gegen ihn sprechen nur von einer einzigen Mordtat, welcher er vergeblich, auch vor dem Richterstuhl seiner eigenen Vernunft, den Charakter der Notwehr und Selbstverteidigung aufzudrücken bemüht war.
Es war für den Kapitän ein glücklicher Morgen gewesen, Bei Maidenhead-Thicket war er in günstiger Stunde einem der berühmtesten Königsmörder, dem Obersten Harrison, begegnet und hatte ihm sechzig Pfund Sterling abgenommen. Aber der Oberst hatte sich nicht vom Schreck überwältigen lassen, sondern, sobald er losgekommen, die Polizei requiriert. James erfuhr es in einem der Häuser am Wege, wo er Freunde und Helfershelfer hatte, und setzte seinem Roß die Sporen in die Seite.
Die Furcht zeigte ihm überall Feinde. Er hörte einen Reiter in vollem Galopp hinter sich kommen. Es war der friedfertige Diener eines Reisenden, der keine andere Absicht hatte, als seinen Herrn einzuholen. Des Dieners Roß war frisch, das des Räubers abgemattet. Vergebens strengte sich der letztere an, jenem den Vorsprung abzugewinnen. Als er sah, daß es unmöglich würde, zog er die Pistole, und als der andere, in dem seine Furcht nichts als einen Diener der bewaffneten Gerechtigkeit vermutete, ihn eingeholt, feuerte er das Gewehr auf ihn ab und streckte ihn tot zu Boden. Dies war die einzige Bluttat in seiner ganzen langen Räuberlaufbahn und die, um welche er gerichtet wurde.
Auch den Verfolgungen des furchtbaren Oberst Harrison war James glücklich entkommen. Von jetzt ab verfolgte ihn aber sein Gewissen. Er wollte den Raub aufgeben und suchte eine andere, ehrenwertere Beschäftigung. Sie fand sich bald. Die Schotten standen für Karls I. Sohn auf, sie proklamierten ihn als König Karl II. und rückten mit großem Heereszuge in England ein. Unter den Freiwilligen, welche dem royalistischen Heere zuströmten, befand sich auch James. In einem ehrenvollen Kampfe wollte er die Schande, die seinen Namen befleckte, abwaschen. Er kämpfte mit in der Schlacht von Worcester, welche die Hoffnungen der Royalisten blutig vernichtete.
James Hind entkam durch die Flucht, aber er hatte nicht das Glück seines königlichen Herrn. Statt der Eiche von Woodstock fand er zwar in London im Hause des Barbier Dingie ein sicheres Asyl, aber ein Jugendfreund, dem er sich vertraute, verriet ihn.
Man mußte den gefürchteten James Hind schon für so wichtig und der Kategorie eines gewöhnlichen Räubers entwachsen halten, daß man ihn vor den Sprecher des Hauses der Gemeinen führte, um ihn nicht als Straßenränder, sondern als Hochverräter zu inquirieren. Unter großer militärischer Eskorte ward er darauf nach Newgate geführt und in Ketten gelegt.
Aber seine Verurteilung machte noch viel Verlegenheit. Vor die Schranken von Old-Bailey gestellt, konnte man ihm nur Taten beweisen, welche die Todesstrafe nicht nach sich ziehen. Und deshalb stellte man ihn vor die Assisen von Reading in Berkshire wegen des Mordes an jenem Diener, namens Georges Sympson. Indessen war inzwischen eine allgemeine Amnestie ergangen, welche die Strafe für alle Verbrechen, mit Ausnahme des Hochverrats, aufhob. James schöpfte wieder einige Hoffnung, doch vergebens.
Man konnte dem offenkundigen Straßenräuber nicht anders ans Leben gehen, als indem man die Klage auf Hochverrat abermals vornahm. Er hatte für seine politischen Gesinnungen die Genugtuung, daß er am 3. September 1652 als Hochverräter zum Tode verurteilt ward. In diesem Sinne war es ihm vergönnt, noch in seinen letzten Augenblicken eine Art heroischer Rolle zu spielen.
Am 24. September ward er auf einer Schleife zur Richtstatt gezogen. Hier erklärte er, daß er der Mehrzahl seiner Verbrechen sich mit Vergnügen erinnere, denn sie wären gegen Republikaner verübt worden, deren Grundsätze und Taten er auf gleiche Weise verabscheue. Er schloß seine Rede mit der Versicherung, daß nur etwas seine letzte Stunde verkümmere, nämlich, daß er den Tag nicht mehr erlebe, wo sein königlicher Herr auf den Thron seiner Väter zurückkehre, und daß nicht lieber die ganze Schar niederträchtiger Rebellen am Stricke hinge, welche den Galgen weit mehr verdient habe als er.
James Hind starb, sechsunddreißig Jahre alt. Nachdem er am Strange geendet hatte, ward sein Leichnam gevierteilt und sein Kopf auf ein Gitter der Brücke über der Severn gesteckt. Die Glieder seines Körpers wurden über die verschiedenen Stadttore von Worcester, wo die Hinrichtung erfolgte, gehängt. Hier blieben sie bis zur völligen Verwitterung; den Kopf beerdigte man schon in der Mitte der nächstfolgenden Nacht.
Anna Margaretha Zwanziger
1811
Im Baireuther Oberlande hielt sich im Jahre 1807 eine Witwe von mittleren Jahren auf, die sich vom Stricken ernährte. Sie war nicht ohne Bildung, und man sah es ihrem stillen Wesen an, daß sie viel in der Welt gesehen und erfahren hatte. Sie war gefällig und freundlich gegen jedermann, voll Demut und Gottesfurcht und galt für eine rechtschaffene Frau, die es sich sauer werden ließ, um ehrlich durchzukommen.
Man nannte sie die Schönleben, ihr Vorname war Nannette, ihr Vatersname Steinacker; sie war aus Nürnberg gebürtig, aber weit durch die Welt verschlagen worden und sah sich wieder nach einem dauernden Unterkommen um. Dies konnte ihr bei ihrem guten Rufe nicht fehlen, und binnen kurzer Zeit hatte sie Bekanntschaften und Empfehlungen in mehreren achtbaren Häusern, wo sie, fleißig und rechtschaffen, zur Zufriedenheit aller sich betrug und nur durch besonders unglückliche Veranlassungen gezwungen wurde, ihre Wanderung weiter fortzusetzen.
Der Justizamtmann Glaser zu Kasendorf, der von seiner Gattin getrennt lebte, nahm sie zuerst im März 1808 als Haushälterin in Dienst. Wenige Monate nachher versöhnte er sich indessen wieder mit seiner Frau; sie kam in sein Haus zurück, und die Dienste der Schönleben wurden überflüssig. Aber die gesunde, kräftige Frau erkrankte bald nach ihrer Rückkehr an heftigem Erbrechen und Durchfall und starb am 26. August, schon vier Wochen nach der Wiedervereinigung mit ihrem Gatten.
Die Schönleben trat nun mit guten Empfehlungen gleichfalls als Haushälterin im September in die Dienste des Justizamtmanns Grohmann zu Sanspareil. Grohmann war ein Junggeselle von achtunddreißig Jahren, von starkem, vollsaftigem Körperbau, aber doch ein kränkelnder Mann; er litt an der Gicht und mußte oft das Bett hüten. Die Schönleben zeigte sich als die sorgsamste Krankenpflegerin. Sie kam nicht von seinem Lager. Aber der Justizamtmann erkrankte im Frühjahr 1809 immer heftiger und mit Symptomen, die sich bis dahin nicht gezeigt hatten: heftigem Erbrechen, Schmerzen in den Gedärmen, wiederholtem Stuhlgang, einer äußerst trockenen Haut. Vom Schlunde bis zum After schien eine Entzündung sich zu erstrecken, und er litt am unauslöschlichem Durst. Er starb am 8. Mai.
Der Ruf der Schönleben war durch die treue Pflege des armen Kranken nicht wenig gestiegen. Sie hatte ihm stets selbst das Bett gemacht, ihm selbst die Arzneien gereicht und schien untröstlich über seinen Verlust. Dieser Ruf ihrer Menschenfreundlichkeit, Dienstgefälligkeit und Aufmerksamkeit als Krankenpflegerin verschaffte ihr bald ein neues drittes Unterkommen. Im Hause des Kammeramtmannes Gebhard erwartete die Frau ihre Niederkunft. Man war sehr froh, die Schönleben als Haushälterin und Wärterin am Wochenbette gewinnen zu können. Die Niederkunft war glücklich vonstatten gegangen, Mutter und Kind befanden sich wohl; aber am dritten Tage erkrankte die erstere: heftiges Erbrechen, große Unruhe, qualvolle innere Hitze, Entzündung des Schlundes. In der Nacht vorher rief sie in der Angst ihrer Schmerzen: »Um Gottes willen! Ihr habt mir Gift gegeben!« und starb tags darauf, an den Folgen des Wochenbettes, hieß es. Sie war aber immer von schwächlicher Leibesbeschaffenheit gewesen.
Der Witwer war froh, in der verwaisten Wirtschaft und für das arme Neugeborene in der Schönleben eine Person zu haben, welche die Hausfrauen-und Mutterstelle nun verwaltete. Zwar suchten mehrere Personen ihn bedenklich zu machen: die Schönleben sei doch ein Unglücksvogel; wohin sie komme, da bringe sie den Tod, wie erst jüngst an den drei Personen sich gezeigt habe. Aber damit war kein Verdacht gegen sie als etwaige Urheberin ausgesprochen, es war nur eine dunkle Ahnung, eine abergläubische Besorgnis, daß ihre Persönlichkeit kein Glück bringe. Der Witwer, ein vernünftiger Mann, ging nicht darauf ein; er bedürfe einer Haushälterin, glaubte sie erprüft zu haben und nahm sie förmlich als solche in seine Dienste.
So blieb sie mehrere Monate und stand dem ganzen Hauswesen vor. Auch während dieser Monate ereignete sich vieles, was, wenn irgend Verdacht vorhanden gewesen wäre, ihn hätte