Andree Richard

Abessinien, das Alpenland unter den Tropen und seine Grenzländer


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bevor noch in Deutschland der heilige Bonifacius (725) dem Evangelium Eingang verschaffte, durch einen Zufall an die äthiopische Küste verpflanzt wurde. Ein christlicher Kaufmann, Meropius mit Namen, machte nämlich mit seinen beiden Gehülfen Frumentius und Aedisius im Jahre 330 eine Geschäftsreise längs den Küsten des Rothen Meeres, landete in der Gegend des heutigen Massaua und wurde hier nebst einem Theile seiner Schiffsmannschaft von den wilden Eingeborenen erschlagen. Nur den beiden Jünglingen schenkte die wüthende Bande das Leben. Man brachte sie an den königlichen Hof, [pg 7]wo sie gute Aufnahme fanden und bald vom Könige Sara-Din mit wichtigen Aemtern betraut wurden. Auf ihre Veranlassung kamen noch mehrere christliche Kaufleute nach Abessinien, die nun eine kleine Gemeinde bildeten und auch mehrere Einheimische bekehrten. Die beiden Jünglinge reisten dann später in ihr Vaterland zurück, zur Zeit als Athanasius Erzbischof von Alexandria war. Aedisius wurde Priester in Tyrus; Frumentius aber wandte sich mit der dringenden Bitte an den Erzbischof, der kleinen christlichen Gemeinde in Abessinien einen Hirten zu senden, damit sie nicht verwaise. Athanasius wußte hierzu aber keinen bessern zu finden, als den Bittsteller, gab dem ehemaligen Handlungsgehülfen die Weihe und sandte ihn nach Abessinien zurück. Hier angelangt führte er den Namen Abba Salama, Vater des Friedens, übersetzte das Neue Testament in die äthiopische Sprache und breitete das Christenthum weit über das Land aus, wenn auch noch ein großer Theil des Volkes bei der altheidnischen Religion verharrte. Die fernere Geschichte Abessiniens ist sehr dunkel und nur durch lange Reihen von Königsnamen ausgefüllt, an welche sich nur hier und da einzelne historische Thatsachen knüpfen.

      Aus diesen entnehmen wir, daß zur Zeit des griechischen Kaisers Justinian (um 522) eine heftige Christenverfolgung durch die Juden im südlichen Arabien stattfand. Justinian wandte sich deshalb an den abessinischen König Kaleb; dieser eilte mit einer Armee über das Rothe Meer, schlug die Juden und unterwarf sich den größeren Theil des südlichen Arabiens, in dessen Besitz die Abessinier auch blieben, bis sie kurz vor Muhamed’s Auftreten durch die Blattern, die in ihrem Heere stark wütheten, gezwungen wurden, sich wieder in ihr Land zurückzuziehen. Im übrigen ist aus der langen Periode des äthiopischen Reiches bis ins 8. Jahrhundert nicht viel Erwähnenswerthes überliefert; das Volk vergeudete seine Kräfte in unfruchtbaren Religionsstreitigkeiten und kam mit seinen Nachbarn nicht aus dem Kriegszustande heraus.

      Unterdessen trat, den ganzen Orient erschütternd, Muhamed mit seiner Lehre auf. Allein der Islam fand in Abessinien wenig Eingang, jedoch wurde das damals noch blühende Reich Adal für diese neue Lehre gewonnen, und dieses gab den zwischen beiden Ländern bestehenden Streitigkeiten bedeutende Nahrung, indem zu den politischen nun noch religiöse Kämpfe sich gesellten, welche das Land mit Blut überschwemmten. Doch bevor noch diese muhamedanischen Invasionen erfolgten, hatte Abessinien eine gewaltige Revolution durchzukämpfen und es war fraglich, ob die Juden oder die Christen die Oberhand erhalten sollten. Die ersteren erhoben sich nämlich unter dem Namen der Falaschas zu einer furchtbaren Macht. Durch Heirathsverbindung zwischen der Familie ihrer Häuptlinge und der abessinischen Königsfamilie brachten sie den Königsthron an sich und suchten nun die salomonische Linie ganz auszurotten. Es sind jetzt etwa 1000 Jahre darüber hingegangen, daß der letzte salomonische König, Delnaod, vom Throne seiner Väter gestoßen wurde, und zwar durch eine Jüdin aus Lasta Agau, welche die ganze königliche Familie, einen Knaben ausgenommen, der nach Schoa flüchtete, ermorden ließ. Sie hieß Judith, wie zu [pg 8]vermuthen steht, ein selbstbeigelegter Name mit dem beabsichtigten Hinweis auf die alttestamentliche Heldin. Drei Jahrhunderte später wurde die Judendynastie wieder durch einen christlichen Herrscher aus dem Hause Sagué vertrieben, dessen Nachkommen bis zum Jahre 1268 regierten, also zur selben Zeit, als in Deutschland die Hohenstaufen kraftvoll das Scepter führten. Elf Könige soll das Haus Sagué (Zagyé) den Abessiniern geliefert haben, die für das Christenthum eifrig wirkten, unter denen der später heilig gesprochene Lalibela durch die vielen kunstvoll in Felsen ausgehauenen Kirchen, die ägyptische Werkmeister aufführten, berühmt geworden ist.

      Die meisten dieser Felsenkirchen sind zur Zeit der muhamedanischen Invasion im 16. Jahrhundert zerstört worden, doch haben sich einzelne derselben bis auf unsere Tage erhalten. Der englische Reisende Pearce schildert uns die Felsenkirche Dschumada Mariam nördlich von den Quellen des Takazzié, sein Landsmann Salt jene von Abba os Guma bei Schelicut, v. Heuglin die Felsenkirche von Tenta in Wollo. Die seltsamste dürfte aber wol jene sein, welche der Missionär Isenberg im Jahre 1838 bei dem Dorfe Hauazién in der Provinz Tembién besuchte, als er gerade im Begriff war, das Land nach dem Scheitern seines Missionswerkes zu verlassen. „Obgleich ich aus leicht erklärlichen Gründen nicht aufgelegt war, die Kirche dieses Ortes zu untersuchen, so konnte ich doch nicht umhin, ihre äußere Form anzustaunen. Sie scheint aus einem einzigen Granitblock zu bestehen, der zu dem Zwecke ausgehöhlt ist, kann aber, nach dem äußern Umfange des Steins zu urtheilen, nur sehr wenig Raum im Innern haben. Auch die äußere Form des Steines ist sehr auffallend. Er ist kaum 20 Fuß hoch und in der mittleren Höhe, wo er am breitesten ist, da er die Form eines stehenden Kreuzes anstrebt, mag er auch etwa 20 Fuß breit sein; seine Tiefe aber von vorn nach hinten ist geringer. Er hat einen engen Eingang, in jedem Seitenflügel des Kreuzes und über der Thüre eine Fensteröffnung; alles dieses in den Fels gehauen.“ Gewiß ist zu beklagen, daß Isenberg diese interessante Felsenkirche nicht auch im Innern untersuchte, da, wie es scheint, er der einzige europäische Reisende war, welcher sie zu Gesicht bekam.

      Zu Ende des 13. Jahrhunderts lebte in Schoa der achte Nachkomme jenes zur Zeit der Judenherrschaft nach Schoa geflüchteten letzten Prinzen der salomonischen Dynastie. Sein Name war Tesfa Jesus oder Jekuno-Amlak. In Abessinien aber herrschte Nakwetolaab, der Sagué. Als eigentlicher Herrscher des Landes mußte aber der mächtige Abuna oder Erzbischof Tekla Haimanot angesehen werden, heute noch der berühmteste Heilige der abessinischen Kirche und Gründer des großen Klosters Debra Libanos in Schoa, durch dessen Eifer und Beistand die Wiedereinsetzung der alten Dynastie ermöglicht wurde. Aus freiem Willen, wenn auch auf dringendes Einreden dieses Erzbischofs, leistete Nakwetolaab Verzicht auf die Krone und stieg vom Throne herab, um jenem Nachkömmling der salomonischen Dynastie, nach abessinischer Vorstellung dem legitimen Sprossen Menilek’s, Platz zu machen.

      Zum Entgelt für sich und seine Leibeserben wurde Nakwetolaab zum [pg 9]Herrscher in der Provinz Waag unter der Lehensoberhoheit des Königs bestellt und dazu der Vorbehalt ausbedungen, daß für den Fall des Aussterbens der Linie Menilek’s die Krone an die Linie Nakwetolaab’s zurückgelange, ein Uebereinkommen, welches solche Lebenskraft besitzt, daß es bis in die jüngste Zeit zurückwirkt. – Von dieser Zeit an bietet die politische Geschichte des Landes eine Reihe von kriegerischen Expeditionen dar, welche ihre Könige, zum Theil ausgezeichnete Helden, gegen auswärtige Völker unternahmen, während die muhamedanische Macht an der Grenze sich immer drohender entwickelte.

Felsenkirche von Hauazién. Nach Isenberg.

      Felsenkirche von Hauazién. Nach Isenberg.

      In dieser Noth fand eine nähere Verbindung zwischen Europa und Abessinien statt, ja es war die Rede von einer Verschmelzung der Landeskirche mit der römisch-katholischen, die durch Pilgerfahrten nach Jerusalem angeregt worden war. Dort hatten die frommen abessinischen Wallfahrer von dem aufstrebenden Glanze Portugals gehört, und die Berichte derselben erregten in König Jakob, der von 1421 bis 1470 regierte, den Wunsch, mit dem abendländischen Reiche in Verbindung zu treten. Eine Gesandtschaft wurde nach Lissabon geschickt, um dort vom Könige Alphons Hülfe gegen die Ungläubigen zu erbitten. Diesem, der damals mit kriegerischen Plänen gegen die Mauren Nordafrika’s umging, kam der Wunsch Jakob’s sehr gelegen, obgleich damals der Weg ums Kap der guten Hoffnung herum noch nicht entdeckt war; allein er konnte, ohne den mächtigen Papst gefragt zu haben, auf die Allianz mit Abessinien nicht eingehen, und dieser forderte als erste Bedingung eines Bündnisses die unbedingte Unterwerfung der getrennten äthiopischen Kirche unter den Stuhl Petri. Die abessinischen Gesandten mußten [pg 10]deshalb 1441 auf dem Florentiner Konzil erscheinen, wo eine vorläufige Ausgleichung zwischen beiden Kirchen stattfand. Schon im folgenden Jahre erschienen neue Bevollmächtigte auf dem lateranischen Konzil zu Rom, um den Ausgleich zu bestätigen und dringend aufs neue um Hülfe zu bitten. Diese jedoch verzögerte sich und an ihre Stelle trat nach langem Briefwechsel 1490 eine von König Johann II. an König Eskander von Abessinien