es ist nicht mein geblieben.
Und harrt auch die Liebe aus,
Bis der letzte Hauch im Leben
Wir im bessern Vaterland
Endlich sie wird wiedergeben
Ich hatt' begonnen sie zu lieben
Was ist Lieb', die einst begann,
Gegen jene ew'ge Liebe,
Die dem Kinde mit dem Leben
Wird zugleich ins Herz gegeben,
Wenn es noch nicht stammeln kann?
Da es an der Mutter Brust,
Kaum dem Mutterschoß entsprossen,
Lernt die erste Nahrung saugen,
Schauend in der Mutter Augen
Nein, kein Band, das fester binde,
Fester Herzen hält umschlossen,
Als das Band, das Gott geschlossen
Zwischen Mutterherz und Kinde
Und ein Herz, das hingegeben
So sich hat dem schönen Ziel,
Fand es auch in seinem Streben
Blumen keine, Dornen viel:
Könnt' ein solches Herz indessen
Eines Mutterherzens Treue,
Könnte es die Frau vergessen,
Die die ersten Kinderschreie
Sorgenvoll hat angehört,
Die mich liebend hat umfangen,
Thränen küsste von den Wangen,
Mich mit ihrem Blut genährt?
Mutter, Mutter, glaub' es nimmer,
Bei dem Himmel, der mich sieht,
Glaub' es Mutter deinem Kinde:
Nein, dein Kind vergaß dich nimmer
Was uns Schönes mag das Leben
In der süßen Heimat geben,
Alles, alles liegt mir weit
Und der Jugend helle Freuden,
Meine Pfade sie vermeiden,
Einsam Herz kennt keine Freud'.
Steil und dornig sind die Wege,
Die ich schreite still einher,
Und das Unglück drückt mich schwer.
An den Busen der Natur
Sucht mein Haupt die milde Pflege:
Ob mein Herz wohl mag gefunden,
Mögen meine Thränen zeigen,
Wie so manche trüben Stunden
Mir das Haupt darnieder beugen …
Sank der Mut mir, oftmals habe
In Gedanken ich geklagt:
Vater, schenke mir im Grabe,
Was das Leben mir versagt
Vater, woll' mir dort bescheren,
Drückt der Tod die Augen zu,
Wolle dorten mir bescheren,
Was ich hier nicht kannte: Ruh'
Aber wenn ich beten wollte,
Stieg die Bitte nicht zum Herrn,
Beugt' ich meine Knie nieder,
Und ich sprach: Noch nicht, o Herr
Erst gieb mir die Mutter wieder
Viertes Kapitel
Herr Batavus Droogstoppel findet in dem Paket des Sjaalmans allerlei, was für den Kaffeehandel von Belang ist. Er entschließt sich, »sein Buch« zu schreiben, und schließt zu diesem Zwecke mit Stern einen Vertrag. Sein Besuch bei einer unzufriedenen Familie.
Bevor ich fortfahre, muß ich euch mitteilen, daß der junge Stern angekommen ist, ein ganz netter Bursche. Er scheint flott und geschickt; aber ich glaube, er »schwärmt«. Marie ist dreizehn Jahre. Was er mitbringt, ist ganz hübsch. Jetzt ist er am Kopierbuch, um sich im holländischen Stil zu üben. Ich bin begierig, ob nun bald Aufträge von Ludwig Stern kommen werden. Marie soll für ihn ein Paar Pantoffeln sticken für den jungen Stern, natürlich. Busselinck & Waterman haben vorbei geangelt ein anständiger Makler geht nicht auf Schleichwegen, das sage ich.
Den Tag nach der Gesellschaft bei Rosemeyers, die in Zucker machen, rief ich Frits und ließ mir das Paket von Sjaalman bringen. Du mußt wissen, Leser, daß ich sehr streng auf Religion und Sitte halte. Nun also, den vorigen Abend, wie ich gerade meine erste Birne geschält hatte, las ich im Gesicht von einem der Mädchen, daß da irgend etwas in dem Vers vorkam, was nicht solide war. Ich hatte nicht so genau hingehört; aber ich sah, wie Betsy ihr Brötchen verkrümelte, und das war mir genug. Du wirst sehen, Leser, daß du es mit jemand zu thun hast, der in die Welt paßt. Ich ließ mir also von Frits das »hübsche Stück« von gestern abend vorlegen und fand auch schnell die Zeile, die Betsys Brot verkrümelt hatte. Es wird da gesprochen von einem Kinde, das an der Mutterbrust liegt das kann noch durchgehen aber: »Kaum dem Mutterschoß entsprossen«– sieh, das fand ich nicht gut darüber zu sprechen, meine ich, und meine Frau auch nicht. Marie ist dreizehn Jahre. Von »Kohlköpfen« und dergleichen wird in unseren Hause nicht gesprochen, aber so das Ding beim Namen nennen, ist auch nicht nötig, weil ich auf Sittlichkeit halte. Ich nahm Frits, der das Stück nun einmal »auswendig weiß«, wie Stern das nennt, das Versprechen ab, daß er es nicht wieder aufsagen sollte wenigstens nicht, ehe er Mitglied der »Doktrina« sein würde, weil nämlich da keine jungen Mädchen hinkommen und dann steckte ich ihn in mein Pult, den Vers meine ich. Aber ich mußte wissen, ob da nicht noch mehr Anstößiges in dem Paket war, und machte mich deshalb ans Lesen und Blättern. Alles konnte ich nicht lesen, denn ich fand Sprachen darin, die ich nicht verstand, und da fiel mein Auge auf ein Heft: »Bericht über die Kaffeekultur in der Residentschaft Menado.«
Mein Herz schlug lauter, denn ich bin Makler in Kaffee (Lauriergracht Nr. 37), und Menado ist eine gute Sorte. Also dieser Sjaalman, der unsittliche Verse machte, hatte in Kaffee gearbeitet Ich sah nun das Paket mit ganz anderen Augen an. Ich fand Stücke darin, die ich zwar nicht alle verstand, aber die wirklich Kenntnis von Geschäften verrieten. Da waren Tabellen, Deklarationen, Berechnungen und Ziffern, in denen gar kein Reim vorkam, und alles war mit solcher Sorgfalt und Genauigkeit bearbeitet, daß ich, offen gestanden denn ich liebe die Wahrheit auf den Gedanken kam, daß Sjaalman, wenn der dritte Buchhalter einmal abginge was vorkommen kann, denn er wird alt und wackelig recht gut dessen Platz würde einnehmen können. Es versteht sich, daß ich dann erst noch über seine Ehrlichkeit, seine Religion und seine Anständigkeit Erkundigungen einziehen müßte, denn ich nehme keinen auf mein Kontor, ehe ich darin sicher bin, das ist mein festes Prinzip. Ihr habt das aus meinem Briefe an Ludwig Stern gesehen.
Ich wollte mir vor Frits nichts merken lassen, daß ich anfing, dem Inhalt des Pakets Beachtung zu schenken, und schickte ihn deshalb weg. Mir wurde in der That schwindelig, wie ich so ein Heft nach dem anderen in die Hand nahm und die Titel las. Es ist wahr, es waren viel Verse darunter, aber auch viel Nützliches, und ich erstaunte über die Verschiedenartigkeit der behandelten Materien. Ich gebe zu denn ich liebe die Wahrheit daß ich, der allzeit Kaffee gehandelt hat, nicht in der Lage bin, den Wert von allem zu beurteilen; aber auch ohne Kritik war die Liste der Aufschriften schon kurios genug. Da ich euch die Geschichte von dem Griechen erzählt habe, wißt ihr, daß ich in meiner Jugend ein bißchen latinisiert worden bin, und wie sehr ich mich auch in der Korrespondenz aller Citate enthalte was auf einem Maklerkontor auch nicht passen würde so dachte ich doch, wie ich das alles sah: »De omnibus aliquid, de toto nihil«, oder »Multa non multum.«
Aber das war eigentlich mehr eine kleine Bosheit oder der Trieb, die Gelahrtheit, die da vor mir lag, auf lateinisch anzusprechen,