Andree Richard

Abessinien, das Alpenland unter den Tropen und seine Grenzländer


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u. s. w.) und andere Kameeldornbäume von großer Wichtigkeit, da in ihrem Schatten sich Menschen und Vieh sammeln können. Einige liefern Gummi arabicum und die dornigen Zweige dienen den Kameelen als Futter.

      Eine sehr eigenthümliche Erscheinung in der Kolaregion ist die papierrindige Boswellia (B. papyrifera). Sie ist ein stattlicher Baum mit großen ahornartigen Blättern und kleinen rothen Blütenbüscheln. Unmittelbar nach der Regenzeit zeigt der Stamm eine blaßgrüne glatte Rinde, die in der Trockenheit bald springt und sich in großen papierdünnen Blättern ablöst. Wo ein Einschnitt gemacht wird, entquillt in reichlicher Menge ein klebriger Milchsaft, der bald an der Luft erhärtet und klare Bernsteinfarbe annimmt.

      Neben den genannten Pflanzen sind noch die Gattungen Zizyphus, Balanites, Dahlbergia, Sterculia, Salvadora, das stachelige Pterolobium und die langfrüchtige Baum-Cassia in der Kola vorzugsweise vertreten. Der graublätterige Uscher (Calotropis procera) überrascht durch seine ballonartigen, mit atlasglänzender Wolle gefüllten Früchte.

      Mehrere Euphorbia-Arten kommen in außerordentlicher Größe vor. Unter denselben zeichnet sich als Charakterpflanze die schöne, armleuchterartige, oft bis vierzig Fuß hohe Kronleuchter-Euphorbie (E. abessinica), der Kolqual, besonders aus. Er gleicht einem Cactus, der zum Baum geworden ist, aber seine Regelmäßigkeit, sein eigenthümliches Wesen, die Fülle seiner Blätter, die gleichartige Verzweigung derselben beibehalten hat.

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Baobab mit Schlingpflanzen, im Vordergrunde Agaseen-Antilopen

      Baobab mit Schlingpflanzen, im Vordergrunde Agaseen-Antilopen. Zeichnung von Robert Kretschmer.

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Landschaft mit Kronleuchter-Euphorbien und Mimosen

      Landschaft mit Kronleuchter-Euphorbien und Mimosen. Zeichnung von Robert Kretschmer.

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      Licht hebt er sich ab von dem dunklen Gelände und verleiht der Landschaft einen wunderbaren Schmuck. An dem Milchsafte dieser Pflanze ist schon mancher erblindet, während er andererseits als Arznei gegen Hautkrankheiten u. s. w. gebraucht wird. Das Holz des Kolqual wird zum Hausbau benutzt, um Querbalken zu belegen; aus der Kohle desselben fabrizirt man Schießpulver. Der Kolqual erreicht seine größte Verbreitung zwischen 4500 und 5000 Fuß Meereshöhe, allein er kommt selbst bis 11,000 Fuß Höhe vor. In den tiefer liegenden Gegenden ist die Sykomore sein Begleiter, der ihn aber bald verläßt. Diese Feigenart, welche von den Abessiniern Worka, die Goldene, genannt wird, steht bei den heidnischen Gallas in großer Verehrung. Oft hainartig gruppirt ragen die Sykomoren mit mächtigem Laubdach über ihre Umgebung hervor. Rüppell sah ein Exemplar, dessen Stamm einen Durchmesser von dreizehn Fuß hatte. Andere Exemplare von vielleicht tausendjährigem Alter und einer Größe, daß eine ganze Reisegesellschaft mit Thieren, Zelten und Gepäck in ihrem Schatten bequem ruhen können, sind gerade keine Seltenheit. Neben ihnen sieht man Sykomoren, die, eine ganze Welt für sich bildend, so von Schmarotzerpflanzen überdeckt sind, daß man nur Wände von diesen, selten aber ein Stückchen Stamm erblicken kann; so wandeln die Schlinger die von ihnen in Besitz genommenen Bäume in Lauben um, welche der Kunst jedes Gärtners zu spotten scheinen.

      Die Botaniker haben gezeigt, daß kryptogamische Pflanzen in vielen ihrer Unterabtheilungen über die ganze Erde mit denselben Arten vertreten sind. Unter gleichen Umständen bedeckt dieselbe Flechte die Felsen in Europa wie in Abessinien, und derselbe Schwamm ist dort wie hier auf den Baumrinden zu entdecken. Auch in den heißeren, tiefer gelegenen Gegenden wundert man sich, daß selbst die ödesten, ärmsten Stellen des Gebirges begrünt und belebt sind; man begreift kaum, wie in dieser Sonnenglut, ungeachtet der Regen, eine ziemlich reichhaltige Flechtenwelt sich auf den Gesteinen festsetzen kann. Jede parasitische Pflanze wird von den Abessiniern mit einer Art von Mißtrauen betrachtet, namentlich die Gefäß-Kryptogamen, welche den Zauberern ihre hauptsächlichen Wundermittel liefern. Doch Pilze und Boviste werden für giftig angesehen und gemieden. Wo das Klima sehr feucht ist, erscheint der Schimmel, bekanntlich auch eine kryptogamische Pflanze, als eine wahre Landplage, die große Zerstörungen unter den Vorräthen anrichtet. Der Feuerschwamm, die phantastisch gleich Gewinden von den Bäumen herabhängende Bartflechte (Parmelia) sind in Abessinien häufig; selten dagegen die Moose. Unter den Farrnkräutern finden wir allerdings keine baumartigen, aber viele Gattungen, wie Aspidium, Polypodium, Asplenium, Adiantum, Scolopendrium, Ophioglossum und Pteris, die auch in Deutschland ihre Vertreter haben.

      Die Woina-Deka oder vermittelnde Region, die von 5500 bis 7500 Fuß hinaufreicht, führt ihren Namen nach dem Weinstock. In ihr gedeihen die hauptsächlichsten Kulturpflanzen, die in einem besondern Abschnitte besprochen werden sollen. Die Weinrebe anlangend, so fand Rüppell noch 1832 eine große Menge Trauben zu äußerst billigen Preisen auf dem Markte bei der Kirche von [pg 57]Bada, südlich von der Hauptstadt Gondar. Man erhielt etwa zehn Pfund derselben für ein Stück Salz oder dritthalb Centner für einen Maria-Theresia-Thaler. Die großbeerigen, blauen und sehr süßen Trauben (Woin saf) wurden in den Distrikten Wochni und Wascha schon seit uralten Zeiten gezogen. Vermuthlich kam nämlich der Weinstock schon zur Zeit der axumitischen Könige aus Arabien nach Abessinien, wo ihm allerdings keine besondere Kultur zu Theil wurde. Von einer Veredelung und besondern Pflege der Pflanze beim Anbau weiß man nichts. Der größte Theil der Trauben wird frisch gegessen, und nur wenig verwendet man zur Gewinnung eines Weins, welcher feurig und kräftig ist. Durch Heuglin wissen wir, daß im Beginn der fünfziger Jahre diese Weinstöcke durch eine Traubenkrankheit alle zu Grunde gegangen sind.

      Somit kann der Weinstock, obgleich er den Namen für diese Region hergab, keineswegs als Charakterpflanze für die Woina-Deka gelten. Statt seiner übernimmt diese Rolle eine Menge anderer Gewächse, die an Zahl, Ueppigkeit und Reichthum der Entfaltung selbst jene der Kola übertreffen. Dahin gehört zunächst der Wanzabaum (Cordia abessinica), der das beliebteste Bauholz liefert. Der Wanza wird ein großer, starker Baum, dessen Stamm oft vier Fuß im Durchmesser erreicht. Seine Früchte stehen in Büscheln und nehmen zur Zeit der Reife eine hochgelbe durchsichtige Farbe an. Der Geschmack derselben ist sehr süß und oft sind sie die einzige Nahrung der Armen, wenn Hungersnoth eintritt.

      Der Kuaraf (Gunnera spec.), eine Artocarpee, gewinnt während der Fastenzeit an Bedeutung, weil dann die geschälten Blattrippen, die ähnlich unserm Sauerampher schmecken, gegessen werden. Er wächst in Sümpfen und an Bächen, ist eine jährige Pflanze, die aus einer perennirenden Wurzel entspringt und einen laublosen Stengel mit einem Büschel kleiner Blüten trägt. Auch die häufig bis zu fünf Fuß hoch werdende Nessel wird in der Fastenzeit als Gemüse verspeist. An diese Pflanzen schließen sich an die reich vertretenen Polygonum-Arten, ein Ampher (Rumex arifolius), dessen fleischige Wurzel zum Rothfärben der Butter benutzt wird. Als eine Nutzpflanze dieser Region muß hier ein uns allen bekanntes Gewächs besonders hervorgehoben werden.

      Nach der Tradition sollen die südabessinischen Landschaften Enarea und Kaffa die Urheimat des Kaffees sein, wie denn auch der Name desselben mit dem letztgenannten Distrikte sicher in Zusammenhang steht. In Schoa war der Anbau und Genuß des Kaffees untersagt, weil er das Lieblingsgetränk der Muhamedaner ist, und auch in Amhara trinken die Christen denselben in der Regel nicht, wenn er auch bei Korata (Kiratza) am Tanasee gebaut wird und dort auf basaltischem Boden und gewissermaßen ohne Pflege gedeiht. Allein dort ist er fast nur Handelswaare. In Kaffa und Enarea dagegen wächst er wie Unkraut weit und breit im Lande, dessen Bewohner ihn als Lieblingsgetränk betrachten und fast nur einen nominellen Preis für ihn zahlen; nur dem Mangel an Verbindungswegen ist es zuzuschreiben, daß er von dort aus nicht ganz Europa überschwemmt und alle übrigen Sorten dort durch Güte und Billigkeit [pg 58]vom Markte verdrängt. Der kurz vor der Regenzeit gepflanzte Samen erscheint bald als Setzling über der Erde, wird verpflanzt, bewässert und mit Schafmist gedüngt, um nach sechs Jahren als erwachsenes Bäumchen während der Monate März und April dreißig bis vierzig Pfund Kaffee zu liefern. Namentlich auf zersetztem vulkanischen Gestein, in geschützten Thallagen gedeiht der acht bis zehn Fuß hohe, mit dunkelglänzendem Laube und fruchtbeladenen Zweigen versehene Baum vortrefflich. Die dunkelgrünen Beeren werden zur Reifezeit roth und umschließen mit milchweißem Fleische die Samen.