satt sehen, und wenn es zum Kriege kommt – allmächtiger Gott! Dann werden den Deutschen die Knochen zerhauen, daß die Splitter nur so umherfliegen!«
»Ich bin der Letzte, der sie darob beklagen wird,« bemerkte Zbyszko.
Einige Vaterunser später befanden sie sich in prächtiger Kleidung auf dem Wege zur Burg. Das abendliche Festmahl sollte diesmal nicht bei dem Fürsten, sondern bei dem Starosten Andrzej aus Jasienec stattfinden, dessen geräumige Behausung innerhalb der Ringmauern der Burg an der größten Bastei lag. Wegen der wundervollen, fast allzu warmen Nacht hatte der Starost, aus Furcht, daß die Luft in den Sälen vielleicht sehr drückend werde, den Befehl gegeben, die Tische im Hofe aufzustellen, wo Ebereschen und Eibenbäume inmitten der steinernen Fliesen wuchsen. Brennende Pechtonnen erleuchteten den ganzen Platz mit einem gelblichen Lichte, aber noch heller leuchtete der Mond, welcher gleich einem silbernen Wappenschilde am wolkenlosen Himmel zwischen den Sternen hervorstrahlte. Die gekrönten Gäste waren noch nicht erschienen, doch wimmelte es schon von einheimischen Rittern, von Geistlichen, von Hofleuten des Königs und der Fürsten. Zbyszko kannte viele unter ihnen, vornehmlich die vom Hofstaate des Fürsten Janusz. Von Rittern, die ihm von Krakau her bekannt waren, sah er Krzon aus Kozichglowy, Lis aus Zargowisko, Marcin aus Wrocimowice, Domaret aus Kobylany, Staszko aus Charbimowice und zuletzt auch Powala aus Taczew, dessen Anblick ihn besonders erfreute, denn er erinnerte sich, welches Wohlwollen ihm der berühmte Ritter seiner Zeit in Krakau erwiesen hatte. Doch konnte er sich jetzt keinem von ihnen nähern, denn jeder war umgeben von einem Kreis einheimischer, masovischer Ritter, welche nach Krakau, nach dem Hofe, den Lustbarkeiten, nach verschiedenen kriegerischen Unternehmungen fragten, indem sie zugleich die prächtige Gewandung der Fremden, deren schön gelockte, mittelst Eiweiß haltbar gemachten Haare betrachteten und diese Fremden dabei in allem als Vorbilder in Betreff der höfischen Sitten bewunderten.
Powala aus Taczew hatte indessen Zbyszko erkannt und die Masuren beiseite schiebend, näherte er sich ihm.
»Ich kenne Dich wohl, junger Kämpe!« sagte er, Zbyszko die Hand drückend. »Wie geht es Dir und woher kommst Du? Bei Gott! Ich sehe, daß Du schon Gürtel und Sporen trägst! Andere müssen darauf warten, bis sie graue Haare haben, aber Du scheinst dem heiligen Georg würdig zu dienen.«
»Gott verleihe Euch Glück, edler Herr!« entgegnete Zbyszko. »Wenn ich den angesehensten Deutschen vom Pferde geworfen hätte, würde ich mich nicht so freuen wie darüber, daß ich Euch in guter Gesundheit vor mir sehe.«
»Auch ich bin erfreut Dich zu sehen! Und wo befindet sich Dein Vater?«
»Mein Oheim ist es, nicht mein Vater. In Gefangenschaft befindet er sich bei den Kreuzrittern, und mit dem Lösegeld will ich ausziehen, um ihn zu befreien.«
»Und jenes Mägdlein, welches Dein Haupt mit dem Schleier verhüllte?«
Zbyszko gab keine Antwort, er schaute nur empor und seine Augen füllten sich mit Thränen. Als der Herr aus Taczew dies gewahrte, sagte er: »Ja, das ist ein Jammerthal … ein wahres Jammerthal, doch setzen wir uns auf die Bank unter jenem Ebereschenbaum, dort kannst Du mir Deine Erlebnisse mitteilen.«
Und er zog ihn in einen Winkel des Schloßhofes. Hier nahm Zbyszko an seiner Seite Platz und erzählte dann von Jurands unglückseligen Schicksalen, von Danusias Entführung und auch davon, wie er sie gesucht hatte, und wie sie nach ihrer Befreiung gestorben war. Powala lauschte aufmerksam, und auf seinem Gesichte drückte sich bald Verwunderung, bald Zorn, bald Entsetzen, bald Mitleid aus. Schließlich, als Zbyszko geendigt hatte, sagte er: »Ich werde dies alles dem König, unserm Herrn, berichten. Er muß sich bei dem Meister wegen des kleinen Jasko aus Kretkow beschweren und die strenge Bestrafung derer verlangen, welche den Knaben geraubt haben. Und sie raubten ihn nur, weil er reich ist, denn sie rechnen nun auf ein beträchtliches Lösegeld. Hei, sogar gegen Kinder erheben sie ihre Hände.«
Sinnend saß er hierauf eine Weile da, dann sprach er wie zu sich selbst: »Ein unersättliches Geschlecht, schlimmer als Türken und Tataren. Obwohl sie insgeheim den König und uns fürchten, fahren sie fort, zu rauben und zu morden. Sie verwüsten die Dörfer, erschlagen die Bauern, ertränken die Fischer und stürzen sich gleich Wölfen auf die Kinder. Was würden sie erst thun, wenn sie uns nicht fürchteten? An alle fremden Höfe sendet der Großmeister Schreiben gegen unsern König, steht er ihm aber Auge in Auge gegenüber, so demütigt er sich in jeder Weise vor ihm, denn er kennt unsere Stärke besser als all die andern. Nun aber ist das Maß voll!«
Nach kurzem Schweigen legte er die Hand auf Zbyszkos Arm.
»Ich werde dies alles dem König berichten,« wiederholte er hierauf. »Schon seit geraumer Zeit gärt und kocht es in ihm, und Du darfst sicher sein, daß die Urheber Deiner Leiden schwere Strafe trifft.«
»O Herr! Keiner derselben ist mehr am Leben!« warf jetzt Zbyszko ein.
Powala schaute mit freundlichem Wohlwollen auf den jungen Ritter. »Gott schütze Dich! Du vergißt keine Ungerechtigkeit, das ist klar. Lichtenstein ist somit noch der einzige, an dem keine Vergeltung geübt ward, allein ich weiß, daß sich Dir dazu keine Gelegenheit geboten hat. Auch wir haben in Krakau das Gelübde abgelegt, gegen ihn zu kämpfen. Dazu wird es jedoch erst kommen, wenn der Krieg ausbricht – den uns Gott der Herr schicken möge – weil ohne Erlaubnis des Großmeisters sich Lichtenstein nicht zum Kampfe stellen darf. Da aber der Meister viel von Lichtensteins Verstand hält, sendet er ihn fortwährend an den verschiedenen Höfen umher und wird nicht so leicht sich zu einer derartigen Erlaubnis verstehen.«
»Vor allem muß ich jedoch daran denken, meinen Oheim auszulösen.«
»Ja, das ist wahr! Ich habe auch schon nach Lichtenstein gefragt. Er ist indessen weder hier noch wird er in Raciaz sein, ist er doch zu dem König von England wegen Bogenschützen gesandt worden. Sorge Dich aber nicht um Deinen Ohm. Es bedarf nur eines Wortes des Königs und der Fürstin hier, dann wird der Großmeister keine Ausflüchte in Betreff des Lösegeldes zulassen.«
»Und umsoweniger wird er dies zulassen, weil sich de Lorche als Gefangener in meinen Händen befindet, ein bei dem Orden seines Reichtums und seiner Tapferkeit halber hochgeschätzter Ritter. Gar glücklich würde sich dieser sicherlich schätzen, o Herr, wenn er sich vor Euch neigen, wenn er mit Euch bekannt werden dürfte, denn keiner hegt größere Bewunderung für berühmte Ritter als er.«
Nach diesen Worten winkte er den in der Nähe stehenden Lothringer herbei und de Lorche, der sich schon zuvor darnach erkundigt hatte, mit wem Zbyszko spreche, und dessen sehnlichster Wunsch es war, einen so berühmten Ritter wie Powala kennen zu lernen, eilte rasch auf die Sprechenden zu.
Nachdem Zbyszko die beiden miteinander bekannt gemacht hatte, neigte sich der formvolle Ritter aus Geldern vor Powala mit großer Zierlichkeit, indem er sagte: »Nur eines weiß ich, was ich mir noch zur größeren Ehre anrechnen würde, als Eure Hand drücken zu dürfen, und das wäre, wenn ich mit Euch innerhalb der Schranken oder in der Schlacht kämpfen könnte.«
Ein Lächeln erhellte nun das Antlitz des gewaltigen Ritters aus Taczew, der neben dem schmächtigen und kleinen Herrn de Lorche wie ein Riese aussah, und er erwiderte: »Ich aber bin glücklich darüber, daß wir uns nur bei vollen Bechern treffen, und so möge es bleiben, dies gebe Gott!«
De Lorche zauderte anfänglich mit der Antwort, schließlich jedoch erklärte er mit einer gewissen Schüchternheit: »Doch wenn Ihr bestreiten solltet, wohledler Herr, daß das Fräulein Jagienka aus Dlugolas die schönste und edelste Dame der Welt ist, wäre es mir eine große Ehre – dem widersprechen zu dürfen und –«
Hier hielt er inne und blickte voll Verehrung und Bewunderung, allein doch auch wieder prüfend und scharf auf Powala.
Mochte es nun die Ueberzeugung bei letzterem sein, daß er de Lorche zwischen zwei Fingern wie eine Nuß zerdrücken könne, oder sei es, daß er ein außerordentlich gütiges Herz, einen gar frohen Sinn besaß, genug, er lachte laut auf und sagte: »Seiner Zeit erkor ich die Fürstin von Burgund zu meiner Herrin. Damals war sie zehn Jahre älter als ich. So Ihr aber behaupten wollt, o Herr, meine Fürstin sei nicht älter als das Fräulein Jagienka, dann ist’s besser, wir setzen uns sofort zu Pferde.«
Als