theuren Schattenbild,
Ach, ich kann es nicht erreichen,
Und das Herz bleibt ungestillt.
Komm herab, du schöne Holde,
Und verlaß dein stolzes Schloß!
Blumen, die der Lenz geboren,
Streu' ich dir in deinen Schooß.
Horch, der Hain erschallt von Liedern,
Und die Quelle rieselt klar!
Raum ist in der kleinsten Hütte
Für ein glücklich liebend Paar.
Die Macht des Gesanges
Ein Regenstrom aus Felsenrissen,
Er kommt mit Donners Ungestüm,
Bergtrümmer folgen seinen Güssen,
Und Eichen stürzen unter ihm;
Erstaunt, mit wollustvollem Grausen,
Hört ihn der Wanderer und lauscht,
Er hört die Fluth vom Felsen brausen,
Doch weiß er nicht, woher sie rauscht:
So strömen des Gesanges Wellen
Hervor aus nie entdeckten Quellen.
Verbündet mit den furchtbarn Wesen,
Die still des Lebens Faden drehn,
Wer kann des Sängers Zauber lösen,
Wer seinen Tönen widerstehn?
Wie mit dem Stab des Götterboten
Beherrscht er das bewegte Herz:
Er taucht es in das Reich der Todten,
Er hebt es staunend himmelwärts
Und wiegt es zwischen Ernst und Spiele
Auf schwanker Leiter des Gefühle.
Wie wenn auf einmal in die Kreise
Der Freude, mit Gigantenschritt,
Geheimnißvoll, nach Geisterweise,
Ein ungeheures Schicksal tritt;
Da beugt sich jede Erdengröße
Dem Fremdling aus der andern Welt,
Des Jubels nichtiges Getöse
Verstummt, und jede Larve fällt,
Und vor der Wahrheit mächt'gem Siege
Verschwindet jedes Wort der Lüge.
So rafft von jeder eiteln Bürde,
Wenn des Gesanges Ruf erschallt,
Der Mensch sich auf zur Geisterwürde
Und tritt in heilige Gewalt;
Den hohen Göttern ist er eigen,
Ihm darf nichts Irdisches sich nahn,
Und jede andre Macht muß schweigen,
Und kein Verhängniß fällt ihn an;
Es schwinden jedes Kummers Falten,
So lang des Liedes Zauber walten.
Und wie nach hoffnungslosem Sehnen,
Nach langer Trennung bitterm Schmerz,
Ein Kind mit heißen Reuethränen
Sich stürzt an seiner Mutter Herz:
So führt zu seiner Jugend Hütten,
Zu seiner Unschuld reinem Glück,
Vom fernen Ausland fremder Sitten
Den Flüchtling der Gesang zurück,
In der Natur getreuen Armen
Von kalten Regeln zu erwarnen.
Jeremiade
Alles in Deutschland hat sich in Prosa und Versen verschlimmert,
Ach, und hinter uns liegt weit schon die goldene Zeit!
Philosophen verderben die Sprache, Poeten die Logik,
Und mit dem Menschenverstand kommt man durchs Leben nicht mehr.
Aus der Ästhetik, wohin sie gehört, verjagt man die Tugend,
Jagt sie, den lästigen Gast, in die Politik hinein.
Wohin wenden wir uns? Sind wir natürlich, so sind wir
Platt; und genieren wir uns, nennt man es abgeschmackt gar.
Schöne Naivetät der Stubenmädchen zu Leipzig,
Komm doch wieder, o komm, witzige Einfalt, zurück!
Komm, Komödie, wieder, du ehrbare Wochenvisite,
Siegmund, du süßer Amant, Mascarill, spaßhafter Knecht!
Trauerspiele voll Salz, voll epigrammatischer Nadeln,
Und du, Menuetschritt unsers geborgten Kothurns!
Philosoph'scher Roman, du Gliedermann, der so geduldig
Still hält, wenn die Natur gegen den Schneider sich wehrt.
Alte Prosa, komm wieder, die Alles so ehrlich heraussagt,
Was sie denkt und gedacht, auch, was der Leser sich denkt.
Alles in Deutschland hat sich in Prosa und Versen verschlimmert,
Ach, und hinter uns liegt weit schon die goldene Zeit!
Einem Freunde ins Stammbuch
Unerschöpflich an Reiz, an immer erneuerter Schönheit
Ist die Natur! Die Kunst ist unerschöpflich, wie sie.
Heil dir, würdiger Greis! für beide bewahrst du im Herzen
Reges Gefühl, und so ist ewige Jugend dein Loos.
Der Genius
Wiederholen zwar kann der Verstand, was da schon gewesen;
Was die Natur gebaut, bauet er wählend ihr nach.
Über Natur hinaus baut die Vernunft, doch nur in das Leere.
Du nur, Genius, mehrst in der Natur die Natur.
Das Spiel des Lebens
Wollt ihr in meinen Kasten sehn?
Des Lebens Spiel, die Welt im Kleinen,
Gleich soll sie eurem Aug' erscheinen;
Nur müßt ihr nicht zu nahe stehn,
Ihr müßt sie bei der Liebe Kerzen
Und nur bei Amors Fackel sehn.
Schaut her! Nie wird die Bühne leer:
Dort bringen sie das Kind getragen,
Der Knabe hüpft, der Jüngling stürmt einher,
Es kämpft der Mann, und Alles will er wagen.
Ein Jeglicher versucht sein Glück,
Doch schmal nur ist die Bahn zum Rennen;
Der Wagen rollt, die Achsen brennen,
Der Held dringt kühn voran, der Schwächling bleibt zurück,
Der Stolze fällt mit lächerlichem Falle,
Der Kluge überholt sie alle.
Die Frauen seht ihr an den Schranken stehn,
Mit holdem Blick, mit schönen Händen
Den Dank dem Sieger auszuspenden.
Das Lied von der Glocke
Vivos voco
Mortuos plango
Fulgura