Gerstäcker Friedrich

Ein Parcerie-Vertrag


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       Friedrich Gerstäcker

      Ein Parcerie-Vertrag

      Erzählung zur Warnung und Belehrung für Auswanderer und ihre Freunde

      Veröffentlicht im Good Press Verlag, 2021

       [email protected]

      EAN 4064066115678

       Vorwort.

       Erstes Capitel. Beim Schulmeister.

       Zweites Capitel. Verschiedene Auskunft.

       Drittes Capitel. Herrn Kollboeker's Comptoir.

       Viertes Capitel. Die Abreise.

       Fünftes Capitel. Auf See und an Land.

       Sechstes Kapitel. In Brasilien.

       Siebentes Capitel. Die Reise in's Innere.

       Achtes Capitel. Der deutsche Consul.

       Neuntes Capitel. Die Folgen des Contracts.

       Zehntes Capitel. Der neue Besuch.

       Elftes Capitel. Gerettet.

       Zwölftes Capitel. In der Colonie Blumenau. Schluß.

       Fußnoten

       Inhaltsverzeichnis

      Ich habe versucht dem Leser in der nachstehenden Erzählung eine, wenn auch peinliche, doch treue Schilderung einer Familie zu geben, die sich verleiten ließ auf einen sogenannten Parcerie-[1]Vertrag hin ihr Vaterland zu verlassen und ihr Glück in einem fernen Welttheil zu suchen.

      Das Land ist Brasilien, denn gerade mit den Pflanzern des heißen und nördlichen Theils von Brasilien sind solche Verträge abgeschlossen worden, weil sich die freiwillige Auswanderung nicht jenen, für den Europäer ungesunden Distrikten zuwandte. Der Hauptstrom der süd-amerikanischen Auswanderung ging nach dem Süden von Brasilien, wohin die Regierung selber deutsche Auswanderer wünschte und sie in vielen Stücken begünstigte. Dort befanden sich die Colonisten wohl und schrieben nach Deutschland zurück, wie gut es ihnen ging.

      Diese Briefe wurden häufig von gewissenlosen Agenten benutzt um arme unwissende Menschen in Deutschland, die keine Mittel besaßen ihre Passage zu bezahlen, zu täuschen, denn man versprach ihnen ja sie nach Brasilien zu schaffen und von der ungeheueren Größe des Landes, und den verschiedenen Klimaten und Bodenverhältnissen hatten die Unglücklichen, mit ihren mangelhaften geographischen Kenntnissen keine Ahnung.

      Sie sahen dann zu spät ein daß sie betrogen waren, aber eben so wie sie sich außer dem Schutz der deutschen Regierungen befanden – denn unser Consulats-Wesen lag entsetzlich im Argen und liegt noch darin, wenn nicht die Norddeutsche Bundesregierung eine gründliche Änderung desselben vornimmt – ebenso konnte auch die brasilianische Regierung nur in solchen Fällen einschreiten, wo ihr Beweise gebracht wurden, daß die Pflanzer ihre Arbeiter wirklich betrogen. Wie schwer das aber in einem so ungeheueren Reiche und in den abgelegenen Provinzen war, läßt sich denken.

      Vor diesen und vielen ähnlichen Contracten möchte ich nun den Auswanderer nicht allein warnen, sondern auch ihm sowohl, wie Allen solchen die sich für fortziehende Familien interessiren oder von ihnen um Rath gefragt werden, ein deutliches Bild vor Augen rücken, wie es, leider in den meisten Fällen, mit derartigen Verträgen steht.

      Ich gebe zu daß manche derselben ehrlich gemeint sind und ehrlich gehalten wurden, und dadurch dem unbemittelten Auswanderer Vortheile boten, die er auf eine andere Art nur schwer erreicht hätte. Aber nirgends ist ihm dafür eine Gewähr gegeben. Von dem Augenblick an wo er das fremde Land betritt, ja läßt er sich besonders mit englischen und vorzüglich belgischen Agenten ein, von der Stunde an wo er die heimische Grenze überschreitet, bleibt er der Willkür fremder Menschen preisgegeben, und zwar ohne Hülfe, ohne Schutz.

      Wer einmal auswandern will mag es thun, aber er soll sich vorher, um seiner selbst und seiner Familie willen, nicht durch ein Blatt Papier Hände und Füße binden lassen. Ein freier Mann findet überall in der Fremde sein Brod, ein durch einen Contract gebundener ist dagegen der Sclave seines Herrn und wer ihm hier in Deutschland vorredet, die Sache wäre gar nicht so schlimm – sein ärgster Feind.

      In solchen Fällen aber, wo ein armer deutscher Familienvater gar keine Mittel in Händen hat, um ein fremdes Land zu erreichen und er doch sein Elend hier vor Augen sieht, ohne im Stand zu sein sich herauszuarbeiten, wo es ihm also wie eine Hülfe in der Noth erscheint wenn er in ein fremdes Land auf fremde Kosten übersiedeln kann, da gehe er nicht etwa unter jeder Bedingung, denn er hat sich die für ihn und die Seinen nachher vielleicht furchtbaren Folgen sonst selber zuzuschreiben, sondern beobachte die folgenden Regeln.

      Vor allen Dingen verlasse er sich nie und unter keinen Umständen allein auf das Wort eines Auswanderungs-Agenten.

      Alle diese Leute die eine Auswanderungs-Agentur errichten, sind mit nur sehr wenigen Ausnahmen, heruntergekommene Kaufleute oder sonst Menschen die ein solches Geschäft als letzten Erwerbszweig ergriffen haben, und fast ohne Ausnahme nicht das Geringste von fremden Welttheilen wissen oder verstehen.

      Sie bleiben dabei einzig und allein auf den Gewinn des Kopfgeldes angewiesen, das sie für Alle solche bekommen, die durch sie befördert werden. Wohin! bleibt sich bei ihnen gleich, wenn sie ihre »Köpfe« nur auf ein Schiff liefern, und was nachher aus den Unglücklichen wird, kümmert sie wenig oder gar nicht.

      Alle solche Contracte dabei, die auf Hälfte des Gewinns oder auch auf einen Antheil lauten, sind fast ohne Ausnahme betrügerischer Art, wenigstens ist der Auswanderer, der die fremde Sprache nicht versteht und dem keine Einsicht in die Bücher seines Herrn zusteht (die ihm unter solchen Umständen auch Nichts nützen würde) jedesmal demselben auf Gnade und Ungnade übergeben, und wenn er wirklich auch einmal nicht betrogen werden sollte, hält er sich doch sicher selber davon überzeugt.

      Theilcontracte sind für ihn annehmbar, wenn sie auf umgekehrten Grundsätzen beruhen, wie sie besonders in Süd-Australien von englischen Grundeigenthümern zu ihrem eigenen, aber auch dem Nutzen der deutschen Einwanderer, abgeschlossen wurden.

      Nach diesen übernahm der Auswanderer eine Strecke Land, bekam von dem Eigenthümer das nöthige Ackergeräth geliefert, und zahlte jährlich für den Acker 4 £ also etwa 27 Thlr. Pacht, wobei er jedoch nach 14 Jahren