Gold ausgeht, das all die Wände einheitlich umleuchtet. Aber es ist nicht der laute, dröhnende, gellende Farbton von vergoldetem Metall, sondern ein ganz dünner, ein – möchte man sagen – leiser Glanz, der wie eine Lasur die Pfeiler und das Getäfel umspielt. Jede Linie, jede Fläche fließt dadurch zart und weich ineinander über und ergibt, gemengt mit dem Tageslicht, das von den Dachfenstern einströmt, diesen schwebenden Glanz, der wie ein feiner Rauch das weite und geräumige Kirchenschiff durchzieht.
Allmählich gewöhnt sich das Auge und vermag Einzelheiten zu erfassen. Und nun erkennt man, was in unseren Kirchen aus Stein und Metall und Marmor geformt ist, die geschnitzten Balustraden, die Täfelung, die Verzierungen, ist hier aus dem heimischen Holz, nur daß dies Holz mit einer ganz dünnen Schicht von Gold – man weiß nicht zu sagen: übermalt oder überzogen ist, einer so dünnen und so kunstvoll aufgetragenen Schicht, daß sie zart und unauffällig jede Schwingung und Biegung wiedergibt und das Krause des Barocks auf wunderbare Weise entlastet. Ohne an Originalität oder an Pracht den großen Kathedralen Europas vergleichbar zu sein, ist mit São Bento seinen Künstlern doch etwas Einmaliges gelungen: eine glückliche und neuartige Bewältigung der Materie, eine vollkommene Harmonie in dieser goldenen Dämmerung, die man nicht mehr vergißt. Und dieses wohltuend Maßvolle waltet dann auch im Kloster vor, in seinen weiten, steingepflasterten Gängen, den schweren schwarzen Holztüren, der schön proportionierten Bibliothek, dem abgeschiedenen Klosterhof, und man geht durch diese kühlen, von dicken Wänden gegen Lärm und Laut geschützten Gänge wie durch eine andere Zeit. Man hat vergessen, daß man in einer südlichen Welt ist jenseits des Äquators und unter anderen Sternen. Man könnte glauben in einem schweizer oder deutschen Benediktinerkloster, diesen uralten Refugien der Bücherfreunde, vor sich hin zu träumen. Da plötzlich an einem Fenster erinnert einen der Blick auf herrlichste Weise, wo man sich befindet: mit seinen Wolkenkratzern und Palais, mit seinen überfüllten Straßen dehnt sich in weitem Umkreis das Häusergewirr einer modernen Metropole unter der grünen Wacht seiner Berge. In der Tiefe dehnt sich die Bucht mit ihren Schiffen und Inseln und funkelt das tropische Meer; wie überall erlebt man in Rio an allen Stellen und auch den abgesondertsten und einsamsten diese unvergleichliche Zwiefalt von Stadt und Landschaft, von Zeitlichem und Zeitlosigkeit.
Dieses eine Kloster und noch das zweite auf dem andern Hügel von Santo Antônio hat sich Rio gerettet von seiner Vergangenheit. Es ist sein Adelsbrief, bezeugend das Alter und die Vornehmheit seiner Kultur. Mag alles Kleinliche und Ärmliche der Kolonialzeit auch weiter verfallen und verschwinden, mag die Stadt in ihrer Ungeduld sich von Jahr zu Jahr verändern, dieser goldene Schimmer durchleuchtet die Zeit.
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