Иоганн Вольфганг фон Гёте

Gesammelte Gedichte: Elegien, Epigramme, Sonette, Kantaten, Xenien und viel mehr


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Tugend einer Seele,

      Reinster Quell der Zärtlichkeit!

      Mehr als Byron, als Pamele

      Ideal und Seltenheit!

      Wenn ein andres Feuer brennet,

      Flieht dein zärtlich schwaches Licht;

      Dich fühlt nur, wer dich nicht kennet,

      Wer dich kennt, der fühlt dich nicht.

      Göttin, in dem Paradiese

      Lebtest du mit uns vereint;

      Noch erscheinst du mancher Wiese

      Morgens, eh die Sonne scheint.

      Nur der sanfte Dichter siehet

      Dich im Nebelkleide ziehn;

      Phöbus kommt, der Nebel fliehet,

      Und im Nebel bist du hin.

Scheintod

      Weint, Mädchen, hier bei Amors Grabe; hier

      Sank er von nichts, von ohngefähr danieder.

      Doch ist er wirklich tot? Ich schwöre nicht dafür:

      Ein Nichts, ein Ohngefähr erweckt ihn öfters wieder.

Novemberlied

      Dem Schützen, doch dem alten nicht,

      Zu dem die Sonne flieht,

      Der uns ihr fernes Angesicht

      Mit Wolken überzieht;

      Dem Knaben sei dies Lied geweiht,

      Der zwischen Rosen spielt,

      Uns höret und zur rechten Zeit

      Nach schönen Herzen zielt.

      Durch ihn hat uns des Winters Nacht,

      So häßlich sonst und rauh,

      Gar manchen werten Freund gebracht

      Und manche liebe Frau.

      Von nun an soll sein schönes Bild

      Am Sternenhimmel stehn,

      Und er soll ewig, hold und mild,

      Uns auf-und untergehn.

An die Erwählte

      Hand in Hand! und Lipp auf Lippe!

      Liebes Mädchen, bleibe treu!

      Lebe wohl! und manche Klippe

      Fährt dein Liebster noch vorbei;

      Aber wenn er einst den Hafen,

      Nach dem Sturme, wieder grüßt,

      Mögen ihn die Götter strafen,

      Wenn er ohne dich genießt.

      Frisch gewagt ist schon gewonnen,

      Halb ist schon mein Werk vollbracht!

      Sterne leuchten mir wie Sonnen,

      Nur dem Feigen ist es Nacht.

      War ich müßig dir zur Seite,

      Drückte noch der Kummer mich;

      Doch in aller dieser Weite

      Wirk ich rasch und nur für dich.

      Schon ist mir das Tal gefunden,

      Wo wir einst zusammen gehn

      Und den Strom in Abendstunden

      Sanft hinunter gleiten sehn.

      Diese Pappeln auf den Wiesen,

      Diese Buchen in dem Hain!

      Ach, und hinter allen diesen

      Wird doch auch ein Hüttchen sein.

Erster Verlust

      Ach, wer bringt die schönen Tage,

      Jene Tage der ersten Liebe,

      Ach, wer bringt nur eine Stunde

      Jener holden Zeit zurück!

      Einsam nähr ich meine Wunde,

      Und mit stets erneuter Klage

      Traur ich ums verlorne Glück.

      Ach, wer bringt die schönen Tage,

      Jene holde Zeit zurück!

Nachgefühl

      Wenn die Reben wieder blühen,

      Rühret sich der Wein im Fasse;

      Wenn die Rosen wieder glühen,

      Weiß ich nicht, wie mir geschieht.

      Tränen rinnen von den Wangen,

      Was ich tue, was ich lasse;

      Nur ein unbestimmt Verlangen

      Fühl ich, das die Brust durchglüht.

      Und zuletzt muß ich mir sagen,

      Wenn ich mich bedenk und fasse,

      Daß in solchen schönen Tagen

      Doris einst für mich geglüht.

Nähe des Geliebten

      Ich denke dein, wenn mir der Sonne Schimmer

      Vom Meere strahlt;

      Ich denke dein, wenn sich des Mondes Flimmer

      In Quellen malt.

      Ich sehe dich, wenn auf dem fernen Wege

      Der Staub sich hebt;

      In tiefer Nacht, wenn auf dem schmalen Stege

      Der Wandrer bebt.

      Ich höre dich, wenn dort mit dumpfem Rauschen

      Die Welle steigt.

      Im stillen Haine geh ich oft zu lauschen,

      Wenn alles schweigt.

      Ich bin bei dir, du seist auch noch so ferne,

      Du bist mir nah!

      Die Sonne sinkt, bald leuchten mir die Sterne.

      O wärst du da!

Gegenwart

      Alles kündet dich an!

      Erscheinet die herrliche Sonne,

      Folgst du, so hoff ich es, bald.

      Trittst du im Garten hervor,

      So bist du die Rose der Rosen,

      Lilie der Lilien zugleich.

      Wenn du im Tanze dich regst,

      So regen sich alle Gestirne

      Mit dir und um dich umher.

      Nacht! und so wär es denn Nacht!

      Nun überscheinst du des Mondes

      Lieblichen, ladenden Glanz.

      Ladend und lieblich bist du,

      Und Blumen, Mond und Gestirne

      Huldigen, Sonne, nur dir.

      Sonne! so sei du auch mir

      Die Schöpferin herrlicher Tage;

      Leben und Ewigkeit ists.

An die Entfernte

      So hab ich wirklich dich verloren?

      Bist du, o Schöne, mir entflohn?

      Noch klingt in den gewohnten Ohren

      Ein jedes Wort, ein jeder Ton.

      So wie des Wandrers Blick am Morgen

      Vergebens in die Lüfte dringt,

      Wenn, in dem blauen Raum verborgen,

      Hoch über ihm die Lerche singt:

      So dringet ängstlich hin und wieder

      Durch