konnte den Gedanken nicht los werden, daß er den Jungen an Bord versteckt halte, um ihn doch mit nach See zu nehmen und dann nachher zu sagen, es habe nicht anders gemacht werden können.
Das verbitterte ihnen den Abschied.
Als Gesa nun den Jungen wieder hatte und sah, daß sie ihrem Mann unrecht getan hatte, kam die Reue über sie und sie winkte vom Bodenfenster mit der großen Dweel, der leinenen Tischdecke, bis er es sah und seine deutsche Flagge dreimal grüßend dippte, denn sein Unmut war längst verweht, seitdem er wieder als Fahrensmann an Bord stand und seine Segel über sich hatte. Es war eine Lust, zu fahren! In der weiten Runde, welch ein reges Leben, welch ein freudiges Arbeiten! Da war nicht ein Ewer, nicht ein Kutter, nicht eine Jolle, auf denen es still war: überall eisten sie, trugen Segel und Proviant herbei, hievten die Anker, setzten die Segel, ließen die Gaffeln knarren und schipperten einer nach dem andern aus der großen Rinne, die schon ihren Namen bekommen hatte und Klaus Mees sien Lock hieß. Draußen ließen sie sich mit dem Ebbstrom daltreiben, denn es war gar keine Kühlung. Der erste aber war Klaus Mewes mit seinem „Laertes“, dem die norddeutsche Flagge von der Besan hing.
So güngen se up de Schullen dol.
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Störtebeker stand noch auf dem Deich, als wenn er dort angewachsen wäre, sah nach dem Ewer, der unter der gründachigen Nienstedter Kirche kreuzte, und grübelte, ob es wohl darum so gekommen sei, weil er bange gewesen war. Da hatte er ja gleich die Strafe für seine Bangbüxigkeit: er war nicht mitgekommen nach See und sie hatten ihm nicht einmal Adjüst gesagt. Wäre er langsam nach Hause gegangen, so hätte er seine Strümpfe nicht auszuwaschen brauchen und er hätte seinen Vater noch gesehen.
Nu will ik ober gewiß ne mihr bang warrn! Ganz gewiß will ik nu ne mihr bang warrn! Das sagte er sich.
Die Mutter stand in der Tür. Der kleine Boitel dauerte sie: „Jä, Klaus, dor lett sik nu nix mihr an don: herkieken kannst du em ne wedder! Nu sünd wi wedder den ganzen Sommer alleen!“
„To Sommer bün ik doch all mit an Burd,“ sagte er mit halbem Vorwurf, ohne sich umzudrehen.
„Kumm man rin, weut Kaffee drinken.“
„Och, ik mag nix, Mudder!“
„Ik will di bi magnix! Gliek anto!“
Da mußte er sich geben, und als er erst in der Küche am Tisch saß, da schmeckte es auch. Wann hätte es Klaus Störtebeker übrigens nicht geschmeckt? Nach dem Kaffee wusch sie ihm das Gesicht. Er hielt ausnahmsweise still, obgleich er sich schon selbst waschen konnte und obgleich er genau wußte, daß sie es nur tat, um ihm dabei die Backen eien zu können. Als sie dann aber nach seiner Bunge fragte und nach der Krähe (denn sie hatte sich fest vorgenommen, sein Vertrauen zurückzugewinnen, wollte auch nicht mehr so streng gegen ihn sein, sondern versuchen, seine Kameradin zu werden), da ging er bald hinaus, denn diese Fragen schienen ihm recht verfänglich. So guckt der Spatz mißtrauisch vom Dach, wenn ihm Krumen gestreut werden.
Da, beim Schloß von Godeffroy, der guten Frau, wie es am Deich hieß, segelte der Ewer — viel weiter war er noch nicht gekommen, denn es war immer noch totstill.
Störtebeker besann sich, daß er noch nicht gefüttert hatte. Der Gerechte erbarmt sich seines Viehes, auch wenn er Kummer hat. Er ging über die Wurt nach dem Hof und warf den Kaninchen Kartoffelschalen hinein, aber trotz seines wehen Herzens konnte er sich nicht enthalten, der Eve den Bauch zu befühlen, denn er wartete sehr darauf, daß sie jungen sollte, hatte er doch schon fünf Junge fest versagt: Hein Meier kriegte einen Bock und eine Eve, Peter Fock einen Bock, Hannis Külper, Jan Loop jeder eine Eve.
Dann bekam die Nebelkrähe ihren aufgeweichten Stuten. Der struppige Kluß schlug mit den Flügeln und quarkte vergnügt über das Fressen: Störtebeker faßte es aber anders auf und sagte betrübt: „Jä, Kluß, Vadder is nu no See hin un hett mi ne Adjüst seggt!“
Da sah er am Schauer seine Kreek stehen und dachte: wenn du damit über das Eis pektest, ganz nach Blankenese hinunter, könntest du deinen Vater noch sehen und ihm Adjüst sagen. „Ik mütt un mütt em Adjüst seggen!“ Er suchte die Pek her, nahm die Kreek auf den Nacken und schlich wie ein Indianer den Binnendeich entlang, damit die Mutter ihn nicht gewahr werden sollte. Als er weit genug war, kletterte er über den Deich, sprang vom Bollwerk auf das Eis und pekte sich über Rillen und Sickberge, an Waken und offenen Stellen vorbei nach dem Fahrwasser.
Vadder, ik komm!
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Der Schuster war ein Schlauer. Er wartete geruhig ab, daß der Polizist auf seinem gewohnten Rundgang den Deich entlang kam, und schloß sich dann dem ahnungslosen Beamten unter harmlosen Gesprächen an, um sich ein wenig zu verpetten, wie er meinte. So dachte er dem droken Klaus Störtebeker einen großen Schrecken einzujagen.
Aber er hatte seine Arbeit umsonst liegen lassen — der Vogel war nicht da. Die ängstliche Gesa suchte den Jungen im Keller und auf dem Boden, als sie ihn dort aber nicht fand, nahm sie an, daß er geflohen sei, ließ sich kopfschüttelnd die schlimme Tat berichten und bezahlte die Scheibe und die Kugel. Auch versprach sie dem Schuster, daß Klaus kommen und Abbitte tun solle, gab ihm noch ein Paar alter Stiefel zum Besohlen und Vorschuhen mit und brachte den Zwischenfall damit auch glücklich wieder in die Reihe.
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„Adjüst, Vadder! Adjüst, Vadder!“
Klaus Mewes guckte nicht schlecht, als er seinen Jungen mit einem Mal auf dem Eise stehen sah, dwars ab von Blankenese, hart am Rande des Fahrwassers. Störtebeker stand neben seiner Kreek, auf die Pek gestützt, und winkte.
„Wat kummst du hier her? Wat deist du up dat mörre Is?“
„Ik wull di doch noch Adjüst seggen, Vadder,“ rief der Junge, „du büst jo so fohrn.“
Kap Horn aber machte Weiberlärm:
„Junge, Junge, wat kannst du wat moken, wo licht harrst du inne Wok oder innen Lock kommen kunnt?“
Aber Störtebeker sagte ruhig: „Dorför hett de Minsch doch Ogen, Kap Horn!“
Sein Vater ließ den Ewer in den Wind schießen und überlegte, was er tun sollte.
„Dat Is is so mörr as Tunner, dor güng ik gewiß ne mihr rup,“ ließ Hein Mück sich vernehmen, aber Störtebeker rief: „Dat gläuf ik, du Bangbüx! Non, Adjüst, Vadder!“
„Kannst du ok wedder no Hus finnen, Junge?“
„Jo, dat is jo nix, Vadder!“
Kap Horn aber legte sich ins Mittel und sagte: „Ümschicken kannst du em nich, Klaus, dat geiht nich: he kummt uns innen Lock un buddelt weg!“
„Dat hebb ik ok all dacht,“ stimmte der Schiffer besorgt zu, denn auch er hatte kein Vertrauen mehr zu dem mürben Eis mit den zahllosen Löchern und den großen Wasserstellen; er konnte nicht begreifen, wie der Junge es überhaupt fertig gebracht hatte, so weit vorzudringen, bis an die beständig abbröckelnde Kante.
„Klaus, wat ik di seggen do: dat sall so sien, dat is Schicksol: de Jung sall mit no See! Nimm em mit!“
„Dat woll jüst ne,“ lenkte Klaus ab, „dat is noch to kold buten un Gesa weet dor ok jo nix van af: ober an Burd weut wi em man mol hieven! Wi geeft em denn an en upkommen Fohrtüch af un schickt em seker no Hus. Boot vant Deck! Loop ne weg, Störtebeker, ik hol di!“
„Junge, Junge, jo, Vadder, dat do man!“ frohlockte Störtebeker und dachte: nu geiht dat mit en vullen Huroh no See!
Die Fahrensleute nahmen das Boot in die Talje und fierten es ins Wasser. Klaus Mewes stieß eben nach dem Eis hinüber, packte den Jungen samt der Kreek zwischen die Duchten und wriggte nach dem Ewer zurück.
Da war Störtebeker doch richtig an Bord. Wie er sich freute, wie gesprächig er war, wie scharf er auf alles achtete! Zumeist stand er bei