sie nicht zu heiraten. Und nun hatte sie ihm geschrieben, daß sie ein Kind erwartete.
Holgar Larsen dachte nach: Wenn ich Kerstin heirate, nur damit das Kind einen Vater bekommt, so wird dieses Kind vielleicht auch einmal so aufwachsen, überlegte er. Eine tiefe Beklemmung überfiel ihn. Er war mit sich selbst unzufrieden. Ja, wenn ich einen solchen Sohn bekommen würde, dachte er weiter. Da ging plötzlich ein Ruck durch die Maschine, und sie verlor rasch an Höhe.
Tammy umklammerte angstvoll Daniels Hand, und unwillkürlich legte auch Holger Larsen seinen Arm um den Jungen.
»Passiert jetzt was?« fragte Daniel. Dann war nur noch Krachen und ein vielstimmiger Aufschrei zu vernehmen.
*
Greg Moore preßte die Hände aneinander. »Hör doch endlich auf zu heulen!« herrschte er Eliza an. »Die Maschine ist abgestürzt. Wir haben keine Schuld daran. Wer weiß, wie es passiert ist. Im Grunde ist das doch sowieso die beste Lösung« Es klang unglaublich brutal, und sie sah ihn entsetzt an. In diesem Augenblick fand sie ihn gar nicht mehr anziehend.
»Du wirst jetzt eine reiche Frau, Liz«, fuhr er kaltblütig fort. »Hast du vergessen, daß Grace eine Lebensversicherung für sich und den Jungen auf deinen Namen abgeschlossen hat? Besser gesagt, eine Unfallversicherung. Nun, das war eindeutig ein Unfall. Du bekommst hunderttausend Dollar.«
Ihre Augen verengten sich. »Das Unglück ist nicht geklärt«, sagte sie mit bebender Stimme. »Hast du etwas damit zu tun, Greg?«
Sein Gesicht verzerrte sich. »Wie kannst du so etwas sagen?« stieß er hervor. »Ich denke, du liebst mich.«
»Aber du rechnest mir etwas zu rasch«, erwiderte sie leise. »Ich habe an diese Versicherung gar nicht mehr gedacht.«
»Sonst bist du doch auch ganz schön geschäftstüchtig«, gab er höhnisch zurück. »Graces Schmuck hast du jedenfalls sehr rasch und ohne Skrupel in deinen Besitz gebracht, ebenso ihre Pelze.« Er musterte sie anerkennend. »Ich muß schon sagen, wir geben ein annehmbares Gespann ab, und wenn erst Gras über die Geschichte gewachsen ist, werde ich dich auch zu einem Star machen.«
»Mit Versprechungen warst du immer schon ganz groß«, spottete sie. »Wir wissen ja noch nicht einmal, ob Danny unter den Toten ist. Du bist etwas voreilig, mein Lieber.«
»Drei Überlebende«, wehrte er ab, »warum sollte ausgerechnet der Junge darunter sein? Still, da kommt wieder eine Meldung.« Er starrte auf das Radio, und in der nächsten Sekunde betrachtete er es wie seinen größten Feind. Klar und deutlich berichtete der Sprecher, daß sich unter den drei Überlebenden die junge Filmschauspielerin Tamara Roloff und der kleine Daniel Melian befänden, dessen Mutter Grace Mac Donald erst kürzlich auf so tragische Weise gestorben sei.
»Das muß doch mit dem Teufel zugehen«, zischte er. »So was darf gar nicht wahr sein!«
»Vielleicht hat eine höhere Macht die Hand im Spiel«, meinte Eliza langsam. »Vielleicht ist dem Teufel diesmal ein Schnippchen geschlagen worden. Aber es sind immerhin fünfundsiebzig Tote.«
Sie betrachtete ihn, als sähe sie ihn zum erstenmal. »Ich hoffe nur, daß sich mein schrecklicher Verdacht nicht bestätigt, Greg«, fuhr sie, jedes Wort einzeln betonend, fort.
»Verdacht, Verdacht! Du bist ja verrückt. Wir sitzen in einem Boot, Eliza, vergiß das nicht. Vergiß gefälligst auch nicht, daß du die Nutznießerin bei allem bist. Du warst Graces Freundin.«
Sie blickte nachdenklich vor sich hin. »Dein Interesse für mich bekommt plötzlich ein merkwürdiges Bild«, sagte sie eisig. »Es ist wohl besser, wenn wir uns trennen.«
Mit einem furchterregenden Gesichtsausdruck kam er auf sie zu. »Das könnte dir so passen«, schrie er und packte sie brutal am Handgelenk. »So haben wir nicht gewettet, meine Liebe! Es wird hübsch geteilt. Auch die Versicherung, wenn der Junge stirbt.«
Kaltes Grauen erfaßte sie. Mehr aber noch eine fürchterliche Angst. Sie war ihm hörig gewesen und hatte alles getan, was er wollte, nur um ihn nicht zu verlieren. Sie wußte, daß sie ihm nicht so einfach entrinnen konnte, mochte sie es jetzt auch noch so sehr wünschen.
*
Danny kehrte aus tiefer Bewußtlosigkeit in die Wirklichkeit zurück. Er konnte sich nur langsam an das erinnern, was geschehen war. Seine erste Frage galt Tammy.
»Wo ist Tammy?« Er schrie es fast, als der Arzt, der sich über ihn beugte, nicht gleich verstand. »Sie saß neben mir.«
»Tamara Roloff? Meinst du sie?« fragte der Arzt behutsam. »Sie lebt.«
Ein erleichterter Seufzer kam über die Lippen des Kindes. »Das Flugzeug ist abgestürzt, nicht wahr?« fragte er dann weiter.
Der Arzt nickte. Die angstvolle Frage in den Augen des Kindes erschütterte ihn.
»Und Mr. Larsen? Er saß an meiner anderen Seite.«
Es war kaum zu glauben, daß das Kind schon wieder so klar denken konnte. Es grenzte sowieso an ein Wunder, daß es keine schweren Verletzungen davongetragen hatte. Auch Tamara Roloff war verhältnismäßig gut davongekommen. Nur Mr. Larsen, der dritte Überlebende, schwebte zwischen Leben und Tod. Wenn man in Betracht zog, daß alle anderen Passagiere umgekommen waren, so konnte man nur an ein Wunder glauben, das diesen Menschen das Leben gerettet hatte.
»Kann ich Tammy sehen?« fragte Daniel.
»Heute noch nicht«, erwiderte Dr. Wilkens, der Arzt. »Morgen vielleicht.« Er strich dem Jungen über das dichte dunkle Haar. »Du bekommst jetzt Besuch, Daniel.«
»Besuch? Doch nicht Miß Grass? Ich mag sie nicht sehen. Ich will nicht, daß sie kommt!«
»Nein, es ist keine Miß Grass. Es ist Mrs. Baker, eine sehr liebe alte Dame.«
Daniel wußte später nicht mehr zu sagen, ob er alles Folgende im Wachen oder Träumen erlebt hatte. Jene Mrs. Baker war an sein Bett getreten, so groß und üppig, daß es ihm einen Augenblick lang ganz bange geworden war. Aber als er dann in ihre lieben Augen blickte und die weiche liebevolle Stimme vernahm, schwand seine Angst. Sie hatte ihm gesagt, daß sie eine Granny sei, und da er niemals eine Großmutter kennengelernt hatte, konnte er es gar nicht glauben.
Aber jetzt hielt er das Amulett in den Händen, das sie ihm gegeben hatte, und er wußte, daß sie tatsächlich bei ihm gewesen war. Eine Granny! Sie war so lieb zu ihm gewesen, daß er für Minuten seinen Kummer um Tammy vergessen hatte.
»Du darfst es jetzt behalten«, hatte sie gesagt, während sie ihm das Amulett gab, das er wunderschön fand, »und wenn du dir etwas wünschst, wird es in Erfüllung gehen«, hatte sie mit geheimnisvoller Stimme hinzugefügt.
Er wußte genau, was er sich wünschen wollte. Daß Tammy wieder gesund würde und Mr. Larsen auch. Aber am meisten dachte er an Tammy, die so lieb zu ihm gewesen war, und die ihm wie eine Märchenprinzessin vorkam, so schön war sie. Er wünschte sich nur noch, daß sie immer bei ihm bleiben möge.
Er war ein kleiner Junge von sechs Jahren und ahnte nicht, daß dieses Amulett, das Mrs. Baker ihm geschenkt hatte, Zauberkräfte besaß. Schon oft hatte es sich in Situationen bewährt, die ausweglos schienen. Mrs. Baker hatte es erfahren wie viele andere vor ihr, daß dieses Amulett eine Macht besaß, die sich in den Händen eines guten Menschen als glücksbringend, bei einem schlechten, unwürdigen Besitzer aber unheilvoll entfaltete. Aus dem Orient kommend, hatte es seinen Weg über viele Länder genommen, da es seine Bestimmung war, seine jeweiligen Besitzer zu verlassen, sobald sie seine Macht erfahren hatten. Zuletzt hatte es Mrs. Baker, jener reichen alten Amerikanerin, und ihrer Familie Glück gebracht.
Aber Mrs. Baker war sich ihrer Pflicht bewußt. Man durfte das Amulett nicht behalten. Wenn man den Höhepunkt des Glücks erreicht hatte, sollte man es weitergeben.
Für Mrs. Baker hätte es nichts mehr zu wünschen gegeben. Doch dieser kleine Junge hatte ihr weiches Herz gerührt.
Und Daniel betrachtete nun andächtig das Amulett in seinen Händen. Ein herrlich schimmernder