„face to face“-Gespräch mit Gott wird vorerst schwierig. Aber die Vorstellung ist dennoch interessant. Was würdest du Gott fragen? Alles ist erlaubt …
# 6 SELBSTGESPRÄCHE?
Es ist schon eine komische Sache, das Gebet an sich. Und einige grundsätzliche Fragen zu diesem Thema stellen sich mir dann doch manchmal: Führe ich beim Beten Selbstgespräche oder hört Gott zu? Und wenn ja, was macht Gott mit meinen Gebeten? Wie geht er damit um? Und wie geht Beten überhaupt?
Das bekannteste christliche Gebet ist das Vaterunser, der Prototyp des Gebets sozusagen. Jesus bringt es seinen Freunden bei und vorher gibt er ihnen noch ein paar Hilfestellungen mit auf den Weg: Betet nicht so, dass euch alle sehen und denken, dass ihr so toll und fromm seid. Quatscht nicht rum, sondern kommt zum Punkt, und vor allem: Gott weiß schon, was ihr braucht, bevor ihr ihn darum bittet.
Das ist eine relativ interessante Info. Wenn Gott schon alles weiß, warum beten wir dann überhaupt? Das bedeutet ja, dass nicht Gott in erster Linie auf Gebete angewiesen ist, sondern dass das Gebet eher eine Form ist, die mir guttut und damit auch Gott zum Lächeln bringt. Ein Erlebnis mit meiner kleinen Tochter hat mich auf die Spur gebracht:
Es ist ihre erste Zugfahrt. Nach einem Tagesausflug kommen meine Frau und sie abends wieder am Wuppertaler Hauptbahnhof an. Ich stehe am Bahnsteig. Dann kommt der Zug, meine Familie steigt aus und meine Tochter rennt mir entgegen und schreit begeistert: „Papa, wir sind gerade Zug gefahren! Das war ein Doppeldecker und wir haben oben gesessen.“
Diese Informationen sind nicht neu für mich. Auch nicht besonders aufregend. Und trotzdem freue ich mich unheimlich darüber, dass meine Tochter ihre Begeisterung mit mir teilen wollte. Weil ich sie lieb habe und mir viel daran liegt, dass es ihr gut geht.
Vielleicht freut sich Gott ganz ähnlich, wenn wir ihm sagen, dass es uns gut oder schlecht geht. Vielleicht! Denn niemand kann beweisen, ob und wie Gott Gebete erhört.
Das bedeutet, dass ein Gebet nicht an menschlichen Maßstäben gemessen werden kann. Nach dem Motto: Du hast dafür gebetet, dass deine Mutter wieder gesund wird und deine Bitte ist nicht in Erfüllung gegangen? Da hast du den Beweis: Beten bringt nichts! Oder genauso schlimm: Du hast nicht genug gebetet.
Beten ist und bleibt eine komische Sache. Aber solange ich fühle, dass mir und anderen das Beten zu Gott guttut und etwas verändert, bleibe ich den Beweis etwas gelassener schuldig.
# 7 GESCHENKTER KAFFEE
Er kommt jede Woche um die Mittagszeit in dieses Café und geht zielstrebig an die Theke. Mit schmutziger Jacke und durchlöcherter Hose passt der Mann nicht in das Bild, das ansonsten von Businessmännern und -frauen beim Lunch bestimmt wird. Aber er wird nicht komisch angeschaut.
„Steht noch einer auf der Liste?“, fragt er mit verrauchter Stimme. Die Bedienung sagt freundlich: „Moment, ich schaue gerade einmal nach“, und verschwindet kurz. Wenig später kommt sie wieder und sagt: „Ja. Kaffee, Latte Macchiato oder ein doppelter Espresso.“ Der Mann entscheidet sich für den Kaffee und setzt sich an den Tisch. Mit beiden Händen wärmt er sich an der Tasse und genießt jeden Schluck seines „Caffè sospeso“.
„Caffè sospeso“ ist nichts anderes als gelebte Nächstenliebe. Die Idee stammt aus Italien, wo Kaffee quasi ein Grundnahrungsmittel ist. Es geht ganz einfach: Der Kunde bezahlt im Café nicht nur seinen eigenen Espresso, sondern zwei, drei weitere. Die kommen auf eine Liste und werden dann an Bedürftige weitergegeben. Einfach, aber wirkungsvoll. Durch das Internet verbreitete sich die Idee in den USA und seit einiger Zeit gibt’s auch in Deutschland die Aktion „Suspended Coffee“, das heißt „aufgeschobener Kaffee“.
Ich finde die Idee großartig. Simpel, unspektakulär, effektiv. Einfach so entstanden. Die Tatsache, dass so etwas Banales wie ein kostenloses Heißgetränk die Restaurants der Republik revolutioniert, ist wirklich göttlich. Im wahrsten Sinn des Wortes. Denn das Prinzip der Nächstenliebe ist Gottes Erfindung. Wir sollen uns umeinander kümmern. Auf ganz natürliche Weise. Das ist nicht speziell die Aufgabe der Christen und die Ideen der Kirche werden nicht besonders gesegnet. Ich glaube, dass Gott jeden Menschen segnet, der sich um bedürftige Menschen kümmert.
Mit einem gespendeten Kaffee kann man wahrscheinlich nicht die Welt retten, aber ein gespendeter, heißer Kaffee kann in jedem Fall dafür sorgen, dass die Welt anders aussieht. Nämlich wärmer. Zumindest für eine Person und für einen Moment.
Im Internet findet sich die Idee vom aufgeschobenen Kaffee unter
# 8 ASCHERMITTWOCH
Aschermittwoch ist … wenn sie den Telefonhörer in die Hand nimmt, einmal tief durchatmet, eine Nummer wählt und nach einigen Sekunden zu der Person am anderen Ende der Leitung sagt: „Du?! Es tut mir leid!“
Aschermittwoch ist … wenn er bis in die dritte Etage des Mehrfamilienhauses hochsteigt, die Klingel drückt, einmal tief durchatmet und zu der Person, die die Tür öffnet, sagt: „Du hattest recht! Ich bin ein Idiot!“
Aschermittwoch ist … wenn beiden klar wird, dass es so nicht weitergehen kann, dass etwas passieren muss. Und sie beschließen: Wir werden etwas ändern!
Aschermittwoch tut manchmal weh, ist unheimlich peinlich, trotzdem eine Befreiung und sehr heilsam.
Aschermittwoch bedeutet: in den Spiegel schauen, alle Masken ablegen und ehrlich zu sich selbst sein.
Aschermittwoch bedeutet: nicht sofort weggucken, sondern diese Ehrlichkeit für einen Moment aushalten.
Und genau in diesem Moment möchte ich nicht alleine sein. In diesem Moment brauche ich jemanden, dem ich vertrauen kann. Jemanden, der diesen intimen, persönlichen und verletzlichen Moment nicht ausnutzt, verharmlost oder überspielt. Jemanden, der unter Masken schauen kann.
Und dabei nicht erschrickt, sondern weiterliebt. So jemand ist Gott.
„Du und ich: Wir sind eins. Ich kann dir nicht wehtun, ohne mich zu verletzen.“
Mahatma Gandhi
# 9 NOTES OF BERLIN
Sie hängen überall rum und sind trotz des digitalen Zeitalters immer noch da. An Ampeln zum Beispiel oder im Hausflur oder am Briefkasten. Zettel mit Nachrichten: „Ich suche eine Wohnung“ oder „Katze entlaufen“ oder „Bitte die Musik etwas leiser stellen, Herr Nachbar!“
Eine Website veröffentlicht Fotos mit solchen Notizen aus Berlin im Internet. „Notes of Berlin“ heißt die Seite. Sehr witzige Zettel … Zum Beispiel klebt vor einer ramponierten Wohnungstür ein Zettel mit dem Hinweis: „Hallo Polizei, bitte nicht mehr die