Erich Muhsam

Erich Mühsam: Verse eines Kämpfers (151 Gedichte in einem Band)


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von Neid und Haß und Teufelsbann

       für immer zu erlösen? –

       O Jesus, hör! Die Menschheit weint

       und fleht um deinen Segen.

       15

      Barhäuptig neigen Freund und Feind

       sich dir auf allen Wegen.

       Tönt Antwort von dem Kruzifix?

       Mir scheint, das Bild hat Leben.

       Die Augen seh ich zornigen Blicks

       20

      sich übers Land erheben ...

       Schweigt! Eure Demut ist zu klug!

       Ich helfe nicht zum Siege.

       Was schert’s mich, wer mit Lug und Trug

       gewinn’ und unterliege?

       25

      Der für die Menschheit starb, bereut’s!

       Spart euch Gebet und Klage!

       Schlagt ihr doch euern Gott ans Kreuz

       mit jedem neuen Tage!

      Ode zum Jahreswechsel 1916/1917

       Inhaltsverzeichnis

      Es birst ein Jahr und fährt in die Ewigkeit.

       Ein Jahr des Todes und dunkler Geschicke voll

       stürzt es dem vorigen nach in sein Blutmeer,

       räumt es der Zukunft die trostlosen Stätten.

       5

      Die kommt gezogen zögernd im Faltenkleid,

       umraucht vom Kriege, doch über dem Haupte schon

       dämmert ihr neblig ein flackernder Lichtkranz.

       Naht sich dem Weltall die Hoffnung auf Frieden?

       Es betet brünstig, wer noch an Götter glaubt,

       10

      sie möchten enden den schrecklichen Völkermord,

       über den Trümmern verschütterter Sehnsucht

       Schöneres aufbaun, als Grabmäler decken.

      Denn unten faule ewig in Staub und Schutt

       der arge Geist, der den Menschen in Waffen schliff.

       15

      Nimmer erwache den Völkern die Machtgier:

       Feindin der Schönheit und Urgrund des Hasses.

       Die Tränen aber, jeglichen Tropfen Bluts,

       der Mütter Leid und der Bräute zerstörtes Glück,

       sammelt im Herzen zu eifernder Andacht,

       20

      wehrend dem Kriegszorn mit sieghafter Liebe.

      Kriegslied

       Inhaltsverzeichnis

      März 1917

      Sengen, brennen, schießen, stechen,

       Schädel spalten, Rippen brechen,

       spionieren, requirieren,

       patrouillieren, exerzieren,

       5

      fluchen, bluten, hungern, frieren . . .

       So lebt der edle Kriegerstand,

       die Flinte in der linken Hand,

       das Messer in der rechten Hand –

       mit Gott, mit Gott, mit Gott,

       10

      mit Gott für König und Vaterland.

      Aus dem Bett von Lehm und Jauche

       zur Attacke auf dem Bauche!

       Trommelfeuer – Handgranaten –

       Wunden – Leichen – Heldentaten –

       15

      bravo, tapfere Soldaten!

       So lebt der edle Kriegerstand,

       das Eisenkreuz am Preußenband,

       die Tapferkeit am Bayernband,

       mit Gott, mit Gott, mit Gott,

       mit Gott für König und Vaterland.

       20

      Still gestanden! Hoch die Beine!

       Augen gradeaus, ihr Schweine!

       Visitiert und schlecht befunden.

       Keinen Urlaub. Angebunden.

       Strafdienst extra sieben Stunden.

       So lebt der edle Kriegerstand.

       25

      Jawohl, Herr Oberleutenant!

       Und zu Befehl, Herr Leutenant!

       Mit Gott, mit Gott, mit Gott,

       mit Gott für König und Vaterland.

      Vorwärts mit Tabak und Kümmel

       30

      Bajonette. Schlachtgetümmel.

       Vorwärts! Sterben oder Siegen!

       Deutscher kennt kein Unterliegen.

       Knochen splittern, Fetzen fliegen.

       So lebt der edle Kriegerstand.

       35

      Der Schweiß tropft in den Grabenrand,

       das Blut tropft in den Straßenrand

       mit Gott, mit Gott, mit Gott,

       mit Gott für König und Vaterland.

      Angeschossen, – hochgeschmissen, –

       Bauch und Därme aufgerissen.

       40

      Rote Häuser – blauer Äther –

       Teufel! Alle heiligen Väter! . . .

       Mutter! Mutter!! Sanitäter!!!

       So stirbt der edle Kriegerstand,

       in Stiefel, Maul und Ohren Sand

       45

      und auf dem Grab drei Schippen Sand –

       mit Gott, mit Gott, mit Gott,

       mit Gott für König und Vaterland.

      Verständigung

       Inhaltsverzeichnis

      April 1917

      Ein Friede ohne Annexionen

       nach jahrelangem Heldenrausch?

       Dazu die Arbeit der Kanonen? –

       Ich stimme für gerechten Tausch.

       5

      Nimm, Frankreich, du bei Kriegsbeendung

       Elsaß mit Zabern. Nimm es, – ja!

       Uns läßt zur nützlichen