nun der Klavierspieler die Melodie wiederholt, fallen alle laut in den Gesang ein. Zinnkraut macht dirigierende Gesten, Meyer wiegt sich entzückt nach dem Takt, auch die übrigen Herren wie Damen machen seine Bewegungen mit.
Allgemeiner Gesang!
Cho–chotte,
Wie flotte
Tanzt du nich die Gavotte.
Cho–chotte,
Du Flotte
Im Pavillon Mascotte!
Tütelü – Tütelü –
Tütelü–tü–tü!
Bei dem Worte: Gavotte ist Eugen Ludwig Hobbe eingetreten. Die übrigen bemerken ihn in ihrem Eifer nicht und singen die Strophe begeistert zu Ende. Hobbe bleibt wie entgeistert an der Tür stehen. Sowie die Strophe zu Ende gesungen ist, sieht Frau Mengold den verblüfften Dichter stehen.
Zwölfte Szene
Frau Mengold schreit auf. Eugen Ludwig!
Alle wenden sich um, die Damen eilen auf den Dichter zu, auch die Herren Schimonsky, Milbe und Schultze. Meyer gibt dem Klavierspieler ein Zeichen, der noch die Chochottemelodie spielt, aber sogleich in die feierlichen Klänge des »Einzuges der Gäste« übergeht. Meyer schreitet gravitätisch auf den Dichter zu, der von den Damen stürmisch bewillkommt wird und mit den Herren ungemein herzliche Händedrücke austauscht.
Das Folgende möglichst rasch nacheinander, wo tunlich gleichzeitig:
Frau Mengold: Innigste, herzlichste Glückwünsche!
Frau Schultze: Sie wissen, was wir für Sie fühlen.
Frau Lückemann: Liebster! Bester!
Frau Milbe: Aus frohem Herzen meinen Glückwunsch!
Frau Mengold: Und Dank für so vieles, was Sie uns gaben!
Frau Milbe: Und noch geben werden!
Milbe ergreift mit beiden Händen die Rechte des Dichters und sieht ihm mit tiefem Danke in die Augen. Er spricht mit überströmender Herzlichkeit: Eugen Ludwig, darf ich es an dieser Stelle und heute sagen, was Sie uns geworden sind? Darf ich aus dankerfülltem Herzen heraus – – Schultze drängt sich mit Feuerstein möglichst nahe heran: Das Beste, was wir heute fühlen, läßt sich nicht in Worte kleiden – Feuerstein echot: Nein, nicht in Worte kleiden.
Milbe läßt Sich in seiner Herzlichkeit nicht stören; er hält die rechte Hand des Dichters mit seinen beiden fest und schüttelt sie bei markanten Stellen: Darf ich aus bewegtem Herzen heraus statt langer Reden bloß dieses eine sagen: Wir haben deines Geistes einen Hauch verspürt. Darf ich?
Schimonsky: Ich schrieb heute über Sie: Er kam als Lyriker ins Drama, und trat als Epiker heraus.
Milbe wie vorher: Darf ich?
Meyer ist näher getreten. Er patscht in die Hände, um Ruhe zu schaffen: Herrschaften! Ich muß bitten…
Es tritt Stille ein. Milbe läßt die Hand des Dichters los, den nun Meyer unter den Arm faßt und einige Schritte seitwärts mehr nach vorne führt.
Meyer stellt den Dichter vor sich hin, tritt einen Schritt zurück: Eugen Ludwig! Es ist Rührung und Stolz, was mich bewegt. Dem Stolz gebe ich Worte. Unsere Kunst ging steile Wege; es mußte einer den andern stützen, damit wir beide nicht strauchelten. Wir sind oben. Und ich drücke dem kühnen Weggenossen die Hand. Er tut es.
Alle murmeln durcheinander: Bravo! Sehr gut!
Zinnkraut: Bravo, Weggenosse!
Frau Mengold winkt ihrem Sohn: Moritz!
Moritz tritt mit raschen Schritten vor, stellt sich dem Dichter gegenüber und beginnt nach einer leichten, keine Befangenheit verratenden Verbeugung mit mutierender Stimme, doch fließend zu sprechen: Verehrter Meister!
Ihr Schaffen zerfällt in drei Teile. Aus der Verirrung des Realismus gelangten Sie über das Märchendrama zum Neuhumanismus.
Ich könnte auch sagen, Sie schritten die Bahn vom Illusionismus zur Neuromantik.
Wenn ich mich frage, wie sich diese Kombination der drei Kunstformen in Ihnen vollzogen hat, so finde ich die Erklärung einerseits in der lyrischen Erweichung Ihres ursprünglichen Naturalismusses, andererseits in Ihrer unbewußten Sehnsucht, aus der Breite des Märchendramas den Weg zum Formdrama zu finden und wiederum den Menschen mit seinem Ethos und Pathos in die Mitte zu stellen.
Das ist Ihnen ja auch teilweise gelungen. Freilich vermochten Sie nicht, uns überzeugend zu beweisen, wie das Individium im Konflikte seiner Eigenart mit Zeit und Welt zerrieben wird.
Dazu fehlte Ihnen die Intensität des Erlebens und die sprungbereite Leidenschaft, und in diesem Sinne könnte man Sie selbst eine tragische Natur nennen.
Immerhin ist Ihre Begabung originell und verdient in unserer Zeit ihres heroischen Triebes willen Beachtung…
Milbe halblaut: Famos! Ganz famos!
Schimonsky: Es ist einiges von mir. Aber ganz ausgezeichnet!
Moritz fährt unbeirrt weiter: Wenn Sie auch nicht Ihre Gestalten, oder ich will schonend sagen, nicht jede Ihrer Gestalten mit dem Geheimnis innerer Notwendigkeit ausgestattet haben, so sehe ich doch in dem Gesamtwirken Ihrer nach Produktion lechzenden Natur eine Erweiterung des poetischen Horizontes.
Wir – die Jugend – die wir unser Ich gefunden haben, und uns dessen bewußt sind, und die wir eine größere Zeit herbeiführen werden, betrachten Sie als eine Etappe auf unserem Wege. In diesem Sinne zollen wir Ihnen Anerkennung, und in diesem Sinne reiche ich Ihnen die Hand.
Er geht auf den Dichter zu und reicht ihm freundlich lässig die Hand. Alle Damen umringen Moritz und reden auf ihn ein. Auch die Herren beeilen sich, einen Kreis um den talentvollen Jüngling zu bilden.
In möglichst rascher Folge:
Frau Mengold Moritz umarmend: Nein! Der goldige Junge! Wie du gesprochen hast!
Frau Lückemann: Wo hast du das her?
Frau Schultze: Es ist unerhört! Eine solche Sicherheit im Urteil.
Frau Milbe: Und die Worte! Wie konntest du die Worte finden?
Milbe legt ihm die Hand auf die Schulter: Ich sehe in dir den kommenden Literaturhistoriker.
Schimonsky: Die Hauptbedingung dazu ist da. Aus Fremdem Eigenes zu machen…
Feuerstein: Es ist verblüffend.
Schultze: Ich melde mich heute schon als Verleger.
Frau Milbe nimmt einen Lorbeerkranz, der für den Dichter bestimmt war und auf einem Tischchen lag, und setzt ihn Moritz aufs Haupt: Und ich mich als Muse.
Die andern Damen rücken ihm den Kranz zurecht und jubeln.
Frau Schultze: Nun siehst du aus wie ein Sieger.
Frau Lückemann: Nach dem ersten Turnier.
Frau Mengold: Mein goldiger Junge!