Die Geschichten aus dem Wilden Westen: Abenteuerromane, Historische Romane & Erzählungen
gewöhnlichen Zeiten, nicht in diesen,« versetzte ihr der Kapitän bedeutsam; »der junge Mensch scheint unten Freunde gefunden zu haben und in Gnaden zu stehen, so daß Kapitän Percy vielleicht selbst es wagen dürfte, ohne Anstoß zu geben –«
»Ihm einige Güte zu erweisen«, fiel der junge Copeland ein. »Er verdient auch einige. Wenigstens hat sein Betragen gegen die Indianer und den armen Pompey ihn als einen warmherzigen, festen jungen Menschen erwiesen. Und haben Sie ihm ja etwas Gutes erzeigt, Kapitän, so ist dies wirklich nicht Ihre schlechteste Handlung.« Und mit diesen Worten packte der Jüngling seine Bücher und Schriften zusammen und verließ, mit einer leichten Verbeugung gegen die Damen, den Salon.
»Rätsel und wieder Rätsel«, sprach die Oberstin. »Was haben Sie doch mit dem jungen Copeland, und was hat dieser mit dem jungen Briten zu tun?«
Der Kapitän hatte diesem schweigend und kopfschüttelnd nachgesehen. »Ich weiß selbst nicht, was der junge Mensch will. Übrigens sind mir meine Herren Mitoffiziere« – sein Gesicht verzog sich in ein unwillkürliches Hohnlächeln, »ein Rätsel. Hören Sie nur, Kapitän Miko Broom hat sich gestern in eigener hoher Person herbeigelassen, den jungen Briten bei der Tafel aufzuführen, und alle haben ihm recht generös ihre Börsen angetragen.«
»Eine Aufmerksamkeit, über die ich Ihnen vielleicht einen Aufschluß zu geben vermag«, erwiderte die Oberstin. »So viel ich weiß, hat der Bruder unseres Aufsehers, der Leutnant, seinem Vater das Resultat des letzten Verhörs geschrieben.«
»Aha!« fiel ihr der Kapitän ein. »Nun verstehe ich – und der allmächtige Major hat sein gnädiges Fürwort eingelegt, und der junge Brite ist nun von den Söhnen hoch protegiert und natürlich von der ganzen Mannschaft des lieben Opelousas.«
»Ein guter Kredit bei seinen Mitbürgern ist viel wert, lieber Kapitän«, sprach die Dame mit einem halben Seufzer.
Diesem schwebte noch die Antwort auf den Lippen, als eine Ordonnanz eintrat und ihm ein versiegeltes Paket übergab. Zugleich gingen die Flügeltüren auf, und die Worte: »Onkel, Cousinen«, begrüßten einen Zug junge Damen, die, von einem ältlichen Manne begleitet, in den Saal eintraten.
Sie wurden von der Oberstin herzlich, aber auch etwas stattlich empfangen. Ohne auf die Beweglichkeit der drei übereleganten Misses oder die Ungeduld des Onkels Rücksicht zu nehmen, ging sie alle Formen der etwas zeremoniösen Aufführung sowohl Rosas als des Kapitäns durch, obgleich ihre Gäste von beiden nicht besonders Notiz zu nehmen schienen.
Vierunddreißigstes Kapitel
»Ja, da wären wir«, stöhnte der Onkel darein, ein fettes behagliches Männchen mit einer beneidenswerten Kupfernase und ein paar graublinzelnden Augen, die, man hätte schwören sollen, irgendwo in Connecticut oder Massachusetts das Licht der Welt erblickt haben mußten. »Ihr habt also nichts vom Dampfschiff gehört? Wir liefen soeben ein.«
»Recht schön,« rief Virginie, »daß Sie unser nicht vergessen haben und den Silvesterabend mit uns Armen zubringen wollen. Ach, wir sitzen schon eine ganze Woche, wie die arabischen Prinzessinnen.«
»Euer Fehler«, versetzte der Onkel, sich den Schweiß von der Stirne wischend. »Warum seid Ihr nicht hinabgegangen wie wir? Sind aber froh, daß wir wieder weg sind.«
»Froh«, rief eine der drei Misses. »Aber Pa, wie können Sie nur so sagen? Wir wären gerne unten geblieben, aber Ihnen wurde bange.«
»Ja, stellen Sie sich nur vor, liebe Schwägerin,« versetzte der Onkel, »die tollen Mädchen wollten absolut unten bleiben. O Schwägerin! Sie haben keinen Begriff, wie schrecklich es da unten aussieht. Ich versichere Sie, es wird mir ganz schauerlich zumute, kein Handel, kein Wandel –«
»Aber Partien genug!« fiel ihm wieder eine der Misses ein.
»Es muß ein sehr freier Ton unten sein, Miß Georgiane«, bemerkte die Oberstin etwas ernst.
»Sehr frei, liebe Tante; die altväterische steife Manier ist ganz verschwunden. Man ist ganz sans gêne.«
»Was ich sehr mißbillige, Miß«, versetzte die Oberstin.
»Hörst du, Missi?« fiel ihr der Pa ein. »Ach mein Gott!« fuhr er fort, »nur Trommeln und Pfeifen zu hören. Auf dem Uferdamme nichts als Gezelte und Mannschaft – exerzierend, trommelnd, pfeifend, lärmend; und hinunter an dem Damme – Gott sei es geklagt! Wagen auf Wagen, Karren auf Karren, mit Munition, Pulver, Lebensmitteln – Neger und Milizen, Offiziere und Mannschaft, Matrosen und Generale, alles untereinander. Mußten selbst zum Dampfschiffe zu Fuß gehen. Das ist aber alles nichts, Mistreß Parker,« fuhr er sich selbst erkräftigend fort – »das ist alles nichts!« rief er nochmals, sich die Stirn trocknend. »Aber kein Schiff zu sehen, keine Brigg, nicht einmal einen armseligen Schoner. Oberhalb der Vorstadt Annunciation liegen noch ein paar abgetakelt, und das ist alles; und das Zehren auf unsere Kosten, als ob es nimmer ein Ende hätte! Das Herz möchte einem zerspringen. Wenn's noch ein halbes Jahr so fortgeht, so sind wir alle ruiniert.« Der kurzatmige Pflanzer war ganz lebendig in der Beschreibung seiner und der allgemeinen Not geworden.
»Ach!« seufzte er wieder. »Meine arme, arme Baumwolle! Stellt Euch nur vor. Habe da in der Presse Rilieux an die zweitausend Ballen, die Ernte der letzten drei Jahre. Was geschieht? Der General, mir nichts dir nichts, läßt fünfhundert Ballen herausnehmen, ohne mir nur ein Wort zu sagen. Fünfhundert Ballen! Dreißigtausend Dollar! Prime Cotton. Glaubt denn der einfältige General, meine Baumwolle komme mit den Baumstämmen den Missouri herab!«
»Ich verstehe nun«, sprach Mistreß Parker. – »Ihr ginget hinab, um Eure Baumwolle aus den Klauen des Generals zu retten. Das hättet Ihr Euch immer ersparen können. Auch wir haben fünfhundert Ballen hergegeben. Sie wurden geschätzt und werden vergütet werden.«
»Und dann, wenn einige Kugeln einschlagen, wiegt sie um so schwerer«, tröstete ihn der Kapitän, der zeitweilig von seinen Depeschen das Männchen ansah.
Der Pflanzer hatte beide mit Ungeduld angehört. »Ersparen können? schätzen? erstatten? – Ich sage Euch, es ist ein Eingriff ins Eigentumsrecht, der schrecklich ist. Sollte er nicht meine Einwilligung abgewartet –«
»Und den Feind zugleich gebeten haben, zu warten, bis Mister Bowditch diese zu geben gesonnen wäre«, fiel der Kapitän etwas spöttisch ein.
»Ich werde es ihm schon weisen«, versicherte dieser. »Stellen Sie sich vor, dieser Quasipflanzer von Nashville da, der kaum hundertundfünfzig Ballen Uplandkotton mit all seiner Generalschaft zusammenbringt, will einem Mann wie mir die Türe weisen! Ich dränge mich hindurch mit meinen Kindern. Sie wollten die Befestigung des Lagers sehen. Drei Stunden hatten wir zu gehen, zwanzigmal waren wir in Gefahr, unter die Räder zu kommen, und als ich endlich vor dem Hauptquartier ankomme, läßt er mir sagen, er habe keine Zeit, sich mit meiner Angelegenheit zu befassen.«
»Es war sehr unartig, Tante, wir können Sie versichern«, meinten die drei Misses.
Unser Exemplar, einer jener Republikaner, deren im Norden und Süden eine so erkleckliche Anzahl ist, und die, wenn es darauf ankäme, lieber den Schah von Persien zu Washington sitzen sähen, als ein Prozent ihrer Aktien oder einen Ballen ihrer Baumwolle zu verlieren, war in eine mäßige Aufwallung geraten, so viel nämlich seine komfortable Leibesbeschaffenheit und eine Affäre von dreißigtausend Dollar zuließen. Das Teegeräte, das nun aufgetragen wurde, unterbrach einigermaßen seine gerechte Erbitterung, und er gewann ein ruhigeres Aussehen; als aber die Diener sich entfernt hatten, brach er wieder los.
»Stellen Sie sich nur vor, liebe Schwägerin, Sie wissen, unter dem letzten Landhause, wo er sein Hauptquartier aufgeschlagen hat, zweihundert Schritte darunter, da liegt meine Baumwolle und noch zehn- bis zwölftausend Ballen mehr. Und alle hat er sie zur Brustwehr verwendet. Sie läuft mannshoch vom Mississippi zu den Zypressensümpfen quer durchs Land, eine halbe Meile lang. Die ganze Baumwolle ist mit Erde überworfen, davor ein