Henryk Sienkiewicz

Historische Romane von Henryk Sienkiewicz


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Ritter dieser Aufforderung Folge, da er indessen die Eigenliebe eines Mannes nicht verwunden wollte, in dessen Gewalt er sich befand, bemerkte er: »Offenbar, o Herr, sprecht Ihr nicht nur mehrere Sprachen, sondern kennt auch die höfische Sitte.«

      »Wolfgang,« fragte nun Arnold, der nur wenige Worte verstand, »wovon ist die Rede, was sagt er?«

      »Was sich für ihn geziemt, das sagt er!« erwiderte Wolfgang, augenscheinlich sehr geschmeichelt von Mackos Worten.

      Bald saßen sie um das Feuer vereint, an das Speise und Trank gebracht ward. Die von Macko dem Deutschen erteilte Lehre war nicht in den Wind gesprochen, denn Wolfgang ließ dem alten Ritter alles zuerst reichen. Im Laufe des Gesprächs erfuhr letzterer, auf welche Weise er und Zbyszko ergriffen worden waren. Wolfgang, ein jüngerer Bruder Arnolds, sollte das Czluchowsche Fußvolk nach Gotteswerder, also demnach gegen die aufrührerischen Samogitier führen. Da er indessen von einer weit entfernten Komturei kam, war es ihm nicht gelungen, sich an dem dazu bestimmten Platze mit der Reiterei zu vereinigen. Arnold hatte auch nicht auf ihn gewartet, konnte er doch darauf rechnen, auf seinem Wege mit andern Abteilungen Fußvolkes aus den an der litauischen Grenze gelegenen Plätzen und Burgen zusammenzutreffen. Der jüngere Bruder, der einige Tage länger zur Zurücklegung seines Marsches bedurft hatte, gelangte gerade zu der Zeit in der Nähe der Waldlichtung an, als die Ordensdienerin sich auf der Flucht befand und ihn von dem Mißgeschick in Kenntnis setzte, von dem Arnold betroffen worden war. Dieser bat, jetzt auch ihm alles auf Deutsch zu wiederholen, dann lachte er befriedigt auf, indem er erklärte, auf einen solchen Ausgang habe er gehofft.

      Der schlaue Macko aber, der, wenn er sich auch in einer Klemme befand, stets darauf ausging, seinen Vorteil zu wahren, suchte die beiden Deutschen für sich zu gewinnen und sprach also: »Schlimm ist es für einen jeden, in Gefangenschaft zu fallen, doch ich danke Gott, daß er mich in Eure und nicht in andere Hände gegeben hat, denn wahrlich, Ihr seid echte Ritter, Ihr haltet auf Ehre.«

      Wohl drückte Wolfgang die Augen zu und schüttelte abwehrend das Haupt, doch auf seinem Antlitz spiegelte sich hohe Zufriedenheit. Und Macko hub von neuem an: »Wie gut Ihr auch unsere Sprache kennt! Gott hat Euch, das sehe ich, für alles Verstand verliehen.«

      »Ich spreche Eure Sprache, weil man in Czluchow Polnisch redet, und seit sieben Jahren dienen der Bruder und ich dort unter dem Komtur.«

      »Und mit der Zeit, in nicht gar zu langer Zeit, geht dessen Würde auf Euch über. Es kann nicht anders sein. Doch Euer Bruder spricht unsere Sprache nicht, wie Ihr sie sprecht.«

      »Er spricht sie nicht, verstehen aber kann er gar manches. An Kraft und Stärke ist mir der Bruder weit überlegen, obgleich ich selbst kein Schwächling bin, an Verstand und Klugheit aber kommt er mir nicht gleich.«

      »Hei, durchaus nicht thöricht scheint er mir zu sein!« erklärte jetzt Macko.

      »Wolfgang, was sagt er?« fragte Arnold abermals.

      »Dein Lob verkündet er,« antwortete Wolfgang.

      »Ich preise ihn,« ergriff Macko von neuem das Wort, »denn er ist ein echter Ritter, und das ist die Hauptsache. Ihr dürft mir glauben, noch heute wollte ich ihn auf sein Wort hin freilassen und ihm gestatten, an irgend einen Ort nach seiner Wahl, ja, selbst so weit in die Ferne zu ziehen, daß zu seiner Rückkehr ein Jahr erforderlich wäre. So müßten alle gegürteten Ritter handeln.«

      Bei diesen Worten blickte Macko prüfend auf Wolfgang, dieser aber runzelte die Stirn und sagte: »Ich würde Euch vielleicht auch auf Euer Wort freilassen, wenn Ihr nicht den Heidenhunden gegen uns geholfen hättet.«

      »Darin täuscht Ihr Euch,« entgegnete Macko.

      Und abermals entspann sich ein heftiger Wortwechsel, wie am Tage zuvor mit Arnold. Obgleich nun das Recht auf der Seite Mackos war, hatte er doch dem seinem älteren Bruder an Klugheit überlegenen Wolfgang gegenüber einen sehr schweren Stand. Die Auseinandersetzungen hatten indessen den Vorteil, daß auch der jüngere Bruder von den in Szczytno verübten Schandtaten Kunde erhielt, daß er von der meineidigen Verräterei, von dem unglückseligen Geschick Danusias hörte. Kein Wort der Erwiderung fand er, als ihm der alte Ritter die begangenen Nichtswürdigkeiten enthüllte. Wie sehr er sich auch anfänglich dagegen sträubte, er mußte schließlich die gerechte Sache seiner Feinde anerkennen, er mußte zugestehen, daß die polnischen Ritter allen Grund hatten, Rache zu üben, so zu handeln, wie sie handelten.

      »Bei den heiligen Gebeinen des Liborius,« erklärte daher Wolfgang, »ich hege kein Mitleid mit Danveld. Man sagte von ihm, er habe sich der Schwarzkunst ergeben, allein die Macht und die Gerechtigkeit Gottes sind gewaltiger als die schwarze Magie! Zygfryd ist vielleicht auch ein Knecht des Teufels, ich vermag keine Entscheidung darüber zu treffen. Zu seiner Befreiung unternehme ich jedoch nichts, denn erstens untersteht mir die Reiterei nicht, und zweitens soll er in die Hölle kommen, wenn er, wie Ihr behauptet, jenes Mägdlein gemartert hat. Gott stehe mir bei, jetzt und in meiner Todesstunde!« fügte er, sich streckend und dehnend, hinzu.

      »Wie ist es aber mit jener unglücklichen Märtyrerin? Was soll mit ihr geschehen?« fragte Macko. »Wollt Ihr nicht die Erlaubnis erteilen, daß sie nach Spychow gebracht werde? Wenn sie in Euren Kerkern stürbe? denkt an den Zorn Gottes!«

      »Macht mit dem Weibe, was Ihr wollt!« antwortete Wolfgang kurz, »Möge einer von Euch es zu seinem Vater bringen, wenn er sich verpflichtet, wieder zurückzukehren. Euch beide gebe ich aber nicht frei.«

      »Wenn ich aber, traun, auf meine Ehre, auf den Speer des heiligen Georg schwöre?«

      Wolfgang schaute unschlüssig darein, denn ein solcher Schwur war von großer Bedeutung, allein in diesem Augenblicke fragte ihn Arnold zum drittenmale: »Was sagt der alte Ritter?«

      Kaum vernahm jener jedoch, um was es sich handelte, so widersetzte er sich leidenschaftlich und entschieden der Freilassung beider Ritter, durch deren Gefangennahme er für sich selbst Rettung erhoffte. In einer großen Schlacht hatte ihn Skirwoillo besiegt, im Kampfe mit den polnischen Rittern war er unterlegen. Als Krieger wußte er ganz genau, daß sein Bruder das Fußvolk nach Marienburg zurückführen mußte, denn wenn dieser den Marsch nach Gotteswerder fortsetzte, so wäre eine solche That nach der Vernichtung der vorangezogenen Heerschar gleichbedeutend mit der Hinschlachtung der Mannen gewesen. Arnold war sich folglich ganz klar darüber, daß er sich vor dem Großmeister und dem Marschall zu verantworten haben werde, konnte er aber wenigstens einen namhaften Gefangenen aufweisen, dann, so glaubte er, werde sein Urteil milder ausfallen. Was sollte es ihm aber nützen, von zwei Gefangenen zu erzählen, wenn er nicht einmal einen gefangenen Ritter vorführen konnte?

      Als Macko das wilde Geschrei, die lauten Flüche Arnolds vernahm, begriff er sofort, daß er sich mit dem zufrieden geben müsse, was ihm angeboten worden war, und so sagte er zu Wolfgang gewendet: »Ich bitte Euch noch um eines, o Herr! Wohl wird mein Bruderssohn einsehen, was ihm obliegt, dessen bin ich gewiß. Er muß bei seinem Weibe bleiben und ich bei Euch. Nichtsdestoweniger erlaubt mir, ihm darzuthun, daß jede Verhandlung darüber unnütz ist, weil Euer Entschluß feststeht.«

      »Gut, damit bin ich einverstanden,« erklärte Wolfgang. »Vor allem ist mir jedoch an der Festsetzung des Lösegeldes gelegen, das Euer Bruderssohn für sich und für Euch mitbringen soll, darauf kommt es besonders an.«

      »Auf das Lösegeld?« fragte Macko, bestrebt diese Besprechung hinauszuschieben. »Haben wir denn nicht genug Zeit vor uns, um uns darüber zu verständigen? Das Wort eines gegürteten Ritters gilt meines Erachtens so viel wie Geld, und was die Höhe des Lösegeldes anbelangt, so müssen wir dies mit unserm Gewissen abmachen. Vor Gotteswerder machten wir einen Eurer namhaftesten Ritter zum Gefangenen, einen gewissen Herrn de Lorche, und mein Bruderssohn, der ihn selbst gefangen genommen hat, gab ihm auf sein Wort die Freiheit wieder und erwähnte nicht einmal den Betrag des Lösegeldes.«

      »Nahmt Ihr Herrn de Lorche gefangen?« fragte Wolfgang eifrig. »Ich kenne ihn. Er ist ein reicher, angesehener Ritter. Doch wieso sind wir nicht mit ihm zusammengetroffen?«

      »Weil er augenscheinlich gen Gotteswerder oder gen Ragneta gezogen ist,« entgegnete Macko.