Оскар Уайльд

Weihnachtsgeschichten, Märchen & Sagen (Über 100 Titel in einem Buch - Illustrierte Ausgabe)


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Sorgen zu sein, keine Ermüdung zu kennen in der Arbeit für ihn, bei ihm zu wachen, ihn zu pflegen, an seinem Bett zu sitzen und mit ihm zu reden, wenn er wach ist, und für ihn zu beten, wenn er schläft welch großes Vorrecht würde das für seine Frau sein! Wie oft kann sie ihm alle ihre Treue und Ergebenheit beweisen! Und glaubst du, lieber Vater, daß sie dies alles tun wird?«

      »Ohne Zweifel«, sagte Kaleb.

      »Dann liebe ich sie, Vater; ich liebe sie von ganzem Herzen!« rief das blinde Mädchen.

      Und mit diesen Worten legte sie ihr armes blindes Antlitz auf Kalebs Schulter und weinte so bitterlich, daß es ihn fast gereute, sie in ein so tränenvolles Glück versetzt zu haben.

      Um dieselbe Zeit hatte es bei John Peerybingle viel Trubel gegeben. Denn die kleine Mrs. Peerybingle konnte natürlich nicht daran denken, irgendwohin zugehen ohne das Baby, und das Wickelkind flottmachen erforderte Zeit. Nicht, daß das Baby viel zu schaffen gemacht hätte hinsichtlich des Gewichtes und des Umfanges, aber es gab unendlich viel daran zu tun, und das alles mußte vorsichtig und langsam gemacht werden. Zum Beispiel wenn das kleine Kind endlich mit Ach und Weh so weit mit seiner Toilette fertig war, und man vernünftigerweise hätte voraussetzen können, im Handumdrehen werde es fix und fertig auf und in ein solches Prachtexemplar von einem Wickelkind verwandelt sein, daß es kühn die ganze Welt hätte herausfordern können, ob je eins schöner war, so wurde es ganz plötzlich in ein Flanellmützchen versteckt und zu Bett gebracht, wo es zwischen zwei Decken nahezu eine Stunde lang schmorte, wenn ich mich so ausdrücken darf. Aus diesem Zustande der Untätigkeit wurde es dann, rot wie ein Krebs und indem es laut schrie, wieder herausgerissen, um teilzunehmen an – na, ich möchte sagen, wenn ihr mir erlauben wollt, mich so allgemein auszudrücken – an einer kleinen Mahlzeit. Alsdann ging es wieder schlafen. Mrs. Peerybingle nahm dies Intermezzo wahr, um sich in ihrer Weise so schmuck herauszuputzen, wie ihr es euch nur vorstellen könnt; und während desselben kurzen Waffenstillstandes arbeitete Fräulein Tolpatsch in einem Gewand von so überraschender und sinnreicher Form, daß es weder zu ihr, noch überhaupt zu irgendeinem Menschenkinde in irgendeiner Beziehung stand; es war ein so zusammengeschrumpftes, hundsohrenartig herabhängendes Etwas, das seinen einsamen Gang ohne die mindeste Rücksicht auf seine Trägerin ging. Jetzt wurde das Baby, das bereits wieder wach geworden war, durch die vereinten Bemühungen von Mrs. Peerybingle und Tilly mit einem butterfarbigen Mäntelchen und einer pastetenförmigen Nankingmütze fertig angeputzt; und so kamen sie alle drei im Laufe der Zeit an die Tür, wo das alte Pferd sich bereits mehr als vollständig bezahlt gemacht hatte für sein heutiges Wegegeld an dem Schlagbaum, indem es die Straße mit seinen ungeduldigen Hufen aushöhlte, während Boxer in weiter Ferne kaum zu bemerken war, wie er dastand und nach seinem Gefährten zurücksah, als wolle er ihn verführen, nachzukommen, ohne erst weitere Befehle abzuwarten.

      Wenn ihr glaubt, daß es eines Stuhls oder eines andern Gegenstandes dieser Art bedurft hätte, um Mrs. Peerybingle in den Wagen zu helfen, so kennt ihr John wirklich sehr schlecht. Ehe ihr ihn hättet sehen können, sie vom Boden aufheben, saß sie schon da auf ihrem Platz, frisch und rot, und sagte:

      »Aber John! Wie kannst du nur! Denk doch an Tilly!«

      Wenn ich mir irgendwie erlauben dürfte, von den Beinen einer jungen Dame zu reden, so würde ich bezüglich derjenigen des Fräulein Tolpatsch bemerken, daß sie infolge eines eigentümlich fatalen Umstandes beständig in Gefahr schwebten, gestreift zu werden, und daß sie nie den kleinsten Auf-oder Abstieg ausführen konnte, ohne das Ereignis an den Beinen mit einem Kerbstrich zu notieren, gerade wie Robinson Crusoe die Tage in seinen Holzkalender einkerbte. Aber da dies unpassend erscheinen möchte, so will ich es nur in Gedanken tun.

      »John«, sagte Dot, »hast du den Korb mit der Kalbs-und Schinkenpastete und den übrigen Sachen und den Bierflaschen auch nicht vergessen? Dann mußt du augenblicklich wieder umkehren und sie holen.«

      »Du bist mir eine nette Person«, versetzte der Fuhrmann, »mir von einer Umkehr zu reden, nachdem du schuld bist, daß wir eine gute Viertelstunde zu spät kommen.«

      »Das tut mir leid, John«, sagte Dot sehr verwirrt, »aber ich möchte wirklich nicht daran denken zu Bertha zu gehen … ich würde es unter keinen Umständen tun, John … ohne die Kalbs-und Schinkenpastete und die andern Sachen und die Bierflaschen … Hü!«.

      Dies einsilbige Wörtchen galt dem Pferde, das ihm aber nicht die geringste Beachtung schenkte.

      »So sag’ du doch ›Hü‹, John!« sagte Mrs. Peerybingle. »Ich bitte dich drum, John!«

      »Da werden wir noch Zeit genug zu haben«, versetzte John, »wenn ich einmal was vergessen habe. Hier ist der Korb sicher genug.«

      »Was für ein hartherziges Ungeheuer bist du doch, John, daß du mir das nicht gleich gesagt und mir einen solchen Schrecken nicht erspart hast! Ich erkläre, daß ich um alles in der Welt ohne die Kalbs-und Schinkenpastete und die andern Sachen und die Bierflaschen nicht zu Bertha gegangen wäre. Regelmäßig alle vierzehn Tage seit unserer Heirat, John, haben wir dort unser kleines Picknick gehalten. Wenn einmal bei diesem kleinen Fest etwas verkehrt wäre, so würde ich fast glauben, wir könnten nie wieder ganz glücklich sein.«

      »Es war gleich ein schöner Gedanke«, sagte der Fuhrmann; »ich habe daher allen Respekt vor dir, Frauchen.«

      »Mein lieber John«, versetzte Dot, über und über errötend, »rede doch nicht von Respekt vor mir! Du lieber Gott!«

      »Beiläufig …« bemerkte der Fuhrmann. »Jener alte Herr …«

      Neue Verlegenheit Dots, und zwar eine sehr auffällige.

      »Er ist ein komischer Kauz«, sagte der Fuhrmann, grade vor sich hin die Straße entlang blickend. »Ich kann nicht klug aus ihm werden. Ich will jedoch hoffen, daß man nichts von ihm zu fürchten hat.«

      »O durchaus nicht. Ich … ich bin überzeugt … durchaus nicht.«

      »Nein«, sagte der Fuhrmann, dessen Augen sich infolge ihres großen Ernstes auf ihr Antlitz geheftet hatten. »Es freut mich, daß du in der Sache so sicher bist, denn das ist eine Bestätigung für mich. Aber es ist doch seltsam, daß es ihm in den Kopf kam, uns um ein Nachtlager zu bitten, nicht wahr? Es geschehen oft wunderliche Dinge in der Welt!«

      »Ja, sehr wunderliche«, bestätigte sie mit leiser, kaum vernehmlicher Stimme.

      »Bei alledem ist er ein gutmütiger alter Herr«, fuhr John fort, »und er zahlt auch anständig wie ein Herr, und so glaube ich auch, daß man sich auf sein Wort verlassen kann wie auf das eines Ehrenmannes. Ich hatte heute morgen eine ganz lange Unterredung mit ihm: er kann mich bereits besser verstehen, sagt er, da er sich mehr an meine Stimme gewöhnt hat. Er hat mir sehr viel von sich erzählt, und ich habe ihm viel von mir gesprochen, und er fragte mich nach einer Unmenge von Dingen. Ich teilte ihm mit, daß ich in meinem Geschäft zwei Touren zu machen hätte; an dem einen Tage rechts von unserm Hause aus und wieder zurück, an dem andern links von unserm Hause aus und wieder zurück – denn er ist ein Fremder hierzulande und kennt nicht die Namen der Plätze hier herum; – und das schien ihm viel Vergnügen zu machen. ›Na‹ sagte er, ›dann kehre ich ja heut’ abend denselben Weg nach Hause zurück, während ich doch glaubte, Ihr würdet in ganz entgegengesetzter Richtung zurückkommen. Das ist ja ganz schön! Ich werde Euch da vielleicht noch einmal um einen Platz in Eurem Wagen bitten, aber ich verspreche Euch, nicht wieder so einzuschlafen.‹ In der Tat, er schlief sehr fest! … Dot, woran denkst du?«

      »Woran ich denke, John? Ich … hörte dir zu.«

      »Ah so! Gut, gut«, sagte der ehrliche Fuhrmann. »Nach deinen zerstreuten Blicken zu urteilen, fürchtete ich schon, ich hätte so lange geschwatzt, daß du schließlich an ganz andere Dinge gedacht hättest. Ganz gewiß, ich war sehr nahe daran.«

      Da Dot nicht antwortete, trotteten sie eine Zeitlang schweigend dahin. Aber es war nicht leicht, in John Peerybingles Wagen lange still zu sein; denn alle, denen man begegnete, hatten ihm etwas zu sagen, und war es auch weiter nichts als ein »Wie geht’s?« Und wirklich, sehr oft war es weiter nichts. Indes, um ihnen in dem richtigen Geiste der Herzlichkeit ihren Gruß zurückzugeben, war nicht nur