geschrieben, Sie haben meinen Traum beschrieben.
Ich möchte eine Geschichte so schreiben, dass jeder seinen eigenen Traum versteht und wiedererkennt.
Wie alt muss man sein, um eine Geschichte zu schreiben?
Aber ohne Sie kann ich sie nicht schreiben.
Jeder Tag ist ein Tag des Wartens.
Sie haben gesagt, Sie sind so müde.
Sie arbeiten, und es gibt zu viele Menschen.
Aber ich will der Mensch sein, der Sie tröstet und Ihre Einsamkeit beschützt.
Das hier ist ein trauriges Haiku von einem, der zu lange auf seine Liebste wartete.
Sie sehen, was das für ein Ende nahm!
Aber es ist nicht sehr gut übersetzt.
Ist mein Englisch nicht besser geworden?
Für ewig Tamiko
Geliebte Jansson san, danke!
Ja, so ist es, man braucht nicht alt genug zu werden,
man fängt einfach an, eine Geschichte zu schreiben,
weil man muss, über das, was man weiß und kennt, oder
auch über das, wonach man sich sehnt,
über den eigenen Traum, das Unbekannte.
Oh geliebte Jansson san. Dass man sich nicht darum
kümmern soll, was die anderen meinen und verstehen.
Während man erzählt, hat es nämlich nur mit der Erzählung
und einem selbst zu tun. Dann ist man auf die richtige
Art einsam.
Jetzt gerade weiß ich alles darüber, wie es ist, eine Person
zu lieben, die weit weg ist, und ich werde schnell
darüber schreiben, bevor sie sich nähert.
Ich schicke wieder ein Haiku, es handelt von einem
kleinen Bach, der im Frühling so fröhlich wird, dass alle
zuhören und Lust bekommen. Ich habe keine Zeit,
es zu übersetzen.
Hör mir zu, Jansson san, und schreibe mir, wann ich
kommen soll. Ich habe Geld gesammelt und ich glaube,
ich kriege ein Reisestipendium. Welcher Monat ist der beste
und schönste für unsere Begegnung?
Tamiko
Dear Jansson san
Vielen Dank für Ihren sehr klugen Brief.
Ich verstehe, dass der Wald in Finnland groß ist, und das Meer ist auch groß, aber Ihr Haus ist sehr klein.
Es ist ein schöner Gedanke, dass man einem Schriftsteller nur in seinen Büchern begegnen sollte.
Ich lerne immerzu etwas.
Ich wünsche Ihnen gute Gesundheit und ein langes Leben.
Ihre Tamiko Atsumi
Meine Jansson san
Es hat den ganzen Tag geschneit.
Ich werde über den Schnee schreiben können.
Heute ist meine Mutter gestorben.
Wenn man in Japan die Älteste in einer Familie geworden ist, kann man nicht fortreisen, und das will man auch nicht.
Ich hoffe, Sie verstehen mich.
Ich danke Ihnen.
Das Gedicht ist von Lang Shih Yian, der einst ein großer Dichter in China war.
Es wurde von Hwang Tsu-Yii und Alf Henriksson in Ihre Sprache übersetzt.
»Der Wildgänse Schreie sind schrill,
hergetragen von dumpfen Winden.
Viel Schnee bringt der Morgen und
das Wetter ist wolkig und kalt.
Nichts in meiner Armut habe ich,
dir zum Abschied zu schenken
als die blauen Berge, die dir überall folgen.«
Tamiko
DER ACHTZIGSTE GEBURTSTAG
I
Als wir ankamen und Jonne die großen Limousinen vor Großmutters Treppe sah, sagte er sofort, dunkler Anzug wäre angebracht gewesen.
»Stell dich nicht an, Schatz«, sagte ich. »Bleib ganz ruhig. Großmutter ist nicht so. Die Leute, die hierherkommen, die haben Samthosen an und was weiß ich nicht alles, Bohemiens gefallen ihr.«
»Das ist es ja gerade«, sagte Jonne, »ich bin kein Bohemien, ich bin ganz normal, ich habe kein Recht, an einem Achtzigsten Samthosen zu tragen. Und ich treffe deine Großmutter heute zum ersten Mal.«
Ich sagte: »Wir packen es aus, bevor wir reingehen, das ist höflicher. Großmutter packt nur an Weihnachten gern selbst Pakete aus.«
Das mit dem Geschenk war nicht ganz einfach gewesen. Großmutter hatte angerufen und gesagt: »Kindchen, du bringst doch hoffentlich deinen Jüngling mit, damit ich ihn mir anschauen kann, aber besorg jetzt bitte kein unnötiges teures Geschenk. Mittlerweile habe ich das meiste und außerdem einen besseren Geschmack als die Mehrzahl meiner Nachfahren. Und wenn ich sterbe, möchte ich kein allzu großes Chaos hinterlassen. Überlegt euch nur etwas ganz Schlichtes, Liebevolles. Und versucht ja nicht, etwas zu finden, das mit Kunst zu tun hat, denn das schafft ihr nicht.«
Wir überlegten hin und her. Großmutter hält sich für den Gipfel an unkomplizierter Toleranz, dabei belastet sie die Verwandtschaft in Wirklichkeit mit anspruchslosen Wünschen, die bei allem Freisinn recht lästig werden können. Eine stilvolle Schale aus dickem Glas zum Beispiel, das wäre so einfach gewesen, aber nein, da ist man dann bürgerlich und kein bisschen liebevoll. Natürlich habe ich Jonne so einiges über Großmutter und ihre Malerei erzählt, und Jonne ist beeindruckt. Zu Hause haben wir eine ihrer frühen Skizzen, aus San Gimignano, wo Großmutter auf ihrer ersten Stipendienreise landete, also bevor sie durch die Bäume, die sie malt, berühmt wurde. Sie sprach oft von San Gimignano. Und ich wollte immer wieder von Neuem hören, wie glücklich sie in diesem italienischen Städtchen mit all den viele Türmen gewesen war, wie sie sich stark und befreit gefühlt hatte, als sie bei Sonnenaufgang aufwachte, um zu arbeiten, eine Signorina hatte ihren Gemüsekarren durch die Stadt gerollt und Großmutter hatte das Fenster geöffnet und auf das, was sie haben wollte, gedeutet, und sie verstanden sich sofort und lachten, und es war warm und alles war schrecklich billig, und dann ging Großmutter mit ihrer Staffelei hinaus … Jonne gefällt diese Geschichte auch. Und neulich, da ist was Unglaubliches passiert: Jonne ist losgezogen und hat auf eigene Faust in einem Gemischtwarenladen ein Bild aus San Gimignano entdeckt. Und damit hatten wir Großmutters Geschenk. Im Laden sagten sie, es sei eine Lithografie vom Anfang des neunzehnten Jahrhunderts. Wir fanden das Bild nicht besonders gut, aber immerhin.
»Jonne«, sagte ich, »jetzt gehen wir rein. Sei ganz natürlich, das gefällt ihr.«
In der Türöffnung zu Großmutters Atelier stand eine lange Reihe Gratulanten, ein paar kleine Kusinen flitzten raus und rein und nahmen die Mäntel ab, nach und nach wurden wir in den großen luftigen Raum geschleust, der von Großmutters Trabanten prachtvoll geschmückt und hergerichtet worden war. Ich peilte Großmutter an, steuerte in ihre Richtung und drückte Jonnes Arm kurz fest an mich, um ihn zu beruhigen. Gedämpfte Hintergrundmusik war zu hören, nichts Klassisches, vermutlich etwas, dessen erlesene Auswahl Großmutters geheime Signatur trug.
Wir gingen auf sie zu. Sie hatte sich