George Meredith

Chloes Geschichte


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einen Wagen wahrnehmen,« sagte er, als sie auf die Höhe eines langhin abfallenden Hügels gekommen waren, wo die staubige Landstraße mit den braunen Hecken zur Seite sich in Kornäcker senkte, in Kleefeldern verschwand, um in der Entfernung einer Meile etwa wieder ansteigend sichtbar zu werden. Chloe schaute aus, während der Beau, sich abzukühlen, den Hut lüftete, und mit einem Blick auf das schwüle Land, über dem die Sonne kochte, bemerkte: »Die Augen schwitzen einem.«

      Da sagte Chloe: »Ein Wölkchen Staub. Es kommt dort was … Jetzt erkenn ich Pferde – ein Fuhrwerk – eine Kutsche.«

      Man hieß die Spitzenreiter die Hörner blasen.

      Aber beide, Chloe und der Beau, schnitten ein Gesicht bei dem höchst ordnungslosen Getön der dreifachen Hörner, deren Geschmetter Säure in die Luft spritzte statt Süßigkeit.

      »Man möchte sagen Hofhunde, die den Mond anbellen,« erklärte der Beau, sich windend. »Und da habe ich, wie Sie wissen, selber die Kerle einexerziert! Vier Stunden hatte ich sie auf einer Wiese draußen, hab sie gebraten und eingeweicht in Sonne und Regen, damit sie ihre angeborene Kakophonie los werden. Aber sie lieben sie, wie sie Schinken mit Bohnen lieben. Der musikalische Stand des Volkes bei uns ist noch in der Phase des primitiven Appetites für Lärm, und davon kann es auch nie genug bekommen.«

      »Vielleicht klingt es von fern ganz angenehm,« meinte Chloe.

      »Nja, und ist entfernter desto angenehmer. Kommt man näher?«

      »Man hält. Am linken Wagenfenster ist ein Reiter. Nun zieht er den Hut.«

      »Mit großer grüßender Geste?«

      Chloe beschrieb den Halbkreis eines großen Grußes in der Luft.

      Der Beau zog die Augenbrauen in die Höhe. »Himmlische Mächte! Kaum ist sie von einer Hand der andern übergeben, kommt mittenwegs ein Kavalier dazwischen. Wir haben nicht auf die Habichte gerechnet. Also wir habens mit einem Kavalier zu tun! Dies bedeutet, meine liebe Chloe, daß ich sofort die Leidenschaft des Nebenbuhlers affektieren muß, wenn ich mit dem Menschen fertig werden will. Nichts weniger.«

      »Er ist im Galopp fortgeritten,« sagte Chloe.

      »Wem sie nach mir begegnet, das geht mich nichts an,« erklärte der Beau mit einer verachtenden Geste. »Aber es hat ein Intervall gegeben, das gefährlich war für eine unschuldige Dame wie Eva. Kommt sie näher?«

      »Die Kalesche kommt den Hügel im Trab herunter. Der Reiter ist den Weg zurückgeritten. Sie hat keine Diener zu Pferd bei sich.«

      »Die sind auf meinen Befehl zehn Meilen von hier fortgeschickt worden: zum großen Vorteil für die Herren Ritter möchte es scheinen. Frauen gegenüber, Chloe, ist das Blinken des Augenlids eine Versäumnis gegen die Wachsamkeit.«

      »Ein Axiom, das man im Harem des Großtürken aufschreiben sollte.«

      »Der Großtürke könnte uns nützliche Unterweisungen geben für unsern Handel mit dem Frauenzimmer.«

      »Mißtraut uns, und der Krieg ist erklärt.«

      »Euch trauen, und der Stöpsel ist dem Riechfläschchen verlorengegangen.«

      »Wir sind Frauen, Herr Beamish, aber wir haben Seelen.«

      »Ein schöner Schutz! Der Butz im Apfel, schützt er seine roten Backen davor, daß der von ihnen verlockte kleine Tommy den Garten plündert?«

      »Sie gehen davon aus, daß die Männer unsere Feinde sind.«

      »Ich behaupte nur, daß sie es sind, die das Banner der Tugend schwingen.«

      »Oh, Beamish, ich gebe mich auf!«

      »Ich verbiete Ihnen das für meine Lebenszeit, Chloe, denn ich wünsche im Glauben an eine Frau zu sterben.«

      »Bitte keine Schmeichelei für mich auf Kosten meiner Schwestern.«

      »Dann gehen Sie in ein Kloster, Chloe. Denn jede Schmeichelei ist auf jemandes Kosten, Kind. Die Schmeichelei ist eine Essenz, ein Extrakt der Menschlichkeit. Nach ihr zu leben, wie es manche Leute tun, ist schlecht, ja, es ist geradezu kannibalisch, aber es ist gestattet, unser Taschentuch mit ihr zu besprengen und wir sollen, wenn wir Lust haben, unsern Nasen mit einem Geruche wohltun. Gesellschaft, Chloe, das ist Wildheit auf einer höhern Stufe, und wir müssen unsere Opfer haben. Was sagen Sie zum Beispiel von mir neben unsern gestiefelten und gespornten Bauerntölpeln, die da reiten und tuten?«

      »Hundert davon sind Sie wert, Beamish.«

      »Das nenn ich ein Holokaust von Ehrenmännern, kondensiert um des Extraktes meines Leibes willen, und dazu haben Sie die Halunken nicht einmal zwischen die gigantischen Urweltsknochen gepreßt nach druidischem Brauche. Seien Sie philosophisch und nehmen Sie Ihr Ihnen Zukommendes hin. Und lassen Sie uns das unsere. Ich bin fest entschlossen, diese junge Herzogin zu bewahren, und ich weiß voraus, mein Unterfangen ist schwierig. Ich trage die erwähnte Standarte, das versichere ich Ihnen, und in aller Demut. Es ist ein Irrtum des Pöbels, daß alles Drache sei in den Kinnbacken des Drachen.«

      »Die Männer sind seine Klauen und seine Fangzähne.«

      »Gewiß, aber die Leidenschaft für seinen brennenden Atem ist bei der Frau. Sie nimmt sich ihren Elan und springt. So ist es, war es und wird es immer sein. Und in dem Augenblick, wo sie versucht und verängstigt vorgeht und zurückweicht gleichzeitig, da sperrt der Drache sein Maul auf und zieht die Luft ein: die Sonne ist verschlungen. Unsere Rolle ist, zu verhindern, daß es bei der Herzogin Goldknospe zu dem kritischen Augenblick komme. Kommt sie übrigens?«

      »Ich seh sie,« sagte Chloe.

      Beau Beamish verlangte eine Beschreibung und Chloe begann:

      »Sie ist bezaubernd.«

      Er gab diesen Kommentar:

      »Jede Frau ist bezaubernd in vierzig Schritten Entfernung, bezaubernder noch, wenn in der Phantasie gesehen.«

      »Schönes Haar, Kastanienfarbe, herrlichen Teint, weiß und rosa, ein blauer Hut.«

      »Die Augen?«

      »Von zartem Blau.«

      »Die richtige englische Hexe!« rief der Beau und der abwesende Herr und Meister dieser Hexe flößte ihm einen mitleidvollen Gedanken ein.

      Chloes Sehkräfte waren nicht länger mehr in Anspruch genommen, in der schönen Herzogin Linienspiel einzudringen, denn schon lagen die Seiten der beiden Wagen nebeneinander. Der des Beau war offen. Beamish erhob sich, und seine besonderen Rechte nützend fixierte er die Herzogin Susanne, bis sie errötete. Da sagte er:

      »Ah, Madame, ich bin nicht der erste.«

      »Aber wer sind Sie denn, mein Herr?«

      Der Beau zog langsam den Hut und verbeugte sich.

      »Der, Madame, von dessen Annäherung Sie jener Herr informierte, der da drüben auf der Höhe sich von Ihnen verabschiedete.«

      Sie blickte ganz arglos über ihre Schulter und auf den Beau, der aus seinem Wagen gestiegen war.

      »Ein Herr?«

      »Zu Pferde.«

      Die Herzogin fuhr mit dem Kopf zum Wagenfenster heraus: sie mußte die Entfernung zwischen den beiden Anhöhen messen.

      »Niemals!« rief sie.

      »Wie, Madame? Brachte er keine Botschaft, die mich ankündigte?« log der Beau.

      »Himmlische Güte! Da müssen Sie Sir Beamish sein.« rief sie.

      Indem er seinen Hut an sein Herz drückte, lud er sie ein, ihren Wagen zu verlassen und in dem seinen Platz zu nehmen. Sie stellte eine Bedingung:

      »Nur wenn Sie mich überzeugen, daß Sie Herr Beamish sind.«

      Er zog die Stirne in Falten und warf den Kopf zurück, um sie zu überzeugen, aber sie ließ sich davon nicht beeindrucken. Da rief er Chloe, daß sie seine Identität feststelle. Wie die Herzogin den Namen Chloe hörte, rief sie:

      »Ja, jetzt glaub ichs. Chloe ist hier meine Jungfer, und ich weiß, sie ist eine Dame, richtige Dame … wir werden Freundinnen werden.