Russell Blake

DAS GOLD DER INKA (Drake Ramsey)


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tun sollen. Aber jetzt ist es zu spät.«

      »Da würde ich nicht drauf wetten.«

      »Schau mal, ich sage ja gar nicht, dass ich mich blind in den Dschungel stürzen will. Ich sage, dass ich darüber nachdenke. Ich habe im Moment etwas Geld und viel Zeit. Das sind nicht die schlechtesten Voraussetzungen.«

      »Aber dir fehlen die Überlebenstechniken, um auch nur eine Woche dort durchzuhalten!«

      »Kann sein. Aber vielleicht unterschätzt du mich auch. Ich lerne schnell.« Drake stand auf und nahm sich die Fotos und das Messer. »Ich wollte nur mal sehen, wie du reagierst. Offensichtlich bist du nicht begeistert.«

      »Wo ist das Notizbuch?«, fragte Jack.

      »An einem sicheren Ort.«

      »Vielleicht ist der nicht sicher genug.« Jack schlürfte lautstark an seinem Kaffee und studierte die Flecken auf dem Teppich. Offensichtlich überlegte er, was er sagen wollte. »Ich habe heute Morgen schon herumtelefoniert. Bei meinen Kumpels aus dem Informationsgeschäft. Du warst also nicht der Einzige, der sich Gedanken gemacht hat. Ich konnte auch nicht schlafen und bin gegen eins wieder aufgestanden, habe mich an den Computer gesetzt, und mir die Umstände von Patricias Tod angeschaut. Der Unfall … kommt mir verdächtig vor. Sie soll mit etwa fünfundneunzig Sachen von der Straße geflogen sein. Die Frau hatte einen Blumenladen und fuhr einen uralten Buick. Da veranstaltet man doch keine Straßenrennen mitten in der Nacht!«

      »Worauf willst du hinaus?«

      »Dass die Sache stinkt! Ich hatte ein ganz mieses Gefühl im Bauch, deswegen habe ich meine Bekannten angerufen. Der eine arbeitet in so einer Behörde mit drei Buchstaben und wird jetzt etwas für mich herausfinden.«

      »Was?«

      »Ob diese zwei Russen noch leben!«

      »Und?«

      »Ich warte auf den Rückruf.«

      »Das ist alles? Du wartest auf einen Anruf?«

      »Was ist denn los mit dir? Ja, verdammt, das ist alles! Aber wenn sie noch leben und sich irgendwo anders aufhalten als mitten in Sibirien, dann hast du ein echtes Problem. Oder besser gesagt, wir haben eins. Du hast mich gefunden, also können die das auch.«

      »Du denkst doch nicht etwa …«

      »Ich denke nicht, ich plane. Ich bereite mich vor. Weil eines sicher ist: Bei diesem Unfall stimmt vorne und hinten nichts. Das ist für mich der Kanarienvogel in ’ner Kohlenmine. Ich könnte das jetzt ignorieren und mich überraschen lassen, aber solche Überraschungen mag ich nicht. Die Alternative ist, meine Fühler auszustrecken und zu schauen, was ich herausfinden kann. Und das habe ich gemacht. Jetzt warte ich. Ein kluger Mann macht kleine, aber überlegte Schritte, und wartet dann die Wirkung ab.«

      »Es weiß doch niemand, dass ich die Notizen habe.«

      »Wer hat es dir denn gegeben? Wie hast du sie erhalten?«

      »Es war ein Anwalt in Seattle.«

      »Dann weiß er es. Und jeder andere, mit dem er darüber gesprochen hat.«

      »Nein, er weiß nur, dass ich ein Paket bekommen habe, mehr nicht.« Drake hielt inne. »Obwohl … du hast recht. Er hat gesehen, wie ich darin gelesen habe, also weiß er zumindest, dass ich ein Buch von Patricia bekommen habe.«

      »Hör zu, vielleicht mache ich mir auch umsonst Sorgen. Vielleicht hatte Patricia ja beschlossen, dass das Leben nicht mehr lebenswert war, und hat einfach Schluss gemacht. Vielleicht war sie auch betrunken oder high, oder hat sich auf eine sehr ungesunde Art Nervenkitzel verschaffen wollen. Aber das passt alles nicht zu der Patricia, die ich kannte. Die Frau war konservativ, zurückhaltend und klug. In der Todesanzeige stand, dass sie einen Blumenladen besaß. Das sagt doch schon alles. Oder klingt das für dich wie jemand, der mit Vollgas in eine enge Kurve brettert?«

      »Nicht wirklich.«

      Jacks Stimme wurde noch ernster. »Wer weiß, dass du mich besuchen wolltest?«

      »Keiner.«

      »Keiner weiß, dass du in Texas bist? Ganz sicher?«

      Drake starrte die Decke an, ein ungutes Gefühl breitete sich in ihm aus. »Scheiße, mein Boss. Dem habe ich gesagt, dass ich nach Austin fliege.«

      »Dann haben wir schon zwei Menschen, die dich verraten könnten. Den Anwalt und deinen Chef. Was hast du mir noch vorenthalten?«

      »Jetzt wirst du aber paranoid!«

      Jack ignorierte seinen Kommentar. »Wie heißt der Anwalt?«

      »Lynch. Michael Lynch, in Seattle. Wieso?«

      »Hast du seine Nummer?«

      »Klar, die ist im Telefon gespeichert.« Drake zog sein Handy aus der Tasche und ging die Kontakte durch, bis er Lynch gefunden hatte. Er gab Jack die Telefonnummer und Adresse.

      Jack grunzte: »Beweg dich nicht von der Stelle, ich forsche mal nach. Willst du noch Kaffee?«

      »Klar. Aber was meinst du mit forschen?«

      »Ich habe da so eine Vermutung. Wenn ich hinter dem Notizbuch her wäre, würde ich mich zuerst um denjenigen kümmern, der Patricias Nachlass verwaltet hat.«

      »Aber wie sollten sie das herausfinden?«

      »Was würdest du machen, um einen Flüchtigen aufzuspüren?«

      Drake blinzelte. »Ich würde mit dem Vermieter reden. Schauen, ob es einen Nachsendeantrag gibt. Ob jemand einen Totenschein angefordert hat.«

      Jack nickte zustimmend. »Hm, vielleicht hast du ja wirklich eine Chance. Schau mal, ich sage ja gar nicht, dass jemand hinter dir her ist. Aber es kann nicht schaden, vorsichtig zu sein. Das habe ich deinem Vater auch hundertmal gesagt. Und jetzt sage ich es dir: Erwarte immer das Unerwartete! Das ist wie beim Schach. Pure Strategie. Du musst vorhersagen, was dein Gegner als Nächstes macht, und dich dann darauf vorbereiten. Du musst deine Möglichkeiten abwägen. Immer zwei Schritte im Voraus denken, damit du seine Vorhaben vereiteln kannst. Und sobald du deinen Gegner verstanden hast, musst du sofort das Ruder an dich reißen und handeln. Sonst reagierst du nur, was bedeutet, dass er Tempo und Richtung kontrolliert.«

      »Erinnere mich bitte daran, niemals mit dir Schach zu spielen.«

      »Ich bin die Geringste deiner Sorgen, wenn diese beiden hinter dir her sind … oder noch schlimmer, wenn sie es jemand erzählt haben, und jetzt ein neuer Gegner auf dem Spielfeld steht.«

      »Inwiefern wäre das schlimmer?«

      »Weil ich die beiden Russen wenigstens schon kenne. Wenn man zu Anfang weiß, mit wem man es zu tun hat, ist man im Vorteil. Aber wie dem auch sei, ich bin gleich wieder da. Vielleicht rufst du mal deinen Boss an und fragst, ob sich jemand nach dir erkundigt hat – verdächtige Anrufe, irgendwie so was. Sag ihm, dass er sich melden soll, wenn etwas Komisches passiert.«

      »Etwas Komisches?«

      »Genau.«

      Jack stapfte in Richtung seines Zimmers, während Drake in die Küche ging. Allie starrte ihn ausdruckslos an, als er seine Tasse auf die Spüle stellte.

      »Ich habe ein wenig von eurem Gespräch mitgehört. Willst du dich wirklich auf die Suche nach dem Schatz begeben?«

      »Es gibt einen großen Unterschied zwischen wollen und machen.«

      Ihre blau strahlenden Augen schienen Löcher in seine Haut zu brennen. »Es klingt doch einfach fantastisch. Wirklich cool. Ich meine, für mich wäre das einfach der absolute Traum! Dafür habe ich verdammt noch mal studiert!«

      »Anscheinend hält dein Vater es für keine gute Idee.«

      »Lässt du immer andere Menschen deine Entscheidungen für dich treffen?«, fragte sie.

      Er musterte sie. »Du meinst also, ich sollte es machen?«

      Sie lächelte