du Miß Mowlem machtest.«
»Sagte ich nicht genug? Ich will sie zurückrufen, wenn du es wünschest – ich will noch eine reuige Rede halten – ich will alles tun, nur sie nicht küssen. Das kann ich wirklich nicht – ich kann jetzt niemand küssen als dich.«
»Meine geliebte Rosamunde, wie kindisch bist du doch in gewissen Dingen! Du sagtest zu Miß Mowlem mehr als genug – weit mehr. Und wenn du es nicht übel nimmst, so muß ich sagen, daß du dich bei deiner Großmut und Gutmütigkeit diesem Mädchen gegenüber ein wenig vergaßest. Ich meine nicht sowohl, daß du ihr das Band schenktest – obschon dies vielleicht mit etwas weniger Vertraulichkeit hätte geschehen können – wohl aber schließe ich aus dem, was du sagtest, daß du sogar so weit gingest, ihr die Hand zu drücken.«
»War das nicht recht? Ich glaubte, dies sei die freundlichste Art und Weise, die Sache zu schlichten.«
»Liebe Rosamunde, unter Personen gleichen Ranges ist dies eine ganz vortreffliche Weise, etwas beizulegen. Bedenke aber den Unterschied zwischen deiner Stellung in der Gesellschaft und Miß Mowlems.«
»Ich will es mir überlegen, wenn du es wünschest, Geliebter. Ich glaube aber, ich gerate nach meinem Vater, der sich – der gute alte Mann – niemals um Verschiedenheit des Ranges bekümmert. Ich kann nicht umhin, Leute gern zu haben, welche freundlich gegen mich sind, ohne daß ich daran denke, ob sie an Rang über oder unter mir stehen, und als ich mich wieder beruhigt hatte, fühlte ich, wie ich gestehen muß, mich darüber, daß ich diese unglückliche Miß Mowlem in Schrecken und Angst gejagt hatte, ebenso ärgerlich als wenn sie demselben Stande angehört hätte wie ich. Ich werde mich allerdings bemühen, so zu denken wie du, Lenny, aber ich fürchte sehr, daß ich, ohne recht zu wissen wie, das geworden bin, was die Zeitungen einen Radikalen nennen.«
»Meine liebe Rosamunde, sprich nicht auf diese Weise von dir selbst, auch im Scherz nicht. Du solltest von allen Menschen in der Welt der letzte sein, der diese Rangesunterschiede untereinander mengt, von welchen das ganze Wohl der Gesellschaft abhängt.«
»Ist das wirklich der Fall? Und dennoch, Geliebter, scheinen wir doch nicht mit so gewaltigen Unterschieden geschaffen zu sein. Wir haben alle dieselbe Anzahl von Händen und Füßen, wir sind alle hungrig und durstig – im Sommer wird es uns allen heiß und im Winter frieren wir alle. Wir lachen alle, wenn wir vergnügt sind, und weinen, wenn wir Kummer fühlen – mit einem Worte, wir haben alle dieselben Gefühle, mögen wir nun hoch oder tief in der Gesellschaft stehen. Ich hätte dich nicht inniger lieben können, Lenny, als ich jetzt tue, wenn ich eine Herzogin, und nach nicht weniger als ich jetzt tue, wenn ich eine Magd gewesen wäre.«
»Liebe Rosamunde, eine Magd bist du nicht und in Bezug auf das, was du von einer Herzogin sprichst, muß ich dich daran erinnern, daß du nicht so tief unter einer Herzogin stehst als du zu glauben scheinst. Manche Dame von hohem Titel kann nicht auf eine solche Reihe von Ahnen zurückschauen wie die Deinigen. Die Familie deines Vaters, Rosamunde, ist eine der ältesten in England – selbst die Familie meines Vaters reicht kaum so weit zurück und wir waren begüterte Landedelleute, als mancher Name, der jetzt die Pairswürde besitzt, noch gar nicht genannt ward. Es ist wirklich lächerlich ungereimt, dich von dir selbst als einer Radikalen sprechen zu hören.«
»Ich will nicht wieder so von mir sprechen, Lenny – nur mach’ kein so ernsthaftes Gesicht. Ich will ein Tory sein, Geliebter, wenn du mir einen Kuß geben und mich noch eine Weile auf deinem Knie sitzen lassen willst.«
Mr. Franklands Ernsthaftigkeit vermochte nicht gegen den Wechsel der politischen Grundsätze seiner Gattin und die Bedingungen Stand zu halten, welche sie daran knüpfte. Sein Gesicht heiterte sich auf und er lachte fast ebenso fröhlich wie Rosamunde selbst.
»Apropos,« sagte er, nachdem eine kleine Pause ihm Zeit gegeben, seine Gedanken zu sammeln, »hörte ich dich nicht zu Miß Mowlem sagen, sie solle einen Brief auf den Tisch legen? Ist der Brief an dich oder an mich?«
»Ach, das hab’ ich ganz vergessen,« sagte Rosamunde, an den Tisch eilend. »Der Brief ist an dich, Lenny – und ach mein Himmel! Er trägt das Postzeichen Porthgenna.«
»Dann muß er von dem Baumeister sein, den ich wegen der Reparaturen dorthin geschickt habe. Leihe mir deine Augen, Rosamunde, und laß uns hören, was er sagt.«
Rosamunde öffnete den Brief, zog einen Schemel zu den Füßen ihres Gatten, setzte sich nieder, legte ihre Arme auf seine Knie und las wie folgt:
»Sir! – In Gemäßheit der Instruktion, welche Sie die Güte hatten, mir zu erteilen, habe ich Porthgenna Tower in genauen Augenschein genommen, um zu ermitteln, welche Reparaturen das Haus im Allgemeinen und die nördliche Seite desselben besonders bedarf. Was die Außenseite betrifft, so braucht das Gebäude weiter nichts als ein wenig Abputzen und Anstreichen. Die Mauern und das Fundament sind wie für eine ewige Dauer bestimmt, und noch niemals habe ich so feste, massive Mauerarbeit gesehen.
»Was das Innere des Hauses betrifft, so kann ich jedoch hierüber keinen so günstigen Bericht erstatten. Die Zimmer im westlichen Teile, welche während der Zeit von Kapitän Trevertons Anwesenheit bewohnt und später von den mit der Aufsicht über das Haus beauftragten Personen gut in Ordnung gehalten worden, befinden sich in ganz leidlichem Zustande. Zweihundert Pfund würden, glaube ich, hinreichen, um die Kosten für alle in mein Fach schlagenden Reparaturen, deren diese Zimmer bedürfen, zu decken. Diese Summe würde jedoch nicht die Wiederherstellung der westlichen Treppe einschließen, die an mehreren Stellen zusammengebrochen und deren Geländer vom ersten bis zum zweiten Absatze sehr unsicher ist. Fünfundzwanzig bis dreißig Pfund würden jedoch genügen, um auch hier alles wieder in gehörige Ordnung zu bringen.
»In den Zimmern der Nordseite ist der Zustand von Verfall in jeder Beziehung so arg, als er nur sein kann. So viel ich habe ermitteln können, ist zu Kapitän Trevertons Zeit niemals jemand diesen Zimmern zu nahe gekommen und auch später sind sie von keinem Menschen betreten worden. Die Leute, welche jetzt das Haus bewohnen, haben eine abergläubische Furcht, irgend eine der nördlichen Türen zu öffnen, weil gar zu lange Zeit verstrichen ist, seitdem kein lebendes Wesen sie passiert hat. Niemand erbot sich, mich bei meiner Musterung zu begleiten und niemand konnte mir sagen, welche Schlüssel zu den Zimmertüren in irgend einem Teile des nördlichen Flügels gehörten. Ich fand auch keinen Plan, der die Namen oder Nummern dieser Zimmer enthalten hätte, und ebenso wenig waren zu meiner Überraschung Nummern oder Aufschriften an den einzelnen Schlüsseln befestigt. Man gab sie mir alle an einem großen Ringe hängend, mit einem Elfenbeintäfelchen daran, auf welchem bloß die Worte: ‚Schlüssel zu den nördlichen Zimmern’ zu lesen waren.
»Ich nehme mir die Freiheit, diese Einzelheiten zu erwähnen, um zu erklären, weshalb ich, wie Sie vielleicht glauben, meinen Aufenthalt in Porthgenna Tower länger ausgedehnt habe als es nötig war. Ich brachte beinahe einen ganzen Tag damit zu, die Schlüssel von dem Ringe abzunehmen und sie aufs Geratewohl in die Schlösser der Türen einzupassen. Ebenso war ich einige Stunden des nächstfolgenden Tages damit beschäftigt, jede Tür auswendig mit einer Nummer zu versehen und eine eben solche an jedem Schlüssel zu befestigen, ehe ich ihn wieder in den Ring brachte, um der Möglichkeit fernerer Irrtümer und Weitläufigkeiten vorzubeugen.
»Da ich hoffe, Ihnen in einigen Tagen einen speziellen Anschlag über die in dem nördlichen Teile des Schlosses vom Erdgeschoß an bis unter das Dach notwendigen Reparaturen vorzulegen, so brauche ich hier bloß noch zu sagen, daß diese Reparaturen einige Zeit in Anspruch nehmen und von sehr ausgedehnter Art sein werden. Die Balken des ersten Stockwerks sind von der Trockensäule angegriffen. Die Feuchtigkeit in einigen Zimmern und die Ratten in andern haben das Wandgetäfel fast ganz zerstört. Vier der Kaminsimse haben sich von der Wand gelöst und die Zimmerdecken sind entweder mit Moderflecken bedeckt, oder geborsten, oder in ausgedehntem Maße abgebröckelt. Der Fußboden ist im Allgemeinen in besserem Zustande als ich erwartet hatte, die Fensterläden und Rahmen aber haben sich so krumm gezogen, daß sie nicht mehr zu gebrauchen sind.
»Ich halte es für meine Pflicht zu erklären, daß die Kosten für Instandsetzung aller dieser Dinge – das heißt um diese Zimmer sicher und bewohnbar zu machen und sie in geeignetem Zustand für den Tapezierer zu setzen – sehr beträchtlich sein werden. Ich möchte mir daher