Ein schönes Hospital! Dunkel wie ein Wolfsrachen. Ich habe schon Hundeställe gesehen, die besser waren.«
Blunt zeigte nach der leuchtenden Rauchsäule am Horizont: »Und wenn da eine ganze Schiffsladung von armen Teufeln herkommt, so muß ich sie aufnehmen.«
»Ja,« sagte Pine düster »das muß geschehen. Wir müssen sie wegstauen. Dann müssen wir mit dem ersten Wind das Kap anlaufen, – wenn sie kommen, – das ist das Einzige, was wir thun können.« Er wandte sich ab, um nach dem brennenden Schiff zu sehen.
Sechstes Kapitel.
Das Schicksal des Hydaspes
Indessen waren die beiden Boote grade auf den rothen Schein zu gerudert, der wie eine mächtige Fackel über dem Meer aufstieg.
Wie Blunt gesagt hatte, war das brennende Schiff gute zwölf Meilen entfernt von dem Malabar und der Weg war lang und ermüdend. Nachdem sie erst ganz die schützende Seite des Schiffes verlassen halten, das sie so weitaus ihrer unheilvollen Reise gebracht hatte, schienen die Abenteurer in eine ganz neue Welt zu kommen. Die Unendlichkeit des Oceans, über welchen sie sich langsam fortbewegten, offenbarte sich ihnen jetzt zum ersten Mal. An Bord des Gefangenenschiffes, umgeben von den Erinnerungen, wenn auch nicht von der Bequemlichkeit des Lebens an Land, hatten sie bis jetzt noch gar nicht ganz und voll begriffen, wie weit sie entfernt waren von der Civilisation, in der sie groß geworden. Die wohlerleuchtete und gut ausgestattete Kajüte, die einfache Fröhlichkeit auf dem Vorderkastell, die Ablösung der Wachen, ja selbst der Schrecken und die Finsterniß des fest geschlossenen Gefängnisses – Alles dies gab den Reisenden noch immer ein Gefühl der Sicherheit gegen die unbekannten Gefahren der See. Der Widerstand gegen die Elemente, der besonders stark ist wenn Menschen in Gesellschaft ihresgleichen sind, hatte sie bis dahin aufrecht erhalten und so fühlten sie auch jetzt, obgleich sie allein auf der ungeheuren Wasserfläche waren, daß die Gefahren, die Einer von ihnen zu bestehen haben würde auch von den Kameraden getheilt und vielleicht erfolgreich überwunden würden.
Jetzt aber – da das eine Schiff immer kleiner hinter ihnen wurde und das Andre vor ihnen, ein brennendes Wrack in der dunkeln Ferne, Schrecken und Grauen menschlicher Noth und Todesangst einschließend, – jetzt erst fühlten sie ihre eigne Schwäche und Ohnmacht recht. Der Malabar, das riesige Seeungeheuer, in dessen Innerem so viele Geschöpfe lebten und litten, war zu der Größe einer Walnussschale zusammengeschrumpft und wie war doch ihr eigenes Boot so verschwindend klein daneben erschienen, als es unter dein haushohen Stern hervorgeschossen war. Der schwarze Rumpf war für sie ein wahrer Riese an Stärke gewesen, der jede Macht von Wind und Wetter zu besiegen im Stande – jetzt war das Schiff nichts als ein Stück Holz, das über der grundlosen, schwarzen Tiefe schwamm. Das blaue Licht, das zuerst, über den Ocean blitzend, der Sterne Schein durch seinen Glanz erbleichen ließ, war jetzt nur noch ein heller glänzender, deutlicher Punkt, der aber durch seinen Glanz selbst das Schiff zwerghaft erscheinen ließ. Der Malabar lag auf dem Wasser wie ein Glühwurm auf einem schwimmenden Blatt und die Signalfeuer machten nicht mehr Eindruck in der Dunkelheit als das Licht eines einsamen Bergmannes in dem Abgrunde einer Kohlenmine.
Und doch enthielt der Malabar zweihundert Seelen, Menschen wie sie selbst waren!
Das Wasser, über das die Boote hinglitten, war schwarz und glatt, nur in ungeheuren schaumlosen Wogen sich hinwälzend, die um so schrecklicher waren wegen der völligen Stille. Wenn die See braust, so scheint sie zu sprechen und die Sprache unterbricht die Schrecken der Stille ; wenn die See unbeweglich ist, so ist sie stumm und scheint über allerlei Unheil zu brüten. Der Ocean in einer Windstille ist wie ein böser Riese; man fürchtet sein Brüten über neuen Plänen. Ueberdies sieht das aufgewühlte Meer nicht so ungeheuer groß aus, wie ein stilles Meer. Die steigenden Wellen bringen den Horizont näher und man sieht nicht, wie viele, viele Meilen die unbarmherzigen Wellen sich wiederholen. Um die entsetzliche Ausdehnung des Oceans zu erkennen, muß man ihn in der Ruhe sehen.
Der Himmel stieg ohne Wolken über dem stillen Meere auf. Die Sterne schienen so niedrig in dem ungeheuren Raum zu stehen und strahlten in einer Art von violettem Glanz. Kein Laut ertönte und jeder Schlag der Ruder hallte leise wieder in dem unendlichen Raum. Wenn die Ruder eintauchten, spritzten Funken auf und die Boote ließen zwei Streifen zurück, die wie ungeheure Schlangen auf einem Meer von Quecksilber sich zu bewegen schienen.
Bis jetzt hatte eine Art von Wettfahrt zwischen den beiden Booten stattgefunden; die Ruderer hatten mit zusammengebissenen Zähnen und fest geschlossenen Lippen Schlag auf Schlag gethan. Da hielt das vordere Boot plötzlich ein wenig an. Best ließ ein fröhliches Hurrah hören und schoß an ihm vorüber grade hinein in den rothen Lichtstreifen, der von dem brennenden Schiff aus sich über die See breitete. »Was gibts?« rief er.
Er hörte einen unterdrückten Fluch von Frere und dann machte Frere’s Boot eine ganz besondere Anstrengung, um ihn wieder zu überholen.
»Es war wirklich nichts von Bedeutung; nur ein Gefangener der nicht weiter konnte.«
»Verdammt,« murmelte Frere »was ist mit Euch ? O, es ist Dawes, natürlich Dawes. Von solchem schleichenden Hunde kann man auch nichts Besseres erwarten. Solch’ Unsinn gilt bei mir nicht. Es ist freilich nicht so angenehm, als sich am Schanzbord herumzutreiben, aber immer weiter, – fort.«
»Er ist krank Herr,« sagte ein mitleidiger Kamerad.
»Krank, – er! Alles Verstellung. Voran, voran, – legt Euch aus.«
Der Gefangene hatte sein Ruder wieder aufgenommen und das Boot schoß weiter.
Aber es half Frere nichts; er konnte die verlorene Strecke nicht wieder gewinnen und Best erreichte zuerst die schwarze Wolke, die über den roth schimmernden Wasser hing.
Auf sein Zeichen glitt das zweite Boot an seine Seite.
»Haltet zurück,« sagte er. »Wenn noch Viele an Bord sind, werden ihrer zu viele kommen, und ich glaube, es müssen noch viele da sein, denn wir sind keinen Booten begegnet.« Und während die erschöpften Ruderer zurücklehnten, erhob er seine Stimme und rief das Schiff an.
Es war ein sehr großes, schwerfällig gebautes Schiff von bedeutender Breite und sehr hohem Hinterdeck. Sonderbar genug war es, obgleich sie erst sehr kurze Zeit den Brand gesehen, ein vollständiges Wrack und gänzlich verlassen. Der Hauptherd des Feuers war in der Mitte und das Zwischendeck war eine Feuermasse.
Hier und da klafften schon Risse und Spalten in der Seite und das Feuer glühte furchtbar im Innern. Der große Mast war auf der Steuerbordseite in’s Wasser gesunken und die schwarzen überhängenden Trümmer hatten das Schiff stark auf die Seite gelegt. Das Feuer prasselte wie ein Wasserfall und ungeheure Wolken feurigen Rauches wälzten sich hervor und legen sich dicht über die ganze Umgebung.
Als Frere’s Boot langsam um den Stern des Schiffes ratterte, rief er es wiederholt an.
Doch kam keine Antwort und obgleich die Lichtfluth, welche das Wasser ringsum blutroth färbte und jedes Tau und jeden Sparren taghell erleuchtete, so konnte sein spähendes kluge doch kein lebendes Wesen entdecken.
Sobald sie näher kamen, konnten sie die vergoldeten Buchstaben des Namens unterscheiden.
»Wie heißt es,« rief Frere, dessen Stimme fast von dem Geräusch der prasselnden Flammen erstickt wurde. »Könnt ihr es lesen ?«
Rufus Dawes stand von Neugierde getrieben, hoch auf und beschattete seine Augen mit der Hand. Plötzlich schrie er auf.
»Nun, könnt Ihr nicht sprechen? Wie heißt es?«
»Der Hydaspes!«
Frere athmete schwer.
«Der Hydaspes! Das Schiff, in dem sein Vetter Richard Devine gesegelt war. Das Schiff, von dem er mit größter Angst auf Nachricht wartete. Das Schiff von dem er nirgends etwas gehört hatte, als über seinen verschwundenen Vetter gesprochen wurde.
»Zurück, ihr Männer! Fort! Rudert um Euer Leben!«
Best’s Boot näherte sich.
»Könnt ihr den Namen lesen ?«
Frere, todtenbleich vor Schrecken, brüllte eine Antwort:
»Der