eifersüchtig auf diesen Kometen, der dich scheinbar mehr interessiert, als meine Liebe!«
Sie warf ihm einen lächelnden Blick zu und sah dann zu Ralph Jonathan Wieland hinüber, dem Krösus, der mit gleichgültiger Miene sein Sektglas hob. Und es wollte Romulus Futurus, dem Menschenkenner, scheinen, als ob in dem nebensächlichen Blick der göttlichen Sängerin und der offen zur Schau getragenen Gleichgültigkeit des Krösus ein geheimer Sinn läge.
Aber der Astronom war klug genug, zu schweigen, umso mehr, als ihm die Leidenschaft für eine Frau etwas Unverständliches war. Er hatte nie in seinem Leben geliebt, und der Rausch, den er einstmals für seine Braut Fabia empfunden, war eben nichts weiter gewesen als eine Aufwallung, die sich rasch genug gelegt hatte. Das Weib erschien ihm als etwas durchaus Minderwertiges, das kein Anrecht auf männliche Ehrerbietung besaß, und Romulus Futurus hatte aus diesen seinen Ansichten auch niemals ein Hehl gemacht. Sein Benehmen gegen die Frau war, wenn auch durch weltmännische Gewandtheit verdeckt, stets von einer heimlichen Brutalität geleitet.
»Und was wird werden, wenn der Komet auf die Erde kommt?« fragte Dr. Diabel, indem er sein bleiches, von einem blauschwarzen Bart umrahmtes Gesicht über den Tisch neigte und gleichzeitig die großen, glänzenden Augen auf die Fürstin Angelika heftete, die am Ende der Tafel saß und keinen Blick von Romulus Futurus wandte. Die junge Fürstin war das Gegenteil von Frau Fabia. Schlank, zierlich, dabei von seltener Schönheit, glich sie einer jener Orchideen, die in den Treibhäusern ihre schönsten Farben entwickeln. »Was wird geschehen, wenn der Komet auf die Erde kommt?« wiederholte Dr. Diabel seine Frage.
Da Romulus Futurus nicht sofort antwortete, so entgegnete General Treufest:
»Darüber kann ich Ihnen Auskunft geben. Auf alle Fälle werden wir mit allen Hilfsmitteln der Technik, die uns zur Verfügung stehen, versuchen, das drohende Unheil abzuwenden. Sollte es aber etwa gar auf einen Eroberungszug der mystischen Bewohner dieses Kometen abgesehen sein, so werden sie eine fatale Bekanntschaft mit unseren großen Riesenkanonen machen müssen.«
»Es besteht sehr wenig Wahrscheinlichkeit, dass dieser Komet bewohnt ist!« wandte Romulus Futurus ein. »Die Tatsache, dass er eine so phänomenale Leuchtkraft besitzt, spricht dagegen. Dieses Purpurlicht, meine ich, ist auch vorläufig für uns eine größere Gefahr, als der Komet selbst, denn unsere Zeitungen bringen tagtäglich neue, fürchterliche Berichte über Entartungen und Verbrechen, die im Zeichen des roten Kometen geschehen!«
»Zuerst wird wohl eine Revolution ausbrechen, wie die Erde keine zweite gesehen hat!« sagte plötzlich hastig Peter Cornelius, der junge Student, indem er sich nervös durch das reiche, blonde Haar fuhr. »Die Völker werden aufstehen und das Joch der Tyrannei abwerfen, unter dem sie lange genug geschmachtet haben.«
Während er das sagte, sah er mit brennenden Augen zu Miss Head-Divina hinüber. Die aber schenkte ihm keinen Blick. Sie hatte sich vorgebeugt und flüsterte dem General zu:
»Ist es wahr, wovon man allgemein spricht? Wir werden einen Krieg mit Frankreich und England bekommen?«
Der General, der sich schon in vorgerückter Weinlaune befand, entgegnete:
»Es ist richtig, dass eine außergewöhnliche Aufregung zwischen diesen drei Ländern besteht und dass im Kriegsministerium eifrig gerüstet wird. Aber woher wissen Sie davon? Bis jetzt wird alles geheim gehalten!«
Woher sie davon wusste? Natürlich von John Crofton, dem Bevollmächtigten Amerikas, der besser orientiert war als General Treufest. Miss Head aber versuchte, den General weiter auszuforschen.
Plötzlich kam John Crofton auf die bizarre Idee, Romulus Futurus möchte sie doch alle zusammen fotografieren.
»Nachdem dein Apparat von einer so immensen Schärfe ist, Romulus, dass er selbst versteckte Kometen auf die Platte zaubert, so dürften die Bilder, die du von uns erhältst, sicherlich das Beste werden, was hervorgebracht werden kann. Wir werden keine verschwommenen, oberflächlichen Züge tragen. Wir müssen auf dem Bilde ganz so sein, wie wir in Wirklichkeit sind und wie wir uns mit unseren schwachen Augen überhaupt nicht sehen. Happy«, – der große Journalist wandte sich an die Schauspielerin, die die Brauen hochgezogen hatte und mit einer gewissen Unruhe diesem Vorschlage zuhörte. – »Happy, nimm dich in acht! Die Entstehungsgeschichte deiner Schönheitspflästerchen wird sicherlich auch auf diese mysteriöse Platte gezaubert werden, und ich werde vielleicht, wenn ich dich im Bilde sehe, finden, dass du abscheulich bist!«
Romulus Futurus widersprach lebhaft dem Wunsche des Freundes, ein Experiment auszuführen, das der berühmte Astronom bis zu diesem Augenblick noch nie versucht, denn er hatte seine Erfindung ganz und gar in den Dienst der Wissenschaft gestellt.
Sein Freund John Crofton aber ließ nicht nach mit Bitten, und schließlich musste Romulus Futurus doch selbst zugeben, dass er etwas Ähnliches im Sinne gehabt, sonst hätte er den Apparat ja gar nicht in die Wohnung seines Freundes zu bringen brauchen. Oder war dies rein mechanisch geschehen, unter dem Drucke jenes Unbewussten, das John Crofton ›das schwarze Schicksal‹ zu nennen pflegte? —
Genug – Romulus Futurus entschloss sich, zum Andenken an diesen vergnügten Abend ein Gruppenbild herzustellen. Auch seine Gattin nahm an dem Tische Platz, um den sich alle Anwesenden mit natürlicher Grazie gruppierten. Romulus Futurus schob unter dem Schutze eines schwarzen Tuches die lichtempfindliche Platte ›Lumen‹ in den Apparat.
Eigentlich empfand er ein dunkles, geheimes Grauen gegen die Ausführung seines Planes. Aber er scheute sich, es zu gestehen. Nachdem er also mit seinen Vorbereitungen zu Ende war, exponierte er eine halbe Minute, nahm dann die ›Lumen‹-Platte heraus und überzeugte sich, dass die Aufnahme gelungen war.
»Ich werde jedem der Beteiligten morgen ein Bild senden«, sagte er. – Eine leichte Blässe überzog sein Antlitz, nachdem er die Platte gegen das Licht längere Zeit beobachtet hatte. Es war nämlich eine Eigenheit derselben, dass sie sofort, ohne entwickelt und fixiert werden zu müssen, deutlich nach der Aufnahme das Negativ dem Auge zeigte.
Spät des Nachts trennten sich die Gäste. Intensiv und grell war das purpurne Licht, das vom Himmel in die Fenster strömte.
»Der Komet ist wieder um viele Tausend Kilometer näher gekommen«, murmelte Romulus Futurus und sah auf die Uhr.
In dem prachtvollen Flugcoupé, das der Astronom besaß, fuhr er mit seiner Gattin Fabia, die den ganzen Abend über schweigsam gewesen war, nach Hause.
Eine Viertelstunde später saß er wieder in dem großen, kühlen Raume der astronomischen Sternwarte. Die fabelhaften Riesengläser glotzten ihn mit ihren schwarzen, unheimlichen Augen an. Das Firmament schien ein unendlicher Teppich von blauer Farbe zu sein, in den ungezählte blitzende Diamanten gewebt waren. Über alles spannte sich ein greller, roter Bogen.
Das war der Himmel.
Angesichts der gigantischen Unendlichkeit begann Romulus Futurus einen Abzug von der Platte zu machen. Warum zitterte er? Warum nahm dieses nebensächliche Geschäft seine Aufmerksamkeit dermaßen in Anspruch, dass er in jener Nacht sogar vergaß, seine gewöhnlichen Beobachtungen zu machen und zu registrieren, dass der rote Komet sich der Erde wiederum ein verhängnisvolles Stück genähert hatte? – —
Es war etwa drei Uhr morgens, als Romulus Futurus den sprechenden Abzug vor sich auf den Knien liegen hatte.
Da war er so bleich wie die weißen Wände des Sternwartensaales und seine Augen glühten beinahe so rot wie der Komet. Auf dieser Platte stand ein furchtbarer Roman, mit blutiger Tinte geschrieben, mit hässlichen Wahrheiten durchsetzt. Er bemerkte nicht, dass Frau Fabia leise und unhörbar, das weiße Gewand gerafft, dass es nicht rauschen konnte, in die Sternwarte getreten war. Und wie sie nun einen Blick über die Schultern ihres Gatten hinweg auf das Bild geworfen hatte, schrie sie plötzlich auf und rang verzweifelt die Hände:
»Ich bin unschuldig! Ich schwöre dir, Romulus, ich bin unschuldig!«
Er aber packte sie an ihren langen, wunderschönen schwarzen Haaren und stieß sie zu Boden, dass sie beinahe die Besinnung verlor und zusammengekauert liegen blieb, gleich einem verwundeten Reh. Romulus Futurus aber rannte wie ein Rasender auf und nieder; indem er zu seiner Gattin Fabia sprach, deutete er von Zeit zu Zeit auf das Bild, dann wieder