nehm ik den Jungen mit no See, Mudder, dat weest du jo, dor is jo all genog ober snackt worden,“ sagte er sicher.
Sie war aufgestanden und erwiderte mit erregter, heiserer Stimme: „Un ik segg di soveel, Klaus Mees, du kriegst den Jungen ne mit no See. Wenn he noher grot is un ut de Schol, denn nimm em in Gotts Nomen hin, denn will ik nix mihr ober em to seggen hebben, ober so lang hürt he mi, mien Mudderrecht lot ik mi ne nehmen! Is genog, wat ik em soveel uppe Ilw loten mütt: no See schall he noch ne!“
„Geef di, Gesa,“ beschwichtigte Klaus gelassen, während Kap Horn, der zu dem Streit nichts sagen wollte, heimlich aus der Tür ging und mal über den Westerdeich guckte. „De Jung kummt düssen Sommer mit no See, dat is so gewiß as de Heben. He schall bitieds seefast warrn!“
„Ik lied dat ne un lied dat ne!“ beharrte sie leidenschaftlich. „Du hest en reinen Vogel mit dienen Jungen, weest dat? Keen een van de Seefischers nimmt son lütjen Boitel all mit an Burd, de kum en Büx mit Verstand dregen kann.“
Er machte geruhig seine Maschen. „De hebbt ok ne son Jungen as ik,“ sagte er, „lot mi man, Gesa. Ik bün en rechten Fischermann un will en rechten Fischerjungen ut em moken un ut di will ik ok wat rechts moken, Diern! Weest, wat dat is?“
Sie gab keine Antwort.
„En rechte Fischerfro, Gesa! Weest du wat, Diern? Du geihst ok mit no See, man to, denn wardt irst mooi! Kiek di mien Fischeree mol mit egen Ogen an!“
Sie schüttelte starr den Kopf:
„Dat kann ik ne, Klaus! Wenn ik dat kunn, denn harr ik dat vullicht all lang don, ober ik kannt ne!“
„Dat kummt uppen Verseuk an,“ erwiderte er, „goh man mol mit un du schallst mol sehn: buten ist en barg beter as binnen!“
„Klaus, gläuf mi dat doch to: ik kann dat ne, ik warr seekrank un starf di all vör Angst, ihr wi mol no See dol sünd! Mi grot to dull vört Woter!“
„Jo, du büst en grote Bangbüx,“ schalt er, dann aber tat ihm sein herber Ton leid und er tröstete: „Ober dat schall sik woll noch all geben, mien Diern, paß man up, du warst doch noch en gode Fischerfro, de Banghaftigkeit gifft sik mit de Johren.“
„Ne, de gifft sik ne, dat weet ik,“ sagte sie tonlos und ging aus der Stube, weil ihr die Tränen kommen wollten.
Da blieb der große Seefischer allein bei seinen Kurren, aber er ließ sich den klaren Sinn auch durch die Stille nicht verwirren und ging nicht von seinem Kurs ab. Kap Horn kam herein und nahm seine Arbeit schweigend auf.
„De Jung kummt doch mit no See,“ ließ Klaus Mewes sich vernehmen. Dann blickte er nach seinem Ewer und wartete auf Kap Horns Meinung, die auch bald an den Tag kam.
„Klaus, ik will di mol wat seggen: ik kunn dien Vadder sien: as du geborn weurst, do krüz ik all bi Kap Horn rum un greep Albatrossen! De Mudder hett noch en Recht op den Jungen!“
„Och wat!“ fiel Klaus ihm barsch ins Wort, „ik hebb dat eenmol seggt un dorbi blifft dat: he kummt mit an Burd! Bi de Dierns geiht dat no de Mudder, ober bi de Jungens geiht dat no den Vadder! Sien Mudder seh jo upt leefst, wenn he Schoster oder Snieder warrn dä un keen anner Woter to sehn kreeg as dat innen Teeputt. Un wenn wi blieben schulln, Kap Horn, denn mokt se ok en Schoster oder Snieder ut em. Ober man keen Bang, Klaus Mees kann ne blieben!“
Der alte Knecht erhob warnend die Hand.
„Dat hett dien Vadder ok vullicht dacht oder seggt, Klaus Mees, un he is doch ne wedder kommen mit sien Eber!“
Aber Klaus Mewes, der seinen Ewer für den besten von der Elbe hielt und sich für den besten Fischermann, blieb dabei, daß er nicht bleiben könne. Das war sein Wort von jeher gewesen und seine gewisse, sturmgewohnte, sonnenfreudige Seele hielt daran fest: „Ik kann ne blieben un ik blief ok ne!“
Störtebeker ließ sich auch wieder sehen, er nahm seine Bunge und fing wieder an zu knütten, aber er machte ein Gesicht wie ein Fischer, der nichts gefangen hat, und ließ die Unterlippe vorstehen, als wenn ein Schock Hühner darauf sitzen sollte. Der Knecht sah ihn belustigt von der Seite an und stichelte: „Na, Klaus Störtebeker, großer Seeräuber, wat sä de Schoster? Hett he de Söbenmielenstebeln noch nich klor?“
Da brach es bei dem Jungen los wie bei einer Stintflage, und er ballerte wie ein Großer: „Ik gläuf, de Knappen is verrückt oder splienig! Dat is oberhaupt keen Schoster, gläuf ik, de kann gorne schostern un gorkeen Stebeln moken! Dat is en Leisegänger, Vadder ...“
Schiffer und Knecht konnten sich nicht mehr vor Lachen helfen, aber der Junge fuhr in seinen Schmähungen fort. „Jedermol, wenn ik komm, seggt he: morgen; ober he kummt ne wieder as he is, de Tüffel.“
„Wat scheut de Stebeln denn all, Störtebeker?“ fragte Klaus ernsthaft.
„Ik will doch mit no See, Vadder, un du hest doch seggt, wenn de Stebeln klor würn, denn schull ik mit,“ antwortete der Junge zuversichtlich.
„Büst du denn ok nich mehr bang?“ fragte nun Kap Horn lauernd. „No See dröft blot welk, de nich bang sünd.“
„Ne, Kap Horn, bang bün ik ne,“ erwiderte der Junge treuherzig.
„Vörn dode Mus woll nich, Störtebeker, un vörn brodten Gnurrhohn ok woll nich, ober wenn di en lütjen Rottenbieter inne Meut kummt, denn neihst ut, wat kannst, un schreest: Mudder, Mudder, Mudder!“
„Lögen, Lögen, Lögen!“ stritt Störtebeker und pekte ihn mit der hölzernen Knüttnadel. „Ik bün vör keen Hund bang un vör gornix!“
„Wenn du ober op See keen Land mehr sehn kannst, denn geiht dat Bölken doch los?“
„Ne, schreen do ik gewiß ne.“
„Denn warst du ober seekrank!“
„Ne, Kap Horn, ik warr ne seekrank!“
Das klang gerade so, als wenn sein Vater sagte: ik blief ne! Und Klaus Mewes sah seinen Jungen an und dachte: was soll in dem wohl anders stecken als ein Fahrensmann? Dann sagte er, und es klang wie ein Gelübde: „Man still, Störtebeker, du kummst to Sommer mit an Burd!“
Der Junge freilich hatte für die Feierlichkeit keinen Sinn und ließ ein enttäuschtes: „Och, to Sommer irst!“ fallen, das den Knecht zu der Bemerkung veranlaßte, es wäre jetzt noch zu kalt auf See.
„Un dien Stebeln sünd ok jo noch ne klor,“ gab Klaus zu bedenken, und Kap Horn kam noch einmal mit der bitterbösen Seekrankheit an den Wind.
Sie knütteten fleißig weiter; als es aber Flut geworden war und das Eis aufstand, die Ewer sich erhoben und das Wasser auf das Bollwerk stieg, hielt Störtebeker es nicht mehr aus, er ließ die Bunge liegen und nahm französischen Abschied.
„Neem schallt no to?“ fragte sein Vater, aber er erwiderte hingeworfen, er wolle füttern — und weg war er.
„Dat keum jo bannig zaghaft rut,“ sagte der Knecht und sah ihm nach, „wenn de man nix anners in de Lur hett.“
Klaus dachte dasselbe, denn sonst pflegte Störtebeker die Fütterung seiner Krähe und seiner Kaninchen mit dem von seiner Mutter gelernten Spruch einzuleiten: Der Gerechte erbarmt sich seines Viehes!
Als eine ganze Zeit vergangen war, legte Klaus Mewes den Scheger beiseite und ging binnendeichs. Wie er sich schon gedacht hatte, war von Störtebeker nichts zu erblicken. Die Kaninchen machten Männchen, als er den Deckel des Kobens lüftete, und ließen ihre Nasen in der Luft tanzen, Kluß aber, die alte Nebelkrähe, die er selbst einmal auf See gegriffen hatte, saß unbeweglich auf ihrer Stange und wagte nicht mehr als ein halbes Auge an seine Gegenwart. Er rief halblaut, damit Gesa ihn nicht hören sollte, aber er bekam keine Antwort. Dann ging er in das Schauer und guckte nach den Stichlingsnetzen, die neben dem Hühnerwiem hingen; sie waren alle drei am Nagel: fischen gegangen war der Junge also nicht. Er machte den Warbel vor und blickte über Wischen,