ein auf der Landstraße stehender Schlitten nahm sich seltsam aus, der Kutscher war tot vom Bock gefallen, davor lag das Pferd. Ferner sah Richard viele tote Mäuse, Hasen und Vögel, alles hatte die Giftwelle vernichtet, doch wurde die Luft noch immer von Vögeln belebt. Aber ein vierfüßiges Tier schien nicht mehr zu leben.
Während des Fahrens überlegte sich Richard, daß der Schuster schließlich doch recht hatte, wenn auch anders, als er meinte. Eine Hungersnot konnte für sie nicht eintreten. Es mußte ja ungeheure Vorräte an Mehl und Hülsenfrüchten geben, die nicht so leicht verdarben, und bis dies geschah, war das Getreide und das Obst reif, das in dem neuen, heißen Klima herrlich gedeihen würde. An Fleisch konnte es ebenso wenig fehlen, dafür sorgten zunächst die Konserven, und dann gaben die Vögel, schon allein die Tauben, die sich stark vermehren würden, wenn man sie in Ruhe ließ, genug jagdbares Wild ab.
Wie mochte aber später, vielleicht in zehn Jahren, diese Gegend aussehen? Sie würde jedenfalls ein sehr glückliches Land werden. Getreide, Kartoffeln und Obst wuchsen dann gewiß in Ueberfluß und trugen hundertfältige Frucht, der Mensch brauchte ja nur etwas Fleiß auf das Land zu verwenden, das ihn ernähren sollte. An Fleisch mangelte es auch nicht. Die Plagen der südlichen Länder – Schlangen, Skorpione, Mosquitos und so weiter – fehlten ganz. Denn in dieser Gegend war nie eine Kreuzotter gefangen worden, und schließlich konnte man sich dieser kleinen Schlangen leicht erwehren, ihre furchtbare Gefährlichkeit spukte mehr in den Köpfen ängstlicher Menschen, als sie in Wirklichkeit vorhanden war. Ebenso wenig gab es Raubtiere.
Den bunten Charakter einer tropischen Region würde die Landschaft allerdings nicht annehmen. Sie blieb auch unter der Aequatorsonne die deutsche voller Eichen und Buchen, die sich allerdings zu Urwäldern vermehren würden, auch aus den Raupen in den Puppen, wenn diese nicht getötet wurden, konnten sich nur die bekannten deutschen Schmetterlinge entwickeln – kurz, es blieb alles beim alten, die neue Lage auf dem Aequator änderte daran nichts. Nie würde ein Tiger den Wald, eine riesige Giftschlange das Feld, ein Krokodil das Wasser unsicher machen.
Alles das, was der Mensch zu seiner Bequemlichkeit bedarf, war noch für viele Jahre aufgespeichert, und ehe alles vom Witterungseinfluß zerstört worden war, hatte man sicher gelernt, sich zu behelfen. Mußte man sich dann zum Beispiel mit einem aus Pflanzenfasern selbstgewebtem Hemd begnügen, das Feuer mit dem Zündstahl anschlagen, die Tauben mit Pfeil und Bogen erlegen, so schadete dies alles nichts, schließlich würde man auch das wieder erfinden, was man verlernte.
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