für den sich die allergnädigste Fürstin, Eure Herrin und Wohlthäterin, verbürgt, wird sich bei uns über Mangel an Gastfreundschaft zu beklagen haben. Doch was den Großmeister anbetrifft, so werdet Ihr ihn schwerlich zu Gesicht bekommen. Schon vor einem Monat ist er nach Danzig übergesiedelt, von wo aus er sich zuerst nach Königsberg und dann noch weiter an die Grenze begeben will, denn wenn gleich er den Frieden liebt, ist er doch gezwungen, die Erbgüter des Ordens gegen die verräterischen Einfälle Witolds zu schützen.«
Als Macko diese Kunde vernahm, sah er plötzlich so kummervoll darein, daß Lichtenstein, dessen scharfem Blick nichts entgehen konnte, sofort bemerkte: »Ich sehe, daß Euer Bestreben, zu dem Großmeister zu gelangen, ebenso lebhaft ist, wie der Wunsch, Eure frommen Gelübde zu erfüllen.«
»Ihr habt’s getroffen, Ihr habt’s getroffen!« rief Macko eifrig. »Doch sprecht, ist der Krieg mit Witold um Samogitien gewiß?«
»Er selbst ist der Urheber davon, denn trotz seines Eides hat er den Aufrührern offenen Beistand geleistet.«
Tiefes Schweigen folgte diesen Worten, schließlich jedoch hub Macko also an: »Bei meiner Treu! Dem Orden möge all das Glück zu teil werden, das er verdient. Zu dem Großmeister kann ich nicht gelangen, die gethanen Gelöbnisse aber will ich erfüllen.«
Allein ungeachtet dieses Ausspruches wußte er sich keinen Rat; mit einem unsagbaren Angstgefühl legte er sich selbst die Frage vor: »Wo soll ich Zbyszko nun suchen, wo werde ich ihn nun finden?«
Es war leicht vorauszusehen, daß es nutzlos gewesen wäre, Zbyszko in Marienburg zu suchen, wenn der Großmeister Marienburg verlassen hatte und in den Krieg gezogen war, aber in jedem Falle mußte man genaue Kunde über den Jüngling einziehen. Der alte Macko sorgte sich sehr, da er jedoch ein Mann war, der sich stets zu helfen wußte, beschloß er, keine Zeit zu verlieren und sogleich am folgenden Morgen wieder aufzubrechen. Es ward ihm leicht, sich von Lichtenstein durch die Vermittlung der Fürstin Alexandra, welche das unbegrenzte Vertrauen des Komturs genoß, die erbetenen Briefe zu verschaffen. So erhielt er denn eine Empfehlung an den Starosten von Brodnica, sowie an den Großmeister der Johanniter in Marienburg, wofür er Lichtenstein einen großen, silbernen schön getriebenen Humpen aus Wroclaw überreichte, einen Humpen in der Art, wie ihn die Ritter des Nachts mit Wein gefüllt an ihr Lager zu stellen pflegten, um bei Schlaflosigkeit ein Mittel zur Hand zu haben, das ihnen Schlaf und Trost brachte. Diese Freigebigkeit Mackos überraschte den Böhmen nicht wenig, welcher wußte, daß der alte Ritter sonst nicht allzusehr geneigt war, irgend jemand mit Geschenken zu überschütten. Jener aber sagte: »Ich that dies, weil ich ein Gelöbnis ablegte und mit diesem Ritter kämpfen muß. Auf keine Weise könnte ich jedoch einem Menschen nach dem Leben trachten, welcher mir einen Dienst erwiesen hat. Bei uns ist es nicht Sitte, auf einen Wohlthäter loszuschlagen.«
»Aber es ist schade um den schönen Humpen!« erwiderte der Böhme in etwas widerspenstigem Tone.
Darauf entgegnete Macko: »Habe keine Furcht, ich thue nichts ohne Ueberlegung, denn wenn mir der Herr Jesus in seiner Barmherzigkeit gestattet, diesen Deutschen niederzuwerfen, werde ich auch den Becher zurückgewinnen und zugleich viele andere kostbare Dinge nebenbei.«
Nun begannen die beiden Männer sowie Jagienka sich miteinander zu beraten, was weiter zu thun sei. Abermals fuhr es Macko durch den Sinn, er könne diese und die Tochter Sieciechowas unter dem Schutze der Fürsten Alexandra in Plock zurücklassen, wobei es ihm wiederum hauptsächlich um des Abtes Testament zu thun war, das sich in den Händen des Bischofs befand. Aber dem widersetzte sich Jagienka mit der ganzen Kraft ihres unbeugsamen Willens. Wohl wäre es leichter gewesen, ohne sie die Fahrt fortzusetzen, weil man dann in den Nachtherbergen keine besondere Schlafkammer ausfindig machen, überhaupt keine Rücksicht nehmen und den Gefahren nicht aus dem Wege gehen mußte. Sie hatten jedoch Zgorzelic nicht verlassen, um in Plock zu bleiben. Das Testament war gut geborgen in des Bischofs Händen, und wenn die Mägdlein tatsächlich unterwegs irgendwo zurückbleiben sollten, waren sie sicherer unter dem Schutze der Fürstin Anna, als unter dem der Fürstin Alexandra, weil man am Hofe der ersteren den Kreuzrittern weniger zugethan, Zbyszko aber sehr geneigt war. Zwar behauptete Macko, daß Verstand nicht der Frauen Sache sei und daß es sich nicht gezieme, sich einem Weibe gegenüber in Erörterungen einzulassen wie einem verständigen Menschen gegenüber, dessen ungeachtet blieb er aber nicht bei seinem Vorsatze und gab bald vollständig nach, da Jagienka ihn auf die Seite führte und mit Thränen in den Augen sagte: »Wisset! – Gott sieht in mein Herz – daß ich vom Morgen bis zum Abend für ihr – für Danusias und für Zbyszkos Glück bete. Unser Gott im Himmel weiß dies am besten. Aber Hlawa und auch Ihr sagt ja, daß sie verschwunden ist und daß sie nicht lebend aus den Händen der Kreuzritter entkommen werde. Und ist dem so, dann …«
Hier zauderte sie ein wenig, die bis jetzt zurückgehaltenen Thränen flossen langsam über ihre Wangen herab, und leise fügte sie hinzu: »Dann möchte ich Zbyszko nahe sein!«
Diese Worte und ihre Thränen rührten Macko tief, gleichwohl antwortete er: »Wenn sie zu Grunde geht, wird Zbyszkos Herzeleid so groß sein, daß er Dich auch nicht einmal anschaut.«
»Daß er mich anschaut, wünsche ich gar nicht, ich wünsche nur, bei ihm zu sein.«
»Du weißt doch, daß ich ganz dasselbe will, was Du willst, aber im ersten Kummer wird er sogar im stande sein, Dir harte Worte zu sagen.«
»Mag er mir immerhin harte Worte sagen!« antwortete sie mit traurigem Lächeln. »Doch wird er es nicht thun, weil er nicht weiß, daß ich es bin.«
»Er wird Dich erkennen!«
»Nein, er wird mich nicht erkennen. Ihr erkanntet mich ja auch nicht. Sagt ihm, ich sei es nicht, sondern Jasko, und Jasko gleicht mir ja auf ein Haar. Sagt ihm, daß Jasko sehr gewachsen ist, und es wird Zbyszko nicht in den Sinn kommen, daß ich es bin.«
Da begann der alte Ritter abermals von den einwärts gebogenen Knien zu sprechen, weil aber auch die Knie von Knaben zuweilen einwärts gebogen sind, konnte dieser Einwurf nicht gelten, vornehmlich da Jagienka von ihrem Bruder, der in der letzten Zeit seine Haare hatte wachsen lassen und sie in einem Netze trug wie andere edle Jünglinge und Ritter, tatsächlich kaum zu unterscheiden war. Aus diesem Grunde gab Macko schließlich nach, und nun ward über die weitere Fahrt beraten. Am folgenden Morgen wollten sie aufbrechen. Macko beschloß, in das Ordensland einzudringen, sich nach Brodnica zu begeben, daselbst Kundschaft einzuziehen und, wenn sich der Großmeister trotz der Angaben Lichtensteins noch in Marienburg befand, dorthin zu gehen, im entgegengesetzten Falle aber in der Richtung von Spychow längs der Grenze des Ordenslandes vorzurücken und unterwegs nach dem jungen polnischen Ritter und dessen Gefolge zu fragen.
Der alte Ritter dachte, er könne in Spychow oder am Hofe des Fürsten Janusz zu Warschau eher etwas von Zbyszko erfahren, als anderswo. So machte er sich denn am folgenden Morgen auf den Weg. Der Frühling hatte schon begonnen und damit auch die Ueberschwemmungen. Skowa und Doweca waren ausgetreten, so daß die Reisenden erst am zehnten Tage nachdem sie Plock verlassen hatten, die Grenze überschritten und Brodnica erreichten. Das Städtchen zeichnete sich durch Reinlichkeit und Ordnung aus, aber gleich beim ersten Schritt ward man an die Strenge deutscher Herrschaft gemahnt, denn an einem außerhalb der Stadt auf dem Wege nach Gorezenica errichteten ungeheuren Galgen mit gemauertem Untergrund hingen noch die Leichname einiger Gerichteten, unter denen sich auch eine Frau befand. Auf der Warte und auf dem Schlosse wehte eine Fahne, welche eine rote Hand in weißem Felde zeigte. Den Komtur trafen die Reisenden nicht an Ort und Stelle, denn er hatte sich mit einem Teil der Besatzung an der Spitze der benachbarten Edelleute nach Marienburg begeben. Diese Mitteilung erhielt Macko von einem alten blinden Kreuzritter, welcher einst Komtur von Brodnica gewesen war und jetzt aus Anhänglichkeit an die Stadt und die Burg seine letzten Lebenstage hier verbrachte. Nachdem der Kaplan des Ortes ihm den Brief Lichtensteins vorgelesen hatte, nahm er Macko gastfreundlich auf, und da er inmitten einer polnischen Bevölkerung wohnte, verstand er die polnische Sprache vortrefflich, sodaß es Macko nicht schwer fiel, mit ihm zu verhandeln. Zufälliger Weise war er gerade sechs Wochen zuvor in Marienburg gewesen, wohin man ihn als erfahrenen Ritter zu einem Kriegsrat berufen hatte, daher wußte er genau, was dort vorging. Nach dem jungen polnischen Ritter befragt,