Levin Schucking

Ausgewählte historische Romane


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rel="nofollow" href="#u1d1db491-293e-5c3d-b543-8afb50f3fa42">Zweites Kapitel Die Rheider Burg

       Drittes Kapitel Die Herren von Huckarde

       Viertes Kapitel Großherzog Murat

       Fünftes Kapitel Der Graf von Epaville

       Sechstes Kapitel Eine dunkle Tat

       Siebentes Kapitel Der Hammer erhält einen neuen Gast

       Achtes Kapitel Ein Verhör

       Zweiter Teil

       Neuntes Kapitel Eine Reisegesellschaft

       Zehntes Kapitel Richard von Huckarde

       Elftes Kapitel Ein Geständnis

       Zwölftes Kapitel Erinnerungen und Enthüllungen

       Dreizehntes Kapitel Das Alibi

       Vierzehntes Kapitel Eine Hofgesellschaft

       Fünfzehntes Kapitel Monsieur Ermanns als Unterhändler

       Sechzehntes Kapitel Eine nächtliche Fahrt

      Erster Teil

       Inhaltsverzeichnis

      Erstes Kapitel

       Der Rheider Hammer

       Inhaltsverzeichnis

      Diejenigen unserer Leser, welche einen längern Aufenthalt in der alten heiligen dreigekrönten Stadt Köln am Rhein gemacht haben, unterließen sicherlich nicht, einen oder den andern ihrer freien Tage zu Ausflügen auf das Gebiet zu benutzen, welches sich diesseits, auf dem rechten Ufer des schönen deutschen Stromes ausdehnt. Von der Höhe des die weitgedehnte Ebene im Osten umschließenden Hügelzugs herab hat sie Schloß Bensberg gelockt, das man allabendlich in Köln mit seinen purpurn flammenden Fensterreihen weithin über das Land leuchten sieht. Sie haben diese Schöpfung der schönen und anmutigen Kurfürstin Anna von der Pfalz, der Tochter Cosimos des Dritten von Toskana, besucht, die hier sich eine Villa gründete, wo sie beim Anblick des zu ihren Füßen liegenden Landes, des fernabziehenden Stromes und der hochragenden Stadt sich in Erinnerungen an ihr schönes, villenübersätes Arnotal und die Zauberstadt Florenz erging, aus der die Tochter der Medicis so weit entführt war, hierher in den kalten Norden ihres belgischen Herzogtums.

      Oder sie haben sich in Höhenzüge hineingewagt, welche den östlichen Horizont Kölns schließen; sie haben die merkwürdige Talschlucht aufgesucht, wo in tiefer Gebirgseinsamkeit, umringt von Wiesenmatten und schattigem Gehölz, die ein schmaler, hastig über Steingeröll daherschießender Bach durchschlängelt, sich plötzlich und überraschend der schöne Dom von Altenberge vor dem Wanderer erhebt – die prächtige gotische Grabeskirche der alten Grafen und Herzoge von Berg, der verkleinerte Maßstab für die große Kölner Kathedrale.

      Jedenfalls haben diejenigen unserer Leser, von denen wir reden, ein Stück des bergischen Landes gesehen und stimmen uns, während ihre Augen über diese Zeilen fliegen, mit freundlichem Kopfnicken bei, wenn wir sagen, daß es ein hübsches und sehenswertes Land ist; sie glauben uns auch, wenn wir hinzusetzen, daß es bewohnt wird von einem braven, betriebsamen Volke, welches sich in nationaler Besonderheit scharf von den linksrheinischen Stämmen unterscheidet; daß es reich ist an ererbten Überlieferungen und Gebräuchen und treu an den Sagen und Geschichten hängt, welche sich auch hier zumeist an die alten Schlösser, Klöster und Burgen oder Edelhöfe knüpfen ... wie ein letzter Rest von angestammten Privilegien, nachdem die andern Herrenrechte und feudalistischen Auszeichnungen den Weg alles Fleisches gegangen sind.

      Namentlich schön, und wie man es nennt, »romantisch« ist im alten Lande der Berge das schmale waldreiche Tal, welches die Wupper durchströmt. Dieser Fluß entspringt in den Gebirgen des Süderlandes oder des Herzogtums Westfalen, wo man ihn Wipper nennt, und durchzieht das dichtbewohnte und wegen seines Gewerbefleißes merkwürdige Tal von Barmen und Elberfeld; und nachdem er hier unzählige Mühlen und Räder getrieben, unter eben so unzählbaren Brücken und Stegen sich durchgedrängt und endlich eine nicht minder unzählbare Anzahl von Bleichen, Färbereien und Fabrikkanälen mit dem nötigen Wasser versehen hat, nimmt er müdegehetzt mit einem Schwunge nach Südwesten Reißaus vor all dem industriellen Lärm. Er sucht die schwere Arbeitsnot und die tausend Hemmnisse, die der listige Fleiß der Menschen ihm bereitete, und die hundertfältigen Plackereien, mit denen man ihn heimsuchte, in der stillen, schattigen Einsamkeit der Gehölze und Bergschluchten zu vergessen, die ihn tröstend empfangen und geleiten, bis er in das offene Rheintal eintritt und sich dann endlich mit dem mächtigen Strome vereint.

      In jenen Bergschluchten, deren Wände mit dichtem Buchen-, Eichen- und anderm Laubholz bestanden sind, herrscht nun freilich Ruhe, Kühlung und Frieden. Aber der kleine Fluß hat sich dennoch vergebene Hoffnungen gemacht, wenn er wähnte, er würde hier seinen Verfolgern für immer entronnen sein. Da, wo die Talenge sich erweitert, wo Raum zu grünen, leise anschwellenden Matten zu kleinen Ansiedlungen gegeben ist, da erheben sich die Dächer zerstreuter Gehöfte, die oft den ganzen schmalen Raum zwischen dem das Tal aufwärts ziehenden Fahrwege und dem Flußufer füllen; Gehöfte, deren Eigentümer dann nicht selten heimtückisch genug große Schwungräder in den Fluß hineingestellt haben, in der stillschweigenden Voraussetzung, daß er im Vorübergehen ihnen den Gefallen tun würde, sie umzudrehen. Und in der Tat, so unbescheiden dieses Verlangen sein mag, gestellt an einen unglücklichen Fluß, der unlängst durch Barmen und Elberfeld lief und dort dem einen seine schmutzige Wolle wusch, dem andern seine Garnstränge bleichen half, dem dritten die roten, blauen und grünen Laugen seiner Färbereibottiche wegspülte – unser gefälliges Gewässer täuscht keine dieser egoistischen Voraussetzungen. Aber er tut es mit Zorn und Ingrimm, und indem er sich auf die Räder stürzt, welche man ihm in sein reines kiesiges Bett gebaut hat, erhebt er dabei ein Brausen, Rauschen und Schäumen, das hinreichend andeutet, mit welchen Gefühlen tiefer Entrüstung er abermals die Arbeit auf sich nimmt; und noch eine lange Strecke weit kollert und schäumt er dann zornig weiter, wenn er die schweren Mühlräder hinter sich hat.

      Eins dieser Werke oder Gehöfte, das ein sehr sauberes blank angestrichenes und stattliches Vordergebäude und sehr schwarze, rußige, das Ufer entlang gestellte Hintergebäude zeigt, ist der Rheider »Osemund«-Hammer.

      Dieses Werk war vor etwa einem halben Jahrhundert das bedeutendste im Tale; es hatte sich die schönste und malerischste Strecke, welche der Fluß durchströmt, ausgesucht, um sie mit seinem Räderrauschen und dem Getöse seiner Hämmer zu erfüllen, und hatte weit über ein Jahrhundert lang bereits mit seinem »Osemund«- oder seinen Rohstahlprodukten die »Drahtrollen« der Nachbarschaft versorgt. Und seit über hundert Jahren hatten damals von Vater auf Sohn die Ritterhausen auf dem Werke wie Erbherren gesessen, und wie feudalistische Erbherren hatten