Фридрих Шиллер

Friedrich Schiller: Literatur- und theatertheoretische Essays


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Schrecken täuschten? Nein Königin! Die Welt kann hundertmal, kann tausendmal um ihre Axe treiben, eh diese Gunst der Zufall wiederhohlt.

      Königin. Auch soll er das in Ewigkeit nicht wieder, Unglücklicher, was wollen sie von mir?

      Karlos. O Königin – daß ich gerungen habe, gerungen wie kein Sterblicher noch rang, ist Gott mein Zeuge – Königin, umsonst – Hin ist mein Heldenmut, ich unterliege.

      Königin. Nichts mehr davon – hinweg mit dieser Sprache – um meiner Ruhe willen, schweigen sie.

      Karlos. Nein! ich will reden. Mein gerechter Schmerz erleichtre sich in wütender Verwünschung. Sie waren mein. Im Angesicht der Welt mir zugesprochen von zwei großen Tronen, mir zuerkannt von Himmel und Natur, und Philipp, Philipp hat mir sie gestohlen. Gestohlen – O das ist das wahre Wort – laut will ichs ihm in beide Ohren rufen, laut durch die ganze weite Erde schrei’n, ein königlicher Dieb hat mich bestohlen.

      Königin. (sehr ernsthaft) Es ist ihr Vater.

      Karlos. Ihr Gemahl.

      Königin. Der ihnen das größte Reich der Welt zum Erbe gab.

      Karlos. Und sie zur Mutter!

      Königin. Großer Gott, sie rasen –

      Karlos. Und weiß er auch, wie reich er ist? Hat er auch warmes Blut, sich seines Raubs zu freu’n? Hat er ein Herz, das ihrige zu schäzen? Ich will nicht murren. Große Vorsehung, ich will es dir vergeben, will vergessen, wie unaussprechlich selig ich mit ihr geworden wäre – wenn nur er es ist, Er ists nicht – hör es große Vorsehung! so frevelhaft beschimpft er deine Gabe! er ist es nicht – Das, das ist Höllenquaal! er ist es nicht, und wird es niemals werden! Du nahmst mir meinen Himmel nur, um ihn in Philipps Armen zu vertilgen.

      Königin. Abscheulicher Gedanke!

      Karlos. O ich weiß, wer dieser Ehe Stifter war – ich weiß, wie Philipp lieben kann, und wie er freite. Unglückliche Prinzessin – nicht allein mein Schicksal, auch das ihrige bewein ich. Allmächtige Natur! ein solch Geschöpf, wie keines dir noch seit Jahrtausenden gelungen ist, wie in Jahrtausenden dir keines mehr gelingen wird, und jezt, jezt, jezt – erröthe für dich selbst, Natur! zum Unterpfand zerbrechlicher Verträge für einen Frieden schändlich hingeschlachtet – im Kabinet und bei verschloßnen Thüren, durch einen Klubb von Rathen und Prälaten zu seiner Ranggehülfin ausgewürfelt, auf Krämerart gefeilscht, und dann dem Käufer nach abgeschloßnem Handel ausgeliefert! So freien Könige!

      Königin. O Still davon!

      Karlos. Wer sind sie denn in diesem Reich? Laß hören. Regentin etwa? – Nimmermehr! wie könnten, wo sie Regentin sind, die Alba würgen? wie könnte Flandern für den Glauben bluten? Wie? Oder sind sie Philipps Frau? Unmöglich, ich kann’s nicht glauben. Eine Frau besizt des Mannes Herz, und hat er eins zu geben? Und bittet er nicht jede Schmeichelei, die ihm vielleicht im Fiebertraum entwischte dem Zepter ab, und seinem grauen Haar?

      Königin. Wer machte sie so stolz, diß zu behaupten? Wer sagte ihnen, daß in Philipps Armen mein Loos beweinenswürdig sei?

      Karlos. Mein Herz, das feurig fühlt, wie es in meinen Armen beneidenswürdig wäre.

      Königin. Eitler Mann! Wenn mein Herz nun das Gegentheil mir sagte? Wenn Philipps herzliche Gefälligkeit und seiner Liebe stumme Mienensprache weit inniger als seines stolzen Sohns verwegene Beredsamkeit mich rührte? Wenn diese eifersücht’ge Angst um mich, und dieser Geiz mit seines Weibes Liebe mir schmeichelte? Wenn mich die langsame und überlegte Achtung eines Greisen, wollüstiger als eines jungen Manns aufwallende Verehrung kizelte?

      Karlos. (unwillig und bitter) Das ist was anders. Freilich wohl! Vergebung! Ich wußt es nicht, bei Gott, ich wußt es nicht, daß sie den König lieben.

      Königin. Dieses stolze Gelächter kenn ich – Nein, ich lieb ihn nicht – doch unterlaß ich nie, es ihm zu heucheln, weil ihn die süße Täuschung glücklich macht.

      Karlos. (nachdem er etlichemal stillschweigend auf und niedergegangen) Sie haben nie geliebt?

      Königin. (steht betroffen) Seltsame Frage!

      Karlos. Sie haben nie geliebt?

      Königin. (nach einer Pause) Ich liebe nicht mehr.

      Karlos. (rascher.) Weil es ihr Eid? Weil es ihr Herz verbietet?

      Königin. (in sichtbarer Beunruhigung) Verlassen sie mich, Prinz, und kommen sie zu keiner solchen Unterredung wieder.

      Karlos. Weil es ihr Herz? Weil es ihr Eid verbietet?

      Königin. Weil meine Pflicht – ich bitte, gehen sie!

      Karlos. Weil ihre Pflicht?

      Königin. O Himmel schweigen sie, und fliehen sie, und fragen sie nicht weiter.

      Karlos. Weil ihre Pflicht mit ihrem Herzen streitet?

      Königin. (nach einer Pause, worinn sie ihn starr angesehen) Unglücklicher – wozu die traurige Zergliederung des schrecklichen Geschickes, dem sie und ich gehorchen müssen?

      Königin. Was wollen sie mit diesem sonderbaren und feierlichen Vorbericht?

      Karlos. Soviel, daß Karlos nicht gesonnen ist, zu mussen, wo er zu wollen hat – daß Karlos nicht gesonnen ist, der unglückseligste in seinem Reich zu bleiben, wenn es ihn nichts als den Umsturz der Geseze kostet, der glücklichste zu seyn.

      Königin. (faßt seine Rede mit Bestürzung auf) Wie? Was ist das? Versteh ich sie? – – Sie wollten also? – Wie? sie hoften noch?

      Karlos. (fest) Ich hoffe.

      Königin. Rasender! Wo alles alles schon verloren ist?

      Karlos. Ich gebe nichts verloren als die Todten.

      Königin. Auf mich? auf ihre Mutter hoffen sie?

      Karlos. Auf meines Vaters Frau.

      Königin. Was hör ich? – Gott! Auf ihres Vaters Leichnam, auf den Trümmern des Allerheiligsten gedenken sie in meinen Arm zu eilen – eine That, wovor die Sonne schaamroth sich verkriechen, worüber Menschen, Schöpfer und Natur in allgemeinem Sturme schaudern würden?

      Karlos. Nur die Natur.

      Königin. Und alle göttlichen und himmlischen Geseze.

      Karlos. Nein, sag ich. In meines Vaters Diebstahl mischte sich der Himmel nicht – ein so allmächtig Band, als uns vereinigte, zerriß