Henry M. Stanley

Wie ich Livingstone fand


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ich glaube, dass es im Ganzen sehr schwer ist, mit ihm zu verkehren. Ich habe persönlich zwar nie mit ihm Streit gehabt, aber ich habe ihn gegen andere Leute oft hitzig werden sehen, und das ist, wie ich glaube, der hauptsächliche Grund, weshalb er niemanden gern um sich hat.«

      »Wie ich höre, ist er ein sehr bescheidener Mann, nicht wahr?«, fragte ich.

      »Nur, er kennt den Wert seiner eigenen Entdeckungen besser als irgendein anderer. Er ist nicht gerade ein Engel«, sagte er lachend.

      »Nun, gesetzt, ich begegnete ihm auf meinen Reisen; ich könnte doch möglicherweise mit ihm zusammentreffen, wenn er in der Richtung reist, die ich selbst nehme. Wie würde er sich gegen mich verhalten?«

      »Um Ihnen die Wahrheit zu sagen«, sagte er, »so glaube ich nicht, dass er es sehr gern sehen würde. Ich weiß, dass, wenn Livingstone in Erfahrung brächte, dass Burton oder Grant oder Baker oder einer von diesen Leuten ihn aufsuchen wollten, er es bald so einrichten würde, dass hundert Meilen Sumpfboden sich zwischen ihnen befänden. Das glaube ich bestimmt – auf mein Wort!« –

      Das war der Inhalt der Unterhaltung, die ich mit Dr. Kirk, dem früheren Genossen von Livingstone, führte, so genau, wie mein Tagebuch und mein Gedächtnis sie mir erinnerlich machen.

      Brauche ich wohl zu sagen, dass diese Kunde von einem Herrn, der bekanntlich mit Dr. Livingstone genau bekannt war, eher mehr dazu beitrug, den Enthusiasmus für meine Sache zu dämpfen als ihn zu beleben? Ich fühlte mich sehr verstimmt und hätte gern mein Unternehmen aufgegeben, aber der Befehl lautete: »Gehen Sie und finden Sie Livingstone!« Außerdem hatte ich nicht angenommen, obgleich ich sehr gern darauf eingegangen war, den Doktor aufzusuchen, dass der Weg nach Zentralafrika mit Rosen bestreut sein werde. Wenn ich nun wirklich als ein unverschämter Eindringling auf dem Gebiet der Entdeckungen getadelt werden sollte, als ein Mensch, der sich in Dinge mischt, die ihn nichts angehen, als einer, dessen Abwesenheit dem Doktor viel angenehmer wäre als seine Anwesenheit – hatte ich nicht den Befehl erhalten, ihn zu suchen? Nun, ich wollte ihn aufsuchen, wenn er noch auf Erden wandelte, und wenn nicht, so wollte ich das mitbringen, was die Leute sicher zu wissen interessierte. Dr. Kirk versprach mir freundlich alle in seiner Macht stehende Unterstützung und stellte mir alle Vorteile seiner Erfahrung zur Verfügung, aber ich erinnere mich weder, dass er mir in irgendeiner Weise wirkliche Unterstützung angedeihen ließ, noch finde ich es in meinem Tagebuch verzeichnet. Natürlich wusste er nicht, dass meine Befehle dahin lauteten, Dr. Livingstone aufzusuchen, sonst würde er wohl zweifelsohne sein Versprechen eingelöst haben. Er glaubte, dass ich im Begriff stände, den Rufidschifluss bis an seine Quellen zu verfolgen. Aber welche Zeitung würde wohl einen Spezialkorrespondenten ausschicken, um die Quellen eines so unbedeutenden Flusses wie des Rufidschi zu entdecken?

      Ich kannte das Innere durchaus nicht, und es war daher schwer zu wissen, was ich brauchte, um eine Expedition nach Zentralafrika zu unternehmen. Auch war die Zeit kostbar, und ich konnte nicht viel auf Erkundigung und Nachforschung verwenden. In einem solchen Fall wäre es, nach meiner Ansicht, ein großes Glück gewesen, wenn einer der drei Herren, Kapitän Burton, Speke oder Grant, uns irgendeine Belehrung über diese Punkte gegeben hätte, wenn sie ein Kapitel darüber geschrieben hätten, wie man eine Expedition nach Zentralafrika auszurüsten habe.

      Einige der Fragen, die ich mir vorlegte, wenn ich mich nachts im Bett herumwälzte, lauteten: Wie viel Geld ist nötig? Wie viele Pagazis oder Lastträger? Wie viele Soldaten? Wie viel Tuch? Wie viele Perlen? Wie viel Draht? Welche Sorten Zeug sind für die verschiedenen Stämme nötig? – Ich mochte mir diese Fragen noch so häufig stellen, so kam ich dem Punkt doch nicht näher, den ich zu erreichen wünschte. Die Europäer in Sansibar wussten so wenig wie möglich hierüber. Es gab nicht einen Weißen in Sansibar, der mir sagen konnte, wie vieler Dotis per Tag eine Truppe von hundert Mann für ihren Unterhalt auf der Reise bedurfte.

      Ich beschloss als das Beste, einen arabischen Kaufmann aufzutreiben, der mit Elfenbein handelt oder der vor Kurzem aus dem Innern angekommen war.

      Scheikh Haschid war ein Mann von Bedeutung und Reichtum in Sansibar. Er hatte selbst eine Anzahl Karawanen ins Innere gesandt und war infolgedessen mit verschiedenen hervorragenden Händlern bekannt, die in sein Haus kamen und sich mit ihm über ihre Abenteuer und Gewinne unterhielten. Von diesem graubärtigen, ehrwürdig aussehenden Scheikh habe ich über afrikanische Tauschwerte, die Art, mit ihnen umzugehen, die Menge und Qualität der Stoffe, die ich brauchte, mehr Auskunft erhalten als aus einem dreimonatigen Studium von Büchern über Zentralafrika. Auch von anderen arabischen Kaufleuten, mit denen der alte Scheikh mich bekannt machte, erhielt ich sehr wertvolle Andeutungen und Winke, welche mich schließlich in den Stand setzten, meine Expedition auszurüsten.

      Meine Berater gaben mir zu verstehen, dass hundert Menschen mit 10 Doti oder 40 Meter Tuch täglich für ihre Nahrung auskommen; es war also das Richtige, 2000 Doti amerikanische Leinwand, 1000 Doti Kaniki und 650 Doti farbige Zeugsorten zu kaufen. Dies hielt man für völlig ausreichend für den Unterhalt von hundert Mann auf zwölf Monate. Nach diesem Maßstab würden also für zwei Jahre 4000 Doti oder 16 000 Meter amerikanische Leinwand, 2000 Doti oder 8000 Meter Kaniki, 1300 Doti oder 5200 Meter verschiedene farbige Zeuge nötig sein.

      Die zweite wichtige Frage war: wie viele und welche Perlen nötig wären. Perlen sollten unter einigen Stämmen des Innern die Stelle des Zeuges einnehmen. Der eine Stamm zieht weiße Perlen den schwarzen, braune den gelben, rote den grünen, grüne den weißen usw. vor. Daher musste ich genau den Aufenthalt meiner Expedition in den verschiedenen Ländern erforschen und berechnen, damit ich genug von jeder Gattung hätte und doch einen zu großen Überschuss vermiede. Burton und Speke zum Beispiel mussten einige Hundert Fundo Perlen als wertlos wegwerfen.

      Nach den Perlen kam die Drahtfrage. Ich machte nach bedeutender Mühe die Entdeckung, dass die Nummern 5 und 6, die fast die Dicke von Telegraphendraht haben, als die besten für Handelszwecke gelten. Perlen vertreten in Afrika die Kupfermünzen, Zeuge das Silber, Draht gilt als Gold in den Ländern jenseits des Tanganika. 10 Frasileh oder 350 Pfund Messingdraht hielt mein arabischer Ratgeber für völlig ausreichend.

      Nachdem ich meine Einkäufe an Zeug, Perlen und Draht gemacht hatte, überblickte ich mit nicht geringem Stolz die stattlichen Ballen und Pakete, welche reihenweise in dem geräumigen Vorratszimmer des Kapitäns Webb aufgehäuft lagen. Damit war aber meine Arbeit nicht zu Ende, sondern fing erst an. Noch waren Provisionen, Kochgeräte, Boote, Seile, Bindfaden, Zelte, Esel, Sättel, Packleinwand, Segeltuch, Teer, Nähnadeln, Handwerkszeug, Munition, Flinten, Reisegerät, Beile, Arzneimittel, Bettzeug, Geschenke für Häuptlinge, kurz tausenderlei einzukaufen. Die Feuerprobe, die ich beim Schachern und Feilschen mit hartherzigen Banyanen, Hindus, Arabern und Mischlingen zu bestehen hatte, war sehr angreifend. Ich kaufte zum Beispiel 22 Esel in Sansibar, wofür mir 40–50 Dollars abgefordert wurden, was ich mit einem ungeheuren Aufwand an Argumenten, die einer besseren Sache wert waren, auf 15–20 herabdrücken musste. Meine Erfahrungen mit den Eselhändlern wiederholten sich bei den Kleinkrämern, selbst der Preis eines Pakets Stecknadeln musste um 5 Prozent heruntergehandelt werden, was natürlich sehr viel Zeit und Geduld erforderte.

      Nachdem ich die Esel zusammengebracht hatte, entdeckte ich, dass man in Sansibar keine Packsättel haben konnte. Nun waren aber die Esel ohne Packsättel für mich ganz nutzlos. Ich erfand also einen Sattel, den ich und mein weißer Diener Farquhar einzig und allein aus Segeltuch, Stricken und Baumwolle fabrizieren mussten. 3–4 Frasileh Baumwolle und 10 Stück Segeltuch waren für die Sättel nötig. Ich selbst machte einen Mustersattel zur Probe, darauf wurde ein Esel gesattelt und ihm eine Last von 140 Pfund aufgepackt, und obgleich das Tier, eine wilde Bestie aus Unyamwezi, sich bäumte und wütend gebärdete, so blieb doch die ganze Last festsitzen. Nach diesem Experiment ließ ich Farquhar noch 21 Sättel nach demselben Muster fabrizieren. Auch wurden wollene Polster angekauft, um die Tiere vor dem Wundwerden zu schützen, doch muss ich hier wohl erwähnen, dass die Idee zu dem Sattel, den ich fertigte, von dem Otagosattel hergenommen ist, den die englische Armee zu ihren Transporten in Abessinien benutzt hat.

      John William Shaw, ein geborener Londoner, der bisher Dritter Steuermann auf dem amerikanischen Schiff »Nevada« gewesen war, wandte sich an mich, um Beschäftigung zu erlangen. Obgleich seine Entlassung von der »Nevada« etwas verdächtig