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Niccolò Machiavelli
Mensch und Staat
Bestimmung und Begründung zentraler politischer Prinzipien
Books
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2017 OK Publishing
ISBN 978-80-272-0935-4
Inhaltsverzeichnis
Politische Tugend und politische Notwendigkeit
Wegen der neidischen Natur des Menschen war es immer ebenso gefährlich, neue Regeln und Einrichtungen zu erdenken, wie unbekannte Meere und Inseln zu entdecken, weil man viel geneigter ist, die Handlungen anderer zu tadeln als zu loben. Dennoch habe ich mich, von dem mir angeborenen Triebe gespornt, immer das Gemeinnützige ohne alle Rücksicht zu tun, entschlossen, einen Weg einzuschlagen, der, noch von niemand betreten, mir zwar Mühe und Arbeit verursachen wird, aber auch Belohnung eintragen kann, wenn man meine Bestrebungen mit Nachsicht betrachtet.
Der Mensch
Es ist für den Beobachter erheiternd, wie blind die Menschen für ihre eigenen Vergehen sind und wie heftig sie die Laster verfolgen, die sie selbst nicht haben.
Die Trägheit des Menschen
Die Menschen beklagen sich nie, wenn sie tun müssen, was sie gewohnt sind; so schnell man das Neue ergreift, so schnell läßt man wieder davon ab. Deshalb ist es immer leichter, eine Macht zu erhalten, die durch die Länge der Zeit die Eifersucht gelöscht hat, als eine neue Macht zu errichten, die aus vielen Gründen leicht gestürzt werden kann.
Die meisten Menschen sind eher imstande, gute Einrichtungen aufrecht zu erhalten als solche aus eigenem zu treffen.
Die Menschen sind viel lässiger, etwas zu ergreifen, was sie haben können, als zu wünschen, was sie nicht zu erlangen vermögen.
Anfangs begnügen sich die Menschen damit, sich zu verteidigen und von anderen nicht beherrscht zu werden. Später gehen sie zum Angriff über und wollen selber Herren über andere sein.
Niemals kann die Lage der Dinge einem Unternehmen durchweg förderlich sein. Wer so lange warten will, bis alles günstig liegt, traut sich entweder überhaupt nicht, etwas zu unternehmen, oder der Versuch schlägt, wenn er ihn doch wagt, meistens zu seinem Schaden aus.
Menschliche Gebrechlichkeit
Der Verstand des Menschen ist von dreierlei Art. Entweder begreift er die Sache mit eigenem Scharfsinn oder erst, wenn sie ihm von anderen erklärt worden ist, oder drittens: er begreift weder von selbst, noch was ein anderer ihm darlegt.
Was gibt es hier anderes als Narren? Wenige kennen die Welt und wissen, daß der nie zu etwas kommt, der die Meinung anderer befolgen will; denn wo findet man zwei Menschen gleichen Sinnes?
Zehn Unternehmungen mögen dem Menschen rühmlich gelingen. Mißlingt jedoch dann nur eine einzige, und zwar eine wichtige, so hat dieser Fehlschlag Kraft genug, sämtliche Erfolge zu vernichten.
Oft sieht man, daß Bescheidenheit nicht nur keinen Nutzen bringt, sondern daß sie schadet, besonders wenn du sie gegen übermütige Menschen zeigst, die dich aus Eifersucht oder einem anderen Grunde hassen.
Zwischen dem Menschen, wie er wirklich ist, und dem Menschen, wie er leben sollte, besteht ein so grundlegender Unterschied, daß jeder, der nur darauf achten würde, was geschehen soll, und nicht vielmehr auf das, was geschieht, eher seinen Untergang als seine Erhaltung bewirken müßte. Ein Mensch, der rein moralisch handeln will unter den vielen, die es nicht tun, muß daher notwendig zugrunde gehen.
Ehrgeiz und Selbstsucht
Es ist ein Ausspruch der alten Schriftsteller, daß sich die Menschen im Unglück ohne Maß betrübten und im Glück ihres Zustandes überdrüssig würden und daß beides dieselbe Wirkung hervorbringe. Jedesmal nämlich, wenn die Menschen dessen überhoben sind, aus Not zu kämpfen, so kämpfen sie aus Ehrgeiz, der in der menschlichen Brust so mächtig wirkt, daß er sie nie verläßt, wie hoch sie auch steigen mögen. Die Ursache dieser Erscheinung ist die, daß die Natur die Menschen so geschaffen hat, daß sie alles begehren können, aber alles zu erlangen nicht imstande sind. Da nun immer das Verlangen, zu erwerben, größer ist als die Macht dazu, so entsteht daraus die Unzufriedenheit mit dem, was man besitzt. Die Folge hiervon ist der Wechsel der menschlichen Schicksale, denn da ein Teil der Menschen mehr zu haben begehrt, der andere das Erworbene zu verlieren fürchtet, so kommt es zur Feindschaft und zum Kriege, aus dem der Verfall des einen und der Aufstieg des anderen Landes hervorgeht.
Die Herrschsucht ist eine so heftige Leidenschaft, daß sie nicht allein in die Brust derer eindringt, denen die Macht gebührt, sondern auch derer, denen sie nicht gebührt.
Viele, denen es nicht gelingen wollte, durch lobenswerte Taten Ruhm zu erwerben, suchten ihn durch schändliche Handlungen zu erlangen.
Kluge Männer lassen sich jegliche Handlung zum Verdienst anrechnen, auch wenn alles, was sie tun, unter dem Zwange der Notwendigkeit geschieht.
Ein Mann kann wohl den Grund zur Sittenverderbnis einer Stadt legen, allein sein Leben reicht nicht hin, das Volk so zu verderben, daß er selbst die Früchte seines Wirkens ernten könnte; wäre dies aber auch mit der Länge der Zeit möglich, so würde es die Handlungsweise des Menschen nicht erlauben, der von Natur ungeduldig ist und die Befriedigung seiner Leidenschaften nicht lange hinausschieben kann. Auch täuscht sich der Mensch in den Dingen, die ihn selbst betreffen, und besonders in dem, was er sehnlich wünscht. So läßt er sich aus Ungeduld und Selbsttäuschung in Unternehmungen gegen die Zeit ein und nimmt ein unglückliches Ende.
Die Menschen handeln oft … wie manche kleineren Raubvögel, die so sehr von ihrem natürlichen Triebe nach einer Beute beherrscht werden, daß sie den größeren Raubvogel nicht gewahren, der über ihnen schwebt, um sie zu erwürgen.
Die Menge ist rascher dabei, zu nehmen, was einem anderen gehört, als auf das Ihrige achtzugeben, und die Menschen werden heftiger von der Hoffnung auf Gewinn als durch die Furcht vor Verlust getrieben, da sie an diesen erst glauben, wenn er ihnen vor Augen steht, während sie mit jenem bestimmt rechnen, wenn er auch in weitester Ferne liegt.
Die Menschen sind von Natur aus geneigter, Unbill zu rächen, als für Wohltaten dankbar zu sein. Sie meinen, dieses bringe Schaden, jenes hingegen Nutzen und Vergnügen.
Stimme des Aufruhrs
Es schmerzt mich, viele unter euch zu wissen, die das Geschehene aus Gewissenhaftigkeit bereuen und sich neuer Taten enthalten wollen. Wollt ihr das wirklich, so seid ihr nicht die Männer, für die ich euch hielt. Weder Gewissen noch Schande darf euch abschrecken. Wer, wie wir, Hunger und Kerker zu fürchten hat, kann und darf der Furcht vor der Hölle keinen Raum geben. Betrachtet die Handlungsweise der Menschen. Ihr werdet sehen,