Уилки Коллинз

Gesetz und Frau


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und zitterte am ganzen Körper.

      »Was willst Du damit sagen?« flüsterte ich als-ich der Sprache wieder mächtig war. »Ich bin Dein, nur Dein! Was habe ich gethan, um diese entsetzlichen Worte zu verdienen?«

      »Wir müssen uns trennen,« antwortete er traurig. »Die Schuld ist nicht Dein; aber mein ist das Unglück Wie kannst Du einen Mann heirathen wollen, der Deinen nächsten Angehörigen verdächtig ist? Ich habe ein trauriges Leben geführt. Nie sah ich ein Weib, das mir so sympathisch war, als Du es bist, und das mir so süßen Trost gewährte. ist hart Dich zu verlieren, es ist hart, in das freudlose Leben zurückzukehren. Deinetwegen muß ich das Opfer aber bringen. Ich kann des Majors Brief ebenso wenig erklären, als Ihr es könnt. Wird Dein Onkel mir glauben? Noch einen letzten Kuß, Valeria! Vergieb mir, daß ich Dich leidenschaftlich und mit tiefer Ergebenheit liebte. Vergieb mir das, und laß mich gehen!«

      Ich klammerte mich in halber Verzweiflung an ihn.

      »Gehe, wohin Du willst,« sagte ich, »ich gehe mit Dir! Was sind mir Ehre, Ruf, Freunde? Dein Besitz wiegt das Alles auf! Mache mich nicht wahnsinnig, Eustace! Ich kann nicht ohne Dich leben! Ich will und muß Dein Weib werden!« Jene wilden Worte waren das einzige was ich hervorbringen konnte; dann löste sich mein Elend in einen Strom von Thränen auf.

      Er gab nach. Er tröstete mich mit seiner bezaubernden Stimme; er brachte mich mit sanfter Liebkosung zu mir selbst zurück. Er rief den sternenklaren Himmel zum Zeugen, daß er mir sein ganzes Leben weihen wolle. Und wie beredt und feierlich seine Worte klangen! Er schwur, daß nur ein Gedanke ihn belebe, Tag und Nacht, nämlich der, mich glücklich zu machen und sich meiner würdig zu bezeigen. Und hat er nicht jenes Gelöbniß gehalten? Folgte nicht dem Schwur in jener erinnerungsreichen Nacht der Schwur vor dem Altar, der Schwur vor Gott? Und welch’ ein Leben sah ich vor mir! Die ganze irdische Glückseligkeit erwärmte meine Seele.

      Noch einmal hob ich das Haupt von seiner Schulter, um ihn anzublicken, mein Leben, meine Liebe, meinen Gatten, mein Alles! Kaum erwacht aus den Erinnerungen der Vergangenheit zu den Wirklichkeiten der Gegenwart, lehnte ich meine Wange an die seine und flüsterte ihm zu: »O, wie ich Dich liebe! Wie ich Dich liebe!«

      Im nächsten Augenblick schreckte ich von ihm zurück. Mein Herz stand still, ich führte die Hand an mein Antlitz. Was fühlte ich auf meiner Wange? Eine Thräne!

      Sein Antlitz war mir noch abgekehrt, ich faßte es sanft mit beiden Händen und wandte es zu mir.

      Ich blickte es an und sah die Augen meines Gatten, an unserem Hochzeitstage, voller Thränen.

       Drittes Capitel.

      Der Strand von Ramsgate

      Es gelang Eustace, mich zu beruhigen, aber ich kann gerade nicht sagen, daß es recht nachhaltig geschah.

      Er erzählte mir, daß er über die Gegensätze seines vergangenen und gegenwärtigen Lebens nachgedacht. Bittere Erinnerungen aus verflossenen Jahren waren in seiner Seele aufgestiegen und hatten sie mit melancholischen Zweifeln erfüllt, ob er wohl im Staude sein würde, unser Zusammenleben glücklich zu gestalten. Er hatte sich gefragt, ob er mir nicht zu spät begegnet sei, ob er nicht schon ein Mann wäre, dessen Kraft die Enttäuschungen der Vergangenheit gebrochen? Diese und ähnliche Gedanken und Zweifel hatten seine Seele bedrückt und ihm die Augen mit Thränen gefüllt, mit Thränen, die er mich zu vergessen bat, und die er versprach, nie wieder vergießen zu wollen.

      Ich vergab ihm, tröstete ihn und belebte ihn durch meine Unterhaltung; aber es kamen Momente über mich, welche die bittere Frage in meinem Innern laut werden ließen, ob ich wirklich in so hohem Grade das Vertrauen meines Gatten besäße wie er das meine.

      Wir verließen den Zug in Ramsgate. Der beliebte Badeort war leer; die Saison eben vorüber. Unsere Pläne für die Hochzeitsreise schlossen auch eine Fahrt durch das mittelländische Meer in sich, zu welcher ein Freund von Eustace ihm eine Yacht leihen wollte. Wir liebten beide die See und fühlten den gemeinschaftlichen Wunsch, in Anbetracht der Verhältnisse, unter denen wir uns geheirathet hatten, der Neugier von Freunden und Bekannten zu entfliehen. Nachdem wir unsere Hochzeit ganz still in London gefeiert, hatten wir den Bootsmann der Yacht nach Ramsgate beordert, um uns dort abzuholen. In diesem Hafen konnten wir uns nach Beendigung der Saison weit unbemerkter einschiffen, als auf der großen Yachtstation der Insel Wight.

      Drei Tage vergingen, Tage entzückender Einsamkeit, unaussprechlichen Glückes, die nimmer meinem Gedächtniß entschwinden und die ich immer wieder durchleben werde, bis mir der Tod mein Auge brechen wird.

      Früh am Morgen des vierten Tages, kurz vor Sonnenaufgang ereignete sich etwas, das anscheinend geringfügig, dennoch von großer Wichtigkeit für mich wurde.

      Ich erwachte plötzlich und auf unbegreifliche Weise aus einem tiefen, traumlosen Schlaf mit einem Gefühl nervöser Unbehaglichkeit, das ich nie zuvor empfunden hatte. In meinen Kinder- und Mädchenjahren war ich als tiefe Schläferin berühmt gewesen und hatte manchen Scherz deshalb hinnehmen müssen. Von dem Augenblicke an, wo sich mein Haupt aufs Kissen legte, bis zu dem Moment, an dem das Mädchen mich weckte, hatte ich garnicht gewußt, was Erwachen sei. —

      Und nun wurde mein Schlaf gestört, ohne daß irgend ein Grund dafür anzugeben war. Ich versuchte wieder einzuschlafen Es war vergebens. Ich wurde von einer solchen Unruhe erfaßt, daß es mir nicht einmal möglich war, im Bett zu bleiben. Mein Gatte schlief tief und ruhig an meiner Seite. In der Befürchtung ihn zu stören, stand ich leise auf und schlüpfte in das Morgenkleid und die Pantoffeln. Ich trat ans Fenster. Die Sonne stieg gerade empor über der ruhigen graublauen See. Für wenige Minuten übte das majestätische Schauspiel einen beruhigenden Einfluß auf meine heftig erregten Nerven. Doch es währte nicht lange so ergriff mich die Ruhelosigkeit von Neuem. Ich ging langsam im Zimmer auf und nieder, bis die Monotonie der Bewegung mir widerstrebte. Ich nahm ein Buch und legte es wieder aus der Hand. Meine Gedanken wanderten; der Autor hatte nicht die Macht, sie zu fesseln. Ich stand wieder auf und blickte ans Eustace und bewunderte ihn und liebte ihn in seinem ruhigen Schlaf. Ich ging zum Fenster zurück, und des schönen Morgens überdrüssig, setzte ich mich vor den Spiegel und betrachtete mein Antlitz. Wie mich die wenigen Stunden des fehlenden Schlafes angegriffen hatten! Die Enge des Zimmers begann erdrückend auf mich zu wirken. Ich öffnete die Thür zu meines Mannes Ankleidezimmer und trat ein, um mir eine Veränderung zu machen.

      Der erste Gegenstand, der mir in die Augen fiel, war sein Toilettenkasten, der offen auf dem Tische stand.

      Ich beschäftigte mich damit, die Fläschchen, Töpfe, Bürsten, Kämme, Messer und Scheren auf der einen Seite, die Schreibmaterialien auf der andern, herauszunehmen. Ich roch an den Parfums und Pomaden und stäubte die Flaschen mit meinem Taschentuch ab. Nach und nach hatte ich das ganze Kästchen geleert. Es war mit blauem Sammet gefüttert. In einer Ecke bemerkte ich sein seidenes Bändchen. Indem ich es zwischen Daumen und Zeigefinger nahm und es aufwärts zog, entdeckte ich einen doppelten Boden, der ein geheimes Fach für Briefe und Papiere verschloß. In meiner nervösen Ungeduld gewährte es mir eine Zerstreuung, die Papiere herauszunehmen, gerade wie ich es mit den andern Sachen gemacht hatte.

      Ich fand einige quittirte Rechnungen, welche mir kein Interesse abgewannen, Briefe, die ich ungelesen bei Seite legte, und unter dem Allen eine Photographie, das Bild nach unten, und etwas Geschriebenes auf der Rückseite.

      Ich las es; es waren folgende Worte:

      »Meinem lieben Sohne Eustace.«

      Seine Mutter! Die Frau, welche so hartnäckig und mitleidslos unserer Verbindung sich widersetzt hatte!

      Schnell drehte ich die Photographie um, in Erwartung, ein kaltes herzloses Antlitz zu schauen. Zu meinem Erstaunen erblickte ich Reste großer Schönheit, der Gesichtsausdruck, obgleich fest, war dennoch gewinnend, zärtlich und gütig.

      Das graue Haar war in seltsamen kleinen Locken zu beiden Seiten der Stirn arrangirt, welche sich unter einer einfachen Haube hervorstahlen. In dem einen Mundwinkel bemerkte ich ein Zeichen, anscheinend ein Maal, welches die characteristische Eigenthümlichkeit des Antlitzes noch erhöhte. Ich prägte mir das Bild fest ins Gedächtniß. Diese Frau, welche meine Verwandten und mich beinahe beleidigt hatte, besaß ohne allen Zweifel so viel Anziehendes, daß unwillkürlich