Wilhelm Walloth

Das Schatzhaus des Königs


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Asso, den Arm ihrer Quälerin loslassend.

      »Hört mich an,« sagte diese.

      »Ich will dir zuhören,« sprach die Witwe resigniert. »Erzähle mir alles, was du weißt! Du scheinst mir aufrichtiger zu sein, als mir anfangs schien. Gib mir deine Hand und nimm die Versicherung, Jüdin, daß ich dir, wenn du mir wahrheitsgetreu berichtest, was mein Sohn ohne mein Wissen getrieben, ebenfalls Dienste leisten werde, auf welche Art es auch sei. – Verzeihe, daß ich mich hinreißen ließ.«

      »Gut,« entgegnete ihr das Mädchen, »darauf gehe ich ein, denn Ihr könnt Euch denken, daß ich nicht ohne selbstische Absicht hierhergekommen. Meine Mühe, die geheimen Pfade Eures Menes auskundschaftet zu haben, fordert Belohnung.«

      »Und woraus soll diese bestehen?«

      »Macht es möglich, daß ich in die Nähe des Königs komme,« erwiderte ihr die Jüdin, »ich brenne vor Verlangen, dem Sohn der Sonne meine Tanzkunst vorzuführen. Wenn Ihr dies bewerkstelligt – und ich weiß, Ihr könnt es, denn Ihr seid mächtig – dann bin ich Euch die ergebenste Freundin, dann sollt Ihr erfahren, was in und außer Memphis vorgeht, – denn, wie Ihr wißt, erfahren wir Mädchen gar manches Geheimnis, um das uns des Königs Statthalter beneiden könnte, – dann bin ich erbötig, Euch Eueres Sohnes Abenteuer bis auf den letzten Grund zu enthüllen.«

      Asso fühlte sich ein wenig geschmeichelt, als nun Rebekka begann, den Reichtum, die Schönheit und den Einfluß ihrer, wie sie sich ausdrückte, Beschützerin zu preisen; Rebekka, welche dies nicht ohne Genugtuung bemerkte, fuhr fort, ihre Schmeicheleien stärker aufzutragen. Sie lobte die glänzende Hautfarbe, den prächtigen Schmuck der Dame, ja ihr Lob erstreckte sich schließlich bis auf den Papageien und die Hauskatze herab. Asso versprach daraufhin, ihre Freundin dem Könige, durch Vermittlung des Oberpriesters Psenophis von Theben, vorführen zu lassen; Psenophis komme in einigen Tagen nach Memphis, um die Tempel zu inspizieren; sie werde ihn alsdann besuchen. Hierauf warf sich die Jüdin dankbar vor der Dame nieder, verschämt lächelnd um die Hände ihrer huldreichen Beschützerin bittend; dieselben wurden ihr gnädigst überlassen und sie drückte einen dankbaren Kuß auf diese. Rebekka begann nun auseinanderzusetzen, wie sie mit Menes schon öfter zusammengetroffen und wie sie belauscht habe, daß er Myrrah, eine ihrer Freundinnen, zuweilen besuche. Myrrah habe sich anfangs entschieden der Liebkosung ihres Freundes entzogen; Menes sei von da an stets die Straßen und Plätze auf und ab gewandelt, auf welchen sich Myrrah am meisten aufgehalten. Endlich nach langer Zeit sei es dem armen Liebeskranken geglückt, den Gegenstand seiner Sehnsucht aus dem Rachen eines Krokodils zu retten; hierbei erst habe er sie wieder einmal gesprochen.

      »Und das Endergebnis dieser Zusammenkunft?« frug die Witwe gespannt.

      »Beide trennten sich voll Feindschaft,« fuhr Rebekka fort, »Menes verlor die Spur des Mädchens gänzlich.«

      »Den Göttern sei Dank!« rief Asso, »vielleicht ist sie tot; er wird seine unsinnigen Absichten aufgeben, wenn er sie nicht mehr sieht.«

      »Ihr irrt, hohe Frau,« entgegnete Rebekka lächelnd, »er verfolgt seinen unsinnigen Plan nur mit glühenderem Eifer.«

      »Wie? Und sie –? die Verführerin – Myrrah lebt noch?«

      »Sie lebt; höret, auf welche Weise sie sich wiederfanden.«

      Bis dahin hatte Asso ziemlich ruhig der Erzählung zu gehört, sie schien kaum beunruhigt, denn sie nahm den Liebesdurst ihres Sohnes hin wie eine leichte Kinderkrankheit, von der jeder einmal befallen wird; sie lächelte sogar darüber, indem sie vor sich hin murmelte: »Ei! ei! das habe ich nie hinter seiner strengen Außenseite gesucht! Tut nichts. Wird bei Hof sein Glück machen.«

      Als nun aber Rebekka das Folgende vortrug, veränderten sich die bisher sanften Züge Assos bis zur Entstellung; Wut sprach aus ihrem Auge und sie durcheilte mit fliegenden Schritten das Gemach, Vasen und Glasgefäße, die ihr im Wege standen, zertrümmernd. Rebekka nämlich erklärte der Wütenden rund heraus, Myrrah befinde sich seit gestern fast unter einem Dach mit ihrer zukünftigen Schwiegermutter; Menes halte das Kind im äußersten Gartenpavillon, der dicht an den Nilkanal stößt, verborgen. Dies fand Asso natürlich unbegreiflich.

      »Wie kann er die Frechheit haben,« schrie sie.

      »Wie ist solches möglich! Wie kann die Dirne dort hingelangt sein. Rede, denn ich muß der Sache auf die Spur kommen.«

      Rebekka erzählte folgendes:

      Myrrahs Blumen hatten eines Abends spärlicher denn je Absatz gefunden. Nur ein Sträußchen hatte sie an einen dreisten, jungen Krieger, einen Bogenschützen, verkauft. Unter allerlei anzüglichen Scherzen wählte er den Strauß, und nachdem er, um recht lange in ihrer Nähe verweilen zu können, die Blumen wüst untereinander geworfen, ging er endlich, sich entschuldigend, er könne nicht zur Wahl kommen, die Blumen seien welk. Myrrah empfand Scheu vor seinen häßlichen Scherzen, vor seinen eigentümlich wilden Blicken; sie atmete auf, als er gegangen. Mit trübem Lächeln raffte sie ihre duftende Ware zusammen, den Heimweg zu suchen. Doch kaum hatte sie das Judenviertel betreten, so hörte sie Tritte hinter sich. Erschrocken blieb sie stehen. In der Dunkelheit gewahrte sie eine Gestalt, die auf sie zuschritt. Sie nahm allen ihren Mut zusammen und entfloh so hastig, als es ihre Müdigkeit und ihr Blumenkorb erlauben wollten. Sie hatte noch nicht ihr Haus erreicht, da fühlte sie sich von hinten um die Hüfte gefaßt; daß Menes nicht so keck sei, wußte sie; ein ihr fremder Mensch, den sie bis jetzt noch nicht erkennen konnte, schmiegte sich unter glühenden, wilden Liebkosungen und Gebärden, die ihr Ekel erregten, an sie. Der Schrecken schnürte ihr die Stimme im Halse fest, sie wagte nicht, sich umzusehen; als sie dies dennoch tat, erkannte sie ihren Blumenkäufer, den jungen Bogenschützen.

      »Ich habe dich belauscht,« sagte er keuchend, »vergib mir, schöne Jüdin. Mein Gebein zerschmilzt in Liebe zu dir, erlaube, daß ich dich nach Hause geleite.«

      »Laß mich meiner Wege gehen,« jammerte die Hilflose, »ich mag nicht mit dir verkehren; du weißt, wie strenge die Gesetze den bestrafen, der das tut, was du im Begriffe bist, zu tun. Hinweg!«

      Der junge Ägypter hörte nicht auf ihre Drohung. Myrrah, ihrer nicht mehr mächtig, sank in die Knie, die Hände flehentlich zu dem vor Begierde Rasenden emporhebend. Dieser packte sie am Arm und schleifte sie nach sich, um sie in eine völlig finstere Querstraße zu zerren. Des Mädchens Sinne umwölkten sich, sie fühlte, wie der Wütende hastig versuchte, ihr den Mantel von den Gliedern zu reißen; in diesem Augenblick aber sah sie dicht neben sich den Blitz eines Stahles aufflammen. Ein ihr wohlbekannter Arm drängte sich zwischen sie und ihren Verfolger; ein Schrei schlug an ihr Ohr; Blutstropfen spritzten feuchtwarm über ihr Gesicht, und der unverschämte Lüstling lag stöhnend am Boden.

      »Soweit,« schloß Rebekka ihren Bericht, »sah ich aus meinem Versteck die Szene sich abspielen; erratet Ihr, hohe Frau, wer der Retter des Mädchens war?«

      »Glaubst du in der Tat, Menes habe dem jungen Ägypter seinen Raub entrissen?« frug die Witwe.

      »Ich möchte darauf schwören,« entgegnete die Jüdin.

      »Wie kann sich,« sagte Asso, »der Junge so sehr hinreißen lassen! Als wäre es die Tugend einer Jüdin wert, einen Ägypter darum zu töten. O ihr Götter! warum kam Menes nicht eine Viertelstunde später, er hätte ja alsdann noch immer Zeit gehabt, den Krieger zu töten, und Myrrah – meinetwegen – im Nil zu ertränken.«

      »Die Liebesgöttin hat es anders beschlossen,« erwiderte Rebekka, nicht ohne einen Zornblitz im Auge, als sie in das kühle, lieblose Gesicht der Witwe schaute.

      »Ich fand,« fuhr sie fort, »als ich später den Schauplatz des Vorfalls betrat, jenen Ring, den, wie Ihr selbst sagtet, Menes getragen. Ich konnte meine Neugier nicht zähmen; den beiden nachschleichend, sah ich, wie der junge Mann die wieder zu sich gekommene Myrrah unterstützte, bis sie fähig war, mit seiner Hilfe langsam weiter zu schreiten. Ich folgte dem Wege der beiden durch die Stadt, die Richtung desselben verlor ich jedoch bald. Er verschwand mit seiner süßen Begleiterin hinter einem Gebüsch und ich sah ihn nur noch einmal in der Nähe deines Gartens, Herrin, als er die sich sträubende Myrrah auf seinen Armen weitertrug. Ihr weißer Mantel schimmerte hell durch die Nacht; rasch floh er dahin und nur zu schnell war er meinen Blicken entschwunden.«

      »Und