»dann will ich dir bereitwillig Auskunft geben. Also, zuerst das Signalement: Alter achtunddreißig Jahre, Haare blond, Augen blau, Nase, Mund gewöhnlich; besondere Kennzeichen: keine.«
Der Forstmeister lachte laut auf. Er hatte bei der Beschreibung an einen sehr schlechten Witz denken müssen. Erna, die ihn links untergefaßt hatte, stieß ihn mit dem Ellbogen in die Seite: »Was ist dabei zu lachen? Ich werde die Beschreibung ergänzen: sie ist eine bildhübsche, forsche Person, sanftmütig und von Herzen demütig, wie es in der Bibel heißt.«
»Na, und weiter?«
»Ist dir das noch nicht genug? Ach so, ihre übrigen Personalien willst du wissen? Ihr Mann war Katasterkontrolleur und Hauptmann der Reserve, wie du . . .«
»Ja, Kinder, woher wißt ihr denn das alles?«
»Das ist unser Geheimnis!« erwiderte Liesbeth.
»Ach, Unsinn, Liesbeth, wozu die Geheimniskrämerei. Die Weschkalene war gestern nachmittag bei uns.«
»Bei uns auch!« rief Liesbeth. »Sie hat uns das alles und noch viel mehr erzählt.«
»Du siehst also, Onkel Ottomar,« fuhr Erna fort, »die intimsten Fäden dieser Heiratsgeschichte sind bereits bloßgelegt, aber wir schweigen wie das Grab . . . wir schwören es dir!«
»Ihr Rackerzeug, ihr braucht nicht zu schwören, ihr seid ganz auf dem Holzwege!«
»So – dann nimm dich bloß in acht, Onkel, daß du übermorgen bei der Weschkalene nicht zu viel Alaus trinkst!«
»Ich werde mich hüten. Aber, nun bitte ich euch in allem Ernst: nehmt eure Zunge etwas in acht, aus einer harmlosen Neckerei kann ein dummes Gerede werden.«
»Aber selbstverständlich, Onkel Ottomar!« erwiderte Liesbeth ernst, »du hast uns ja dazu angestiftet . . . aber nun sieh mal die alte Baracke, was soll denn aus der gemacht werden, da fehlt ja nicht mehr als alles.«
Sie wies auf das alte, strohgedeckte Häuschen, vor dessen zerfallenem Zaun sie standen. Die Sträucher verwahrlost, das Strohdach vom Winde zerzaust, die Fenster zertrümmert. Im Innern sah es nicht besser aus. In den Dielen Löcher, der Kalkverputz von den Wänden in großen Stücken abgefallen . . . Kopfschüttelnd ging der alte Herr herum.
»Das wird ein schönes Stück Geld kosten. Aber wenn der Herr Assessor es bezahlen will, der Fiskus wird wohl dafür danken. Na, meinetwegen.«
Die Mädchen hatten sich verabschiedet, um nach Hause zu gehen. Langsam wanderte der Herr Forstmeister den Weg zurück . . . Die Frühjahrssonne hatte über die Nebel gesiegt, heller, warmer Sonnenschein lag auf den Feldern und den weißen Birken, deren Zweige bereits grün zu schimmern begannen. Von dem Saatfeld stieg die Lerche auf und sang jubilierend ihr einfaches Lied, und dazwischen schmetterte der Buchfink frohlockend seine kurze Strophe . . . Dem alten Herrn wurde so merkwürdig zumute; die Uniform hatte er weit geöffnet, den Krückstock wirbelte er um die Hand. »Ach, Unsinn«, sagte er ein paarmal vor sich hin, und dann begann er zu pfeifen: »Ich weiß nicht, was soll es bedeuten.«
3. Kapitel
Als der Forstmeister gegen Mittag nach Hause kam, war Nante Schnabel eingetroffen, ein Mann von mächtigen Gliedern und breiten Schultern, sechs Fuß groß, so daß er seinen stattlichen Vorgesetzten noch um Haupteslänge überragte . . . Der alte Herr begrüßte ihn in seiner leutseligen Weise, reichte ihm die Hand und hieß ihn willkommen. Inzwischen war Mooslehner aufgestanden und neben Schnabel getreten: »Ich habe eine große Bitte, Herr Forstmeister.«
»Na, schießen Sie mal los.«
»Ich wollte bitten, ob nicht Schnabel an meine Stelle als Forstschreiber treten könnte.«
»Weshalb denn? Was treibt Sie denn weg? Haben Sie es nicht gut bei mir?«
»Herr Forstmeister, ich könnte mir kein besseres Leben wünschen; aber nehmen Sie es mir nicht übel, ich ertrage das Sitzen auf die Dauer nicht. Ich habe in dem einen Jahr bei Ihnen zwanzig Pfund zugenommen, und ich möchte mal wieder eine Zeitlang ganz ungebunden durch den Wald laufen.«
»Na ja, das kann ich verstehen, aber . . .«
»Herr Forstmeister, der Kollege Schnabel ist sehr gewandt mit der Feder, er wird sich schnell einarbeiten.«
»Na, wie ist's denn, Schnabel, haben Sie Lust? Sie bekommen bei mir freie Station und fünf Taler Zulage monatlich. Sind Sie damit zufrieden?«
»Aber sehr, Herr Forstmeister. Ich muß Ihnen allerdings gestehen, daß ich . . .«
»Weiß schon alles, Sie schlagen eine gute Klinge vor der Schüssel. Na, wir werden Sie schon satt kriegen, so viel wird schon vorhanden sein.«
Nante lächelte verlegen. »Herr Forstmeister haben mich noch nicht essen sehen . . . aber ich nehme mit allem vorlieb, und wenn ich bitten dürfte, der Mamsell zu sagen, daß die Hauptsache für mich eine Schüssel mit dicken Erbsen oder Bohnen oder Reis ist . . . und Brot halte ich mir noch nebenbei.«
»Aber, Schnabel, das kann doch nur eine krankhafte Veranlagung sein. Haben Sie denn noch keinen Arzt gefragt?«
»Jawohl, Herr Forstmeister, aber jeder hat mir gesagt, dagegen gibt es kein Mittel.«
»Na, dann müssen wir Sie schon durchfüttern. Nun noch eins. Binnen kurzem wird hier eine neue junge Wirtschafterin einrücken . . . meine Abromeitene heiratet den Kallweit. Das möchte ich nicht wieder erleben . . . also möchte ich bitten: stubenrein . . . so ein freundschaftliches Speisekammerverhältnis, dagegen habe ich nichts, aber Verlobung und Heirat, das möchte ich mir verbitten.«
»Ach, Herr Forstmeister können ganz beruhigt sein. Ich werde nie heiraten. Ich weiß, was meine Eltern mit drei Jungen, die alle denselben Appetit hatten wie ich, durchgemacht haben. Das möchte ich nicht durchmachen . . . ich heirate nicht.«
»Na, dann sind wir beide ja einig. Aber Sie, Mooslehner, kommen vom Regen in die Traufe. Sie werden mit dem Assessor kluppen, tagaus, tagein . . .«
Der junge Grünrock lachte: »Das schreckt mich nicht, Herr Forstmeister, da bin ich doch den ganzen Tag im Walde.«
»Na, dann ist ja alles zu gemeinsamer Zufriedenheit erledigt. Mooslehner, Sie weihen in den nächsten Tagen Schnabel in die Amtsgeschäfte ein . . . heute müssen Sie noch an den Zimmermeister Krause schreiben, der möchte morgen 'rauskommen, wenn er die alte Chalupp, das Steuerhaus, reparieren will. Sie müssen sich natürlich in der Nähe einquartieren.«
»Ich denke, Herr Hegemeister wird mich aufnehmen.«
»Na, ob die Wera damit einverstanden sein wird . . .«
»Ich glaube ja, Herr Forstmeister.«
»Ach so? na, ich hätte beinahe etwas gesagt . . .«
Der junge Grünrock war rot geworden . . . sein Vorgesetzter drohte ihm noch schelmisch lächelnd mit dem Finger und ging hinaus.– –
Gegen Abend ließ der alte Herr sich seinen Jagdwagen anspannen, um zum Schnepfenstrich zu fahren. Als er mit dem umgehängten Gewehr in die Haustür trat, flog ihm ein Pantoffel nach, und Abromeitene rief aus der Küchentür laut und energisch: »Hals- und Beinbruch, Herr Forstmeister«, und als der Wagen durch das Hoftor fuhr, stand da das blitzsaubere, blutjunge Stubenmädel, knickste artig und sagte verschämt: »Weidmannsheil.« Schrader schmunzelte vergnügt. Er war nicht abergläubisch, gar nicht . . . aber es gab doch so ein angenehmes Gefühl, wenn diese Formalitäten erfüllt wurden.
»Wir haben noch viel Zeit, Ions, wir können noch an dem Saatkamp und an der neuen Kultur vorbeifahren . . . und dann nach Jagen Siebzehn!« rief er dem Kutscher zu.
In behaglichem Trab fuhr der Wagen dahin. Mit scharfem Auge musterte Schrader rechts und links den Wald . . . ein herrliches Revier . . . einzelne Partien reiner Nadelwald, Kiefern und Fichten, aber von hellem Laubunterholz durchsetzt . . . dann wieder reine Laubbestände, alte gewaltige Eichen und Buchen . . . dazwischen überall Wiesenschlenken. Vertraut äsend stand Rehwild in überreicher Zahl auf den Lichtungen. Ab