Henryk Sienkiewicz

Historische Romane von Henryk Sienkiewicz


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Schmach zugefügt worden, wir beide dürsten nach Rache. Jene Elenden schossen ja auch eine Schar der Unsrigen aus Bogdaniec, deren Pferde im Sumpfe stecken geblieben waren, mit ihren Pfeilen nieder. Wahrlich, einen Bessern als mich könnt Ihr für Euer Werk nicht finden. Derartige Kämpfe sind mir nichts Neues. Fragt nur den Ohm. Lanze und Streitaxt, das lange und das kurze Schwert weiß ich zu führen, und alles gilt mir gleich. Hat Euch der Oheim schon von den Friesen erzählt? Die Deutschen werde ich wie Lämmer abschlachten! Und was meine Herrin anbelangt, so gelobe ich Euch hiermit knieend, daß ich ihretwegen mit dem teuflischen Starosten kämpfen will, und daß ich ihr nicht entsagen würde, wenn man mir auch große Reichtümer, ja, wenn man mir die ganze Welt als Preis dafür böte. Und gäbe man mir auch eine Burg mit Glasfenstern – wenn ich Danusia nicht mein eigen nennen dürfte, so verließe ich diese Burg und wanderte der Heißgeliebten nach bis ans Ende der Welt.«

      Das Gesicht in den Händen verborgen, saß Jurand lange Zeit da, aber endlich fuhr er, wie aus einem Traum erwachend, empor und sagte in düsterem, traurigem Tone: »Du gefällst mir, Bursche, doch gebe ich Dir meine Tochter nicht, denn Dir ist sie nicht bestimmt, die Aermste.«

      Als Zbyszko dies hörte, verstummte er. Mit weit aufgerissenen Augen blickte er auf Jurand, ohne ein Wort hervorbringen zu können.

      Danusia kam ihm indessen zu Hilfe. Zbyszko war ihr lieb, und es war ihr angenehm, als erwachsenes Mädchen, nicht mehr als Kind betrachtet zu werden. Ihr gefiel das Verlöbnis, ihr gefielen die zarten Dienste, die ihr der junge Ritter erwies; als sie daher vernahm, daß sie all dessen wieder beraubt werden solle, sprang sie rasch von ihrem Sitze herab, und ihr Gesichtchen auf den Knieen des Vaters verbergend, rief sie: »Väterchen, Väterchen! Du wirst sehen, wie ich weine!«

      Offenbar liebte Jurand sein Kind über alles, denn er legte sanft seine Hand auf dessen Haupt. Aller Ingrimm, alle Strenge waren jetzt aus seinem Gesichte verschwunden, nur eine tiefe Trauer malte sich darin. Indessen hatte Zbyszko seine Kaltblütigkeit wieder erlangt, und er sagte: »Wie? Dem göttlichen Gebote wollt Ihr Euch widersetzen?«

      »Ist es der Wille Gottes, so bekommst Du sie zum Weibe, aber meine Zustimmung kann ich Dir nicht geben. Wenn ich es vermöchte, würde ich mir zu gern Deinen Wunsch erfüllen.«

      Bei diesen Worten hob Jurand Danusia empor, und, sie auf den Arm nehmend, eilte er der Thüre zu, als aber Zbyszko ihm in den Weg treten wollte, wandte er sich nochmals zu ihm und sagte: »Ob Deiner Ritterdienste bin ich Dir nicht gram, aber frage nichts mehr, denn ich kann Dir nicht Rede stehen.«

      Damit verließ er die Kemenate.

      Drittes Kapitel.

      Inhaltsverzeichnis

      Am folgenden Tage suchte Jurand weder Zbyszko zu meiden, noch stellte er ihm ein Hindernis in den Weg, Danusia die verschiedenen Dienste zu erweisen, die ihm seine Ritterpflicht auferlegte. Im Gegenteile – Zbyszko bemerkte trotz des Schmerzes, der ihm das Herz zerriß, daß der finstere Herr aus Spychow ihn zuweilen voll Wohlwollen, voll Wehmut betrachtete, gerade als ob es ihn schmerze, eine so grausame Antwort erteilt zu haben. Jurand bemühte sich sogar sichtlich, soviel wie möglich mit dem jungen Edelmanne zusammenzusein, um ein Gespräch mit ihm anknüpfen zu können. Während der Reise, nach dem Aufbruche aus Krakau, mangelte es nicht an Gelegenheit dazu, geleiteten doch beide die Fürstin zu Pferde. Der gewöhnlich unendlich schweigsame Jurand zeigte sich sogar zuweilen erstaunlich gesprächig; sobald jedoch Zbyszko die geheimnisvollen Gründe zu erforschen suchte, die ihn und Danusia trennten, brach Jurand das Gespräch plötzlich ab, sein Gesicht verfinsterte sich, und er blickte unruhig auf Zbyszko, als ob er fürchte, er könne sich diesem gegenüber verraten. In der Voraussetzung, die Fürstin sei in alles eingeweiht, ergriff der junge Ritter einen geeigneten Moment, um von ihr die ersehnte Antwort zu erlangen, allein auch sie vermochte ihm nicht viel zu sagen.

      »Das alles ist ein Geheimnis,« bemerkte sie. »Jurand hat selbst einmal mit mir darüber gesprochen, er bat mich aber gleichzeitig, ihn nicht weiter zu befragen, denn er wolle nicht nur nicht, er dürfe auch nicht darüber reden. Vermutlich bindet ihn irgend ein Eid, wie dies ja häufig der Fall zu sein pflegt. Gott gebe wenigstens, daß sich mit der Zeit alles zum Guten wende.«

      »Was soll ich auf der Welt thun ohne Danusia!« rief nun Zbyszko. »Ohne sie wäre es mir zu Mute wie dem Hunde nach den Schlägen, wie dem Bären in der Grube. Keine Freude, keine Lust gäbe es für mich. Nein, nur Kummer, nur Seufzen. Gleich jetzt würde ich mit dem Fürsten Witold gen Tawan ziehen, um den Tod im Kampfe gegen die Tataren zu finden, allein ich muß vor allem den Ohm in die Heimat geleiten und dann den Deutschen, mitsamt den Köpfen, die gelobten Pfauenbüsche abreißen. Vielleicht erschlagen die Feinde mich – denn wozu soll ich leben, wenn ich Danusia einem andern überlassen muß?«

      Daraufhin richtete die Fürstin ihre gütigen blauen Augen auf ihn, indem sie verwundert fragte: »Und würdest Du dies gutwillig zugeben?«

      »Ich? Niemals, solange ich noch einen Atemzug in der Brust habe. Es sei denn, daß mir die Hand verdorre, und ich das Schwert nicht mehr zu ziehen vermöge.«

      »Nun also, was willst Du denn?«

      »Kann ich vielleicht gegen den Willen des Vaters ankämpfen?«

      »Gerechter Gott, ist dies denn noch nie vorgekommen?« murmelte die Fürstin vor sich hin. Dann aber, sich zu Zbyszko wendend, fügte sie hinzu: »Als ob der Wille Gottes nicht mächtiger wäre als der des Vaters! Und was sagte Jurand? ›Sobald dies der Wille Gottes sein wird‹, sprach er, ›bekommt er sie zum Weibe‹.«

      »Das gleiche sagte er auch mir!« rief Zbyszko. »Ist es der Wille Gottes,« sprach er, »so bekommst Du sie zum Weibe.«

      »Siehst Du nun?«

      »Ach, daß ich auf Euere Gnade bauen darf, huldreiche Frau, das ist mein einziger Trost!«

      »Ich bin Dir wohl gesinnt, und Danusia läßt nicht von Dir. Gestern erst sagte ich zu ihr: ›Danusia, wirst Du je von Zbyszko lassen?‹ Da antwortete sie: ›Außer Zbyszko will ich keinem angehören.‹ Jung ist Danusia freilich, allein was sie sagt, das hält sie auch, denn das Mägdlein ist edel geboren und nicht hergelaufener Leute Kind. Die Mutter ist ebenso gewesen!«

      »Dem Himmel sei Dank!« rief Zbyszko.

      »Nur vergiß nicht, daß auch Du treu zu ihr halten mußt, denn gar viele junge Burschen sind flatterhaft, sie schwören der einen Treue, um sich gleich darauf in eine andere zu verlieben, wenn sie nicht wie an einem Seile festgehalten werden. Ich rede die Wahrheit! Es kommt oft so weit, daß sie nach jedem Mädchen seufzen, wie das Pferd nach dem Futter wiehert.«

      »Der Herr Jesus möge mich strafen, wenn ich dies thue!« erklärte Zbyszko voll Eifer.

      »Denke also an das, was ich Dir gesagt habe. Sobald Du den Oheim heimgeleitet haben wirst, kehrst Du an unsern Hof zurück. Dort giebt es für Dich sicherlich Gelegenheit, Dir die Sporen zu verdienen, und dann wird sich Gottes Willen offenbaren. Danusia wird während dieser Zeit reifer werden, und sie wird zum liebenden Weibe erblühen, denn jetzt liebt sie Dich zwar innig – anders kann ich nicht sagen – aber doch nicht in der Weise, wie erwachsene Mädchen zu lieben verstehen. Vielleicht neigt sich Dir Jurands Herz immer mehr zu, denn nach meinem Ermessen ist er Dir nicht gram. Du kannst auch nach Spychow gehen, um gemeinsam mit Jurand gegen die Deutschen zu ziehen, vielleicht trifft es sich, daß Du ihm irgend einen Dienst zu erweisen vermagst und ihn dadurch vollständig auf Deine Seite bringst.«

      »Das alles erwog ich längst bei mir, gnädigste Fürstin, jetzt aber, da Ihr mir die Erlaubnis dazu gebt, drängt es mich, es auszuführen.«

      Dieses Gespräch spornte Zbyszkos Thatendurst noch mehr an. Aber schon auf dem ersten Fütterungsplatze verschlimmerte sich der Zustand des alten Macko in einem Maße, daß eine längere Rast erforderlich ward, damit der Kranke wenigstens wieder etwas zu Kräften komme für die Weiterreise. Die gütige Fürstin Anna Danuta überließ ihm zwar alle Heilmittel und Arzneien, die sie bei sich führte, sie selbst aber, so erklärte sie, dürfe nicht länger