AM FRANZÖSISCHEN KÖNIGSHOF
DIE MONGOLEN UND DER WANDEL DES EUROPÄISCHEN WELTBILDES
DIE ERFOLGE DER OSMANISCHEN TÜRKEN
BILANZ: DER WANDEL DES CHRISTLICHEN GLAUBENS
BILANZ: DER WANDEL DES RITTERTUMS
VORWORT
Die Kreuzzüge sind ein besonderes Thema. Sie waren eine Erscheinung des Mittelalters, aber das Thema der Glaubenskriege war mit dem Ausgang des Mittelalters nicht überwunden. Vielmehr sorgten die Konfessionskämpfe im Gefolge der Reformation in der frühen Neuzeit für ein blutiges Weiterleben dieser Tradition. Die aktuelle Frage nach dem Verhältnis des in christlicher Tradition stehenden Westens zur islamischen Welt verleiht dem Thema zudem eine mitunter beunruhigende Brisanz. In dieser Darstellung geht es um die Kreuzzüge als eine mittelalterliche Erscheinung. Tatsächlich waren die Kreuzzüge, wenn man sie nicht einfach als Glaubenskriege versteht, sehr mittelalterliche Unternehmungen. Ohne das mittelalterliche Weltbild wären sie kaum denkbar, und von daher bietet die Geschichte der Kreuzzüge auch weniger Anhaltspunkte für eine Überheblichkeit des christlichen Europa gegenüber der Kultur des Islam und anderen Religionen, als man zunächst vermuten würde. Die Glaubenslehrer und die Gläubigen waren überzeugt von der überlegenen Wahrheit der christlichen Lehre – so wie die Moslems von der Überlegenheit des Islam und ihrer Kultur –, aber in der praktischen Ausführung beschränkte sich Europa zunächst auf die Heiligen Stätten und Jerusalem. Denn dort erwartete man die Wiederkehr Christi.
In dieser Darstellung geht es darum, die Geschichte der Kreuzzüge im Zusammenhang mit der Geschichte Europas während des hohen und späten Mittelalters zu erzählen und zu erklären. Die Wandlungen der Kreuzzugsgeschichte waren eng mit den Wandlungen der europäischen Verhältnisse dieser Jahrhunderte verbunden. Die militärische Geschichte der Kreuzzüge kommt eher am Rande vor. Dafür wird die politische, religiöse und soziale Geschichte der Kreuzzugszeit stärker hervortreten. Dies entspricht den Fachkenntnissen des Verfassers, der hoffen möchte, dass die Leser seine Erfahrung beim Schreiben dieses Bandes im Laufe der Lektüre teilen können: Die Kreuzzüge sind noch immer ein spannendes und lehrreiches Thema für die historische Arbeit.
Martin Kaufhold
EINLEITUNG
Die Kreuzzüge sind kein einfaches Thema. Einem modernen Betrachter erscheinen sie überaus widersprüchlich: Kriege im Namen Christi – dem der Frieden ein so bedeutendes Anliegen war –, und Eroberungszüge im Zeichen des Kreuzes –, das sich als Machtsymbol so gar nicht zu eignen scheint. Die Realität der Kreuzzüge vereinte Männer, denen es tatsächlich um ein religiöses Ideal ging – das sie mit dem Einsatz ihres Lebens unter großen Mühen verfolgten –, mit verkommenen Gestalten, wie sie jeder Krieg anzieht. Wer die Kreuzzüge für ein Unternehmen hält, das in etwas problematischer Weise hohe Ideale verfolgte und große Taten hervorbrachte, der wird für diese Sicht ebenso eindrucksvolle Beispiele finden wie derjenige, der in ihnen die Geschichte religiös motivierter Gewalt sieht, und der dazu auf die Morde an den Juden im Rheinland und die Tötung der Bewohner des eroberten Jerusalems im ersten Kreuzzug verweist. Es gibt keine eindeutige Geschichte.
Doch ist gerade das eine Herausforderung. Historiker sollten mit ihren Werturteilen zurückhaltend sein. Sie sollten das Geschehen vielmehr so rekonstruieren und darstellen, dass ihre Texte für Menschen mit unterschiedlichen Standpunkten lesbar sind. Dazu müssen sie ihren Gegenstand klar benennen. Sie müssen, wissenschaftlich gesprochen, ihre Begriffe definieren. Die zentrale Frage am Anfang dieser Untersuchung lautet: Was war eigentlich ein Kreuzzug? Immerhin gab es im Laufe der Kreuzzugsgeschichte Kreuzzüge nach Jerusalem, aber auch Kreuzzüge an der Ostseeküste und in Spanien. Es gab Kreuzzüge gegen Moslems, gegen Häretiker (z. B. die Katharer im Süden Frankreichs), aber auch gegen Christen. Es ist klar, dass die Kreuzzugsgeschichte im späten 11. Jahrhundert begann, aber es ist durchaus umstritten, wann sie endete. Die alte Definition eines Kreuzzugs verstand darunter einen Kriegszug, der auf Initiative des Papstes zur Errichtung einer christlichen Herrschaft über das Grab Christi nach Jerusalem aufbrach, dessen Teilnehmer sich durch einen Eid banden, wofür sie einen Sündenablass und verschiedene weltliche Privilegien erhielten (H. E. Mayer). In jüngerer Zeit ist an dieser Festlegung vielfältige Kritik geübt worden. Insbesondere der englische Kreuzzugshistoriker Jonathan Riley-Smith und seine Schüler haben die Ausrichtung auf Jerusalem als notwendiges Kriterium in Frage gestellt und darauf bestanden, dass auch die zahlreichen anderen Kriegszüge, die im Namen des Kreuzes unternommen wurden, als Kreuzzüge gelten müssten. Sie haben der zeitlichen Einschränkung widersprochen, die ein Abklingen der Kreuzzugsgeschichte im 13. Jahrhundert angenommen hatte – weil es seit dieser Zeit keine Kreuzzüge ins Heilige Land mehr gab. Vielmehr gehörten in ihrer Sicht auch die Kriege im Namen des Kreuzes im späteren Mittelalter (14. und 15. Jahrhundert) zur Kreuzzugsgeschichte, die dadurch eine erhebliche Ausweitung erfuhr. Die Debatte ist keinesfalls abgeschlossen, und dies liegt nicht an dem mangelnden Einigungswillen der Historiker, sondern es ist in der Sache selbst begründet. Denn es war im Mittelalter gar nicht klar, was eigentlich ein Kreuzzug war. Der Begriff kommt im Zusammenhang mit den großen Kreuzzügen nach Jerusalem nicht vor. Er wurde erst später (im 13./14. Jahrhundert) geprägt – zu einer Zeit, als die Kriegszüge nach Jerusalem vorbei waren. Es handelt sich letztlich um einen Forschungsbegriff, und die Auseinandersetzung darum, wie er genau zu verstehen ist, ist solchen Begriffen zur Bezeichnung widersprüchlicher Phänomene in gewisser Weise eigen. In Hinblick auf die Vorstellung der Zeitgenossen des ersten Kreuzzugs spricht man in der Regel von einer »bewaffneten Pilgerfahrt«, um das Unternehmen zu bezeichnen. Es gab ja für diesen Zug noch keine eindeutigen Vorbilder. In jüngeren Arbeiten (E.-D. Hehl) werden die Kreuzzüge weniger als ein militärisches Ereignis an den Grenzen des christlichen Europa, sondern vielmehr als ein authentischer Ausdruck des inneren Zustandes dieses christlichen Europa verstanden – weil die Motivation für das Unternehmen nur aus der besonderen religiösen Aufbruchsstimmung zu verstehen sei, die das Abendland im 11. Jahrhundert erfasst habe.
So ist die Kreuzzugsgeschichte immer weniger eine Geschichte militärischer Züge und wird zu einer Geschichte kultureller Entwicklungen – und kultureller Konfrontationen. Dies entspricht einer allgemeinen Interessenverschiebung historischer Forschung in Hinblick auf die militärische Geschichte. Allerdings sollten wir das Phänomen noch etwas präzisieren, um zu erklären, warum dieser kleine Band die Kreuzzüge in der Auswahl präsentiert, die in den nächsten Kapiteln folgt.
Diese Darstellung konzentriert sich zunächst auf die Kreuzzüge in das Heilige Land, also auf die Kreuzzüge mit dem Ziel Jerusalem. Die weitere Entwicklung kommt durchaus in den Blick, sie wird aber in einem konzentrierten Ausblick zusammengefasst. Damit sollen nicht etwa die Erträge der neueren historischen Forschung beiseite geschoben werden. Es geht vielmehr um eine Konzentration auf ein Thema, das in dem hier vorgegeben Rahmen sinnvoll behandelt werden kann. Es ist keine Frage, dass die Kreuzzugsbewegung mit den Zügen in das Heilige Land nicht vollständig erfasst ist. Aber die Züge nach Jerusalem haben einen eigenen Platz in der Geschichte Europas. Sie beginnen im späten 11. Jahrhundert und sie gehen im 13. Jahrhundert allmählich zu Ende. Diese begrenzte Geschichte lehrt uns viel über das christliche Europa in einer dynamischen Phase des Aufbruchs. Dieser Aufbruch führte