Eben darin aber, daß endlich durchgreifende Veränderungen erreichbar schienen, lag für Cromwell der Beweggrund seines lebendigen Anteils an den parlamentarischen Verhandlungen. Zu den leitenden Männern der Versammlung gehörte er nicht; in der Debatte konnte er nicht glänzen, dazu fehlte es ihm an momentaner Beweglichkeit des Geistes und einer auf eine größere Anzahl Menschen von mannigfaltigen Stimmungen wirksamen Redegabe. Wie sehr aber irrt man, wenn man meint, er sei damals ohne Bedeutung und Einfluß geblieben!
Wir kennen die Forderungen des Parlaments, durch welche in der zweiten Hälfte des Jahres 1641 eine Aussöhnung mit dem König unmöglich wurde. Cromwell hat den größten Anteil an der Aufstellung derselben. Von ihm und Haslerigh ist die Bill ausgegangen, welche Aufhebung des Episkopalsystems von Grund aus forderte; zuerst Cromwell hat darauf angetragen, daß der Oberbefehlshaber über die Miliz des Landes nicht wie bisher durch den König, sondern durch das Parlament gesetzt werden solle, und zwar auf so lange dieses selbst bestimme, also ohne dem König das Recht der Absetzung zu lassen; ein Verlangen, das einen Monat später von Haslerigh zu einem Umfange erweitert wurde, daß sich daran der Streit über das Recht des militärischen Oberbefehls entzündete. So war es auch Cromwell, der den Antrag auf Enterung des Lord Bristol aus dem Rate des Königs einbrachte; wir sahen, wie diese Absicht, auf Digby ausgedehnt, vornehmlich dazu beitrug, den König zu jenem Eingriff in die parlamentarische Unabhängigkeit291 zu bewegen, der den Bruch unmittelbar herbeiführte.
Impulse und Anregungen konstituieren aber noch lange kein öffentliches Leben; für Cromwell eröffnete sich eine seinen eigentümlichen Talenten entsprechende Laufbahn erst, als man von den Windungen der Kontroverse zum Waffenkampfe überging.
Eigentlich sind es drei große Handlungen, durch welche er seine persönliche Macht begründet hat; sie tragen alle das Gepräge erzwungener Abwehr, energischen Entschlusses und einer Vorbereitung, die eher das Gegenteil erwarten ließ. Die erste ist die Umbildung der Armee in den Jahren 1644/45. Es war der Moment, in welchem Cromwell trotz der Verdienste, die er sich bei Marstonmoor erworben, oder vielmehr infolge derselben, da sie ihm einen so großen Anhang verschafften, von der schottisch-presbyterianischen Kombination, an der die vornehmsten Männer des Staates und des Heeres Anteil nahmen, zugrunde gerichtet werden sollte.292 In dieser Gefahr führte er die Selbstentäußerungsakte durch; sie enthielt das entscheidende Mittel, die Großen von der Armee zu entfernen und sie sowie andre seiner Gegner ihres vornehmsten Einflusses zu berauben. Es ist schon auffallend und anstößig, daß ein religiöses Motiv dazu dienen mußte eine Parteimaßregel zu empfehlen und zur Ausführung zu bringen; wie viel mehr, daß sie nur auf einen Mann keine Anwendung fand, nämlich eben auf ihn, von dem sie ausgegangen war. Ob das von vornherein seine bewußte Absicht war, wer will es entscheiden? Es gibt eine Voraussicht dessen was von selber folgt, die eher Vorgefühl als Absicht zu nennen ist.
Die großen exzeptionellen Stellungen in der Welt werden überhaupt nicht allmählich erworben; mehr durch instinktartiges Gefühl als durch Berechnung mag sie der Ehrgeiz ins Auge fassen; im Moment der Entscheidung bieten sie sich ihm plötzlich dar und werden dann mit einem Male in Besitz genommen. Durch den Sieg von Naseby wurde Cromwell Meister von England. Wer hätte es wagen können, ihn einer Illegalität zu zeihen, indem er von Sieg zu Sieg fortschritt und den großen Streit entschied, in welchem die Nation mit allem ihrem Tun und Denken begriffen war. Er war nicht General der Armee und im Parlament nichts weiter als ein Mitglied, aber er beherrschte die eine durch das Verdienst, das er um sie hatte, und sein persönliches Ansehen, und übte dadurch auf das andre einen maßgebenden Einfluß aus. Seine Position ward durch die zwiefache Grundlage, die sie hatte, von einer unvergleichlichen Stärke. Er war mit einem Schlage der mächtigste Mann von England geworden.
Ihrer Natur nach strebt eine Autorität wie diese nach einer vollen freien Entwicklung, welche ihr die von ihr herabgedrückten, aber noch nicht eigentlich überwundenen Elemente ebenso notwendig bestreiten. Die Presbyterianer und der König trachteten sich gegen ihn zu vereinigen; es ist der zweite große Moment in Cromwells nunmehriger Laufbahn, wie er sie auseinanderhielt und darnach beide vollends niederwarf. Mit den eifrigen Presbyterianern, die in ihm ihren geschworenen Feind erblickten, hätte er sich nimmermehr verständigen können; leichter erschien ein Einverständnis mit dem König, dessen Ideen über religiöse Toleranz seinen Forderungen entgegenkamen. Cromwell zeigte ihm Sympathien, machte ihm Versprechungen, flößte im Vertrauen ein, trat mit ihm in eifrige Unterhandlung. Zum Abschluß aber gehörte zweierlei; einmal mußte die Armee mit der Annäherung einverstanden sein, und sodann hätte ihr der König nicht allein Sicherheit vor jeder Reaktion, sondern auch Fortdauer ihrer bevorzugten Stellung im Lande bewilligen müssen. Aber der Armee, die sich mit demokratischen Ideen erfüllt hatte, wurde der Führer selbst durch seine Unterhandlung verdächtig, als suche er nur durch irgendeine Abkunft für seine eigene Größe und die Zukunft seiner Familie zu sorgen. Von dem König aber war die Anerkennung einer selbständigen Aufstellung nimmermehr zu erreichen; was Cromwell ihm auch verheißen haben mochte, allmählich wandte er sich in offener Feindseligkeit von ihm ab.
Cromwell war nicht ohne Sinn für die Prinzipien der Monarchie, aber ohne alles Gefühl von dem, was man Loyalität nennt. Er hat gesagt, er würde im Gefecht sein Schießgewehr so gut gegen den König abdrücken wie gegen irgendeinen andern Feind. Er haßte Karl I. nicht, aber er empfand keinen Skrupel dabei, ihn zu verderben, wenn es die Dinge so mit sich brachten. Nach seiner Ansicht war es erlaubt, unter dringenden Umständen die regierenden Gewalten zu stürzen; nur darin sah er die Ordnung Gottes, daß es Autoritäten gebe; die Art und Weise derselben bleibe menschlichem Ermessen anheimgestellt. Cromwell ging nicht wie die Agitatoren293 von der Idee der Nationalsouveränität aus, sondern von der Forderung des allgemeinen Besten. Was dem Reiche nützlich oder schädlich sei, darüber habe zuletzt jeder ein Urteil; das Interesse der ehrlichen Leute sei das allgemeine Interesse, um es zur Geltung zu bringen, dürfe man eine bestehende Regierung umstoßen; denen, die Arges im Sinne haben, könne man mit Arglist begegnen. Grundsätze, mit denen sich jede Empörung und Gewalttat rechtfertigen ließe; sie entsprechen der Stellung eines mächtig emporkommenden, alle Rücksicht von sich weisenden Gewalthabers.
Faßte Cromwell aber den Gedanken, das Königtum zu stürzen, so mußten auch die parlamentarischen Männer fallen, welche mit demselben ein Abkommen zu treffen suchten, mochten sie früher seine Freunde gewesen sein oder nicht. Er erklärte es für eine Art von Glaubensakt – denn nur von ihrer täglich anschwellenden Wut gegen die Auserwählten Gottes leitete er ihr Verhalten her –, daß er das Parlament von ihnen reinigte. Das Oberhaus war aufgehoben, der König enthauptet; im Unterhause, welches nun als das Parlament erschien, wurden nur Männer von einer ähnlichen, allen Loyalitätsgefühls baren Gesinnung geduldet, die mit ihm gingen.
Daß sie aber auf die Länge geduldet werden würden, war doch nicht zu erwarten. Weit entfernt, sich ihm unterzuordnen, behaupteten sie, die höchste Gewalt zu bilden, der vielmehr die Armee zu gehorchen habe. Als nun Cromwell von den Kriegszügen zurückkehrte, durch welche der Widerstand gegen die Republik allenthalben unterdrückt und die Autorität derselben zur Anerkennung gebracht wurde, wie sollte er den Besitz der von ihm gegründeten Gewalt solchen gönnen, welche ihm selbst Gesetze vorzuschreiben und seine Macht zu beschränken trachteten? Cromwell kehrte Vorwürfe hervor, welche die Mitglieder persönlich trafen und ihnen ihre Popularität gekostet hatten; doch war das nicht sein letzter Grund. Es ist etwas Wahres daran, was die Royalisten sagten: er habe sie vertrieben, um nicht selbst von ihnen gestürzt zu werden. Und wie hätte sich überhaupt eine militärische und eine zivile Gewalt, mit gleichem Anspruch, koordiniert nebeneinander behaupten sollen? Es war unvermeidlich, daß sie in Streit gerieten. Dann aber behielt mit Naturnotwendigkeit der General die Oberhand, nicht allein weil er die größere Macht besaß, sondern auch weil er zur Gründung des gesamten Zustandes das meiste beigetragen hatte. »Ein Heilmittel war notwendig,« ruft Cromwell einmal aus, »dies Heilmittel ist angewendet worden.« Es war die Annahme des Protektorats, das Ergreifen der bürgerlichen Autorität durch die militärische.
Wenn man den vornehmsten Unterschied zwischen dem Ereignis