fuhr er bereits sanfter fort, »habe ich keine Ursache?«
Domitia war mit sich selbst uneinig, ob in diesem Falle das Lachen oder das Weinen den Vorzug verdienen möchte, um die gewünschte Wirkung auf das Herz ihres Liebhabers hervor zu bringen. Endlich entschloß sie sich, wenn möglich beides, um die Wirkung zu steigern, in geschickter Weise zu vereinigen. Sogleich nahm sie die Miene der beleidigten Tugend an, richtete sich empor, ballte die Faust im Gewande zusammen und stand so einige Zeit ruhig da, indeß sich ihr Busen schmerzvoll hob und senkte, als versuche er die unendliche Last abzuschütteln, die auf ihm ruhte.
»Ich habe es schon lange geahnt,« begann sie leise, anscheinend mit Mühe ihre Fassung aufrecht erhaltend, »ich fühlte es, wenn er im Circus neben mir saß, ich konnte mir seine Ueberwachung wohl erklären« – hier begann ihre Stimme bedenklich zu zittern – »aber ich schwieg, ich wagte nicht mich zu rechtfertigen, ans Angst, er könne mich mißverstehen« – einzelne Seufzer ließen bereits auf den kommenden Ausbruch der Gefühle schließen —. »Das also ist der Dank dafür, daß ich meinen Gatten Lamia verließ, das ist der Dank dafür, daß ich ihm, dem Kaiser zuliebe that, was vor Göttern und Menschen verdammt ist, daß ich alle die Schande auf mich lud, die man einem bürgerlichen Weibe niemals verzeihen würde, – man verdächtigt mich – und mit wem? glaubt er etwa, ich wisse es nicht? – O, man betrügt mich nicht – mit einem Tänzer!! – man wagt es, meinen Namen mit dem eines Tänzers in einem Athem zu nennen?« – —
Sie taumelte, die Hände vor das Gesicht gedrückt, krampfhaft schluchzend nach der Thüre hin, in der Hoffnung, der Kaiser würde ihr, sie in seine Arme fassend, nacheilen. Dies that er jedoch klugerweise nicht, obgleich es ihm schwer wurde, sie in dieser Stimmung, deren geheucheltes Pathos er nicht völlig durchschaute, gehen zu lassen. In der That spielte die Kaiserin, trotzdem sie den haßte, der sie zu dieser Verstellung zwang, ihre Rolle so vortrefflich und wußte sie das Natürliche mit dem Erkünstelten auf eine so pikante Art zu mischen, daß das Herz ihres Zuschauers in eine Art von wollüstigem Traum gewiegt, und jeder aufsteigende Aerger niedergeschlagen wurde.
Wie sie dahinschritt, wie sie sprach, wie sie die Augen aufschlug, jede Geste war äußerst fein, so zu sagen, epigrammatisch berechnet, auch verstand sie es, eine gewisse Poesie in alles, was sie sprach und that, zu legen, einen phantasievollen Duft um sich her zu verbreiten, der das Erkünstelte adelte und fast bis zur Wahrheit erhob, was bei einer gewöhnlichen Natur als Lüge abgestoßen hätte.
»Du sprichst von einem Tänzer!« rief er ihr nach.
Sie, schon an dem Thürvorhang angekommen, blieb abgewandt stehen.
»Ja, von einem solchen sprach ich,« stammelte sie weinend.
»Die Tänzer pflegen den Weibern gemeiniglich zu gefallen,« entgegnete er, ihre Thränen nicht beachtend.
»Das lügt man!« fiel sie hastig ein, immer noch abgewendet.
»So!« kam es über seine Lippen, »aber sie sind meistens schöne Leute, die Tänzer – nicht wahr, das leugnest du nicht.«
Sie wendete sich langsam um, lächelte, obgleich sie ihren Quäler immer tiefer zu verabscheuen begann und schritt langsam, die Füße kaum bewegend, auf den Gatten zu.
»Schönheit?« flüsterte sie, mit herzlichem, einschmeichelndem Lächeln, »was ist Schönheit, verglichen mit Macht?« Hierbei strich sie ihm zärtlich über die kahle Stirne, gleichsam andeutend, wie sehr sie es vorzöge, von einem Mächtigen, möge er noch so häßlich sein, geliebt zu werden.
»Allerdings,« sagte er mit höhnischem Kräuseln der Lippen, »du hast Recht, denn es steht in der Macht dieser Macht, diese Schönheit machtlos zu machen, – zu vernichten!« setzte er leise hinzu. Ein angstvoll-zorniger Zug huschte, als sie diese Worte vernommen, über ihr Gesicht, aber, sich sogleich wieder beherrschend, lispelte sie einigemal das Wort »Schönheit« mit verächtlicher Betonung vor sich hin und beschloß, von Schrecken und Wuth gefoltert, sich auf eine eigenthümliche Art an ihrem Peiniger zu rächen. Sie beugte sich nämlich plötzlich, wie von überströmender Empfindung hingerissen, zu Domitianʼs Haupt herab und küßte ihn inbrünstig – — auf die Glatze. Nun war Domitian in Betreff seiner Glatze sehr empfindlich, die geringste Anspielung auf diese unbehaarte Körperstelle nahm er äußerst übel, versetzte ihn in unmäßigen Zorn. Er wußte daher anfangs nicht, was er zu diesem fast einer Verspottung ähnelnden Zärtlichkeitsausbruch seines Weibes sagen sollte. Er ließ sie jedoch nicht nur ruhig gewähren, sondern erröthete sogar. Domitia wurde indeß aus Entrüstung und Haß immer zuthunlicher, bis zur Kindlichkeit schalkhaft.
»Was du dir nur immer mit diesem Tänzer zu schaffen machst!« lachte sie hell auf, »gehʼ mir doch weg mit diesem Tänzer. Das sieht sich auf der Bühne ganz nett an, man bewundert auch einmal eine kühne Stellung, einen Luftsprung, ja, man ermuntert auch einmal solchʼ einen Gestenmacher und wirft ihm einen freundlichen Blick zu, aber solchʼ ein Wesen lieben, pfui, gehʼ mir doch! Lieber möchte ich mit einem Gladiator anbinden, der wenigstens sein Leben aufʼs Spiel setzt.«
Dann setzte sie sich neben den Verblüfften, spielte schäkernd mit seinen Händen und fuhr fort, zu betheuern, in ihren Augen habe körperliche Schönheit durchaus keinen Werth. Domitian, von ihrer kindisch – naiven Art, die doch wieder einen Anflug von Affektation hatte, berückt, ergab sich schließlich, lehnte sein Haupt an ihren Busen und ließ sich von ihr die Wange streicheln. Als er mehrmals in heiter-ernster Art seine nicht mehr in der Jugendblüthe stehende Körpergestalt zu tadeln anfing, schloß sie ihm mit Küssen den Mund, hinzufügend, sie müsse sich ja schämen, ob er sie denn für eine griechische Blumenverkäuferin hielte, für eine Tänzerin, die in den Circusgewölben die Fremden anlockt.
Domitian war wenigstens für einige Zeit wieder ganz der ihre, der Duft ihrer weiblichen Verstellungskunst hatte ihn von neuem berauscht, und sie benutzte die hingebende Stimmung des Gatten so lange sie anhielt. Während er von der Einsamkeit seines Thrones sprach und daß er sich manchmal verlassen vorkäme, wie der Ruderer, der an die Schiffsbank angeschmiedet, sein Leben vertrauert, unterbrach sie ihn zuweilen mit der Bitte um einen neuen Schmuck, eine neue Sänfte, eine neue Dienerin und er versprach ihr alle ihre Wünsche zu erfüllen. Dabei streifte ihr Blick, durch das Fenster spähend, manchmal die im Morgenroth brennenden Hügel, auf welchen die erwachende Riesenstadt ausgebreitet lag und dann, während der Kaiser an ihrer Brust die Augen geschlossen hielt, öffneten sich ihre Lippen, wie die Lippen einer Verschmachtenden und ihr auf den fernen glühenden Palästen ruhendes Auge umzog sich feucht. Alsdann, wenn sie genauer zugesehen, würde sie bemerkt haben, wie der anscheinend in festem Schlafe liegende Antonius sein eines Auge zuweilen von dem Lide befreite und es beobachtend, auf ihr ruhen ließ.
Plötzlich unterbrach der Kaiser die Stille, und während er den Kopf nach dem Fenster wandte, sagte er mit nachlässig-vornehmem Tone: »Du hast übrigens deine Rolle gut durchgeführt.«
»Rolle? welche Rolle?« frug Domitia, die zu ahnen begann, daß alle ihre Bemühungen, ihn zu täuschen, erfolglos gewesen.
»Glaubst du wirklich, ich sei so thöricht, als wofür du mich zu halten scheinst?« fuhr der Herrscher bitter lachend fort.
»Aber, mein theures Herz« – wollte sich die Kaiserin rechtfertigen; er aber fiel ihr in die Rede.
»Glaubst du das wirklich?«
»Liebes Herz —«
»Ich bitte, schweig!« sagte er verächtlich, »da siehst ja, daß ich dich lobe. Ich zürne dir ja nicht, dein Talent hat mich ergötzt. Schließlich ist es einerlei, ob du es ehrlich meinst oder nicht. Du bist schön, das genügt, und die Heuchelei nimmt dir deine Schönheit in meinen Augen nicht.«
Verwirrt, entrüstet, beschämt, wollte sie Einwendungen machen, er aber unterbrach sie heftig.
»Reize mich nicht!« fuhr er zornig auf, »glaubst du ich durchschaue die Welt so wenig? Pah! ich kenne euch alle: Nur gut, daß mein Unglück, betrogen zu werden, dadurch wieder aufgehoben wird, daß —« Er wollte sagen: »Daß ich euch allen die Köpfe vor die Füße legen kann,« schwieg jedoch, seufzte auf und lispelte dann: »Wie weich dein Busen ist, liebes Weib, und wie schön dein Arm geschwungen ist! Nein, es wäre unrecht, dir mißtrauen zu wollen, – nicht