Günter Dönges

Butler Parker 139 – Kriminalroman


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schaltete Parker sich in distanziert-höflicher Art ein.

      »Gehen Sie, bitte«, antwortete Madame Batour und blickte die ältere Dame beschwörend an, »gehen Sie ... Verlassen Sie den Jahrmarkt... Spielen Sie nicht mit Ihrem Schicksal, achten Sie auf die Zeichen der Zeit und der nahen Zukunft.«

      »Natürlich werde ich gehen, meine Liebe«, meinte Lady Agatha, »aber erst werde ich mich ein wenig vergnügen. Sie glauben doch nicht im Ernst, daß ich Ihnen diesen Mumpitz abnehme, oder? Sie haben es mit einer aufgeklärten Frau zu tun. Ist es nicht so, Mr. Parker?«

      »Meine Wenigkeit möchte sich erkühnen, jedes Wort Myladys zu unterstreichen«, erklärte Josuah Parker.

      »Ich wasche meine Hände in Unschuld«, bekannte die Wahrsagerin leise, »ich wiederhole: es wäre besser, wenn Sie sofort gehen würden ... Man soll sein Schicksal nicht unnötig herausfordern.«

      »Schnickschnack«, grollte die ältere Dame, »ich habe übrigens schon bessere Wahrsagerinnen als Sie erlebt, meine Liebe. Sie sind wahrscheinlich noch Anfängerin.«

      Josuah Parker hörte zwar, daß seine Herrin etwas sagte, doch er konzentrierte sich keineswegs auf das, was sie sagte. Er hatte dicht neben sich ein feines, scharrendes Geräusch bemerkt und dann eine fast unmerkliche Bewegung in der Zeltleinwand registriert. Seine innere Alarmanlage sprach sofort an und ließ ihn blitzschnell handeln, als eine Hand sich vorsichtig durch den Schlitz des Eingangs schob. Butler Parker entdeckte zwei Finger, die eine Messerschneide hielten. Es war eindeutig, daß der Besitzer der beiden Finger ein Messer schleudern wollte.

      Parker reagierte!

      *

      Mit der Wölbung seiner schwarzen, mit Stahlblech ausgefütterten Melone, schlug er hart und unnachgiebig zu. Das Messer wurde kraftvoll zu Boden geschlagen, gleichzeitig folgte ein unterdrückter Schmerzenslaut.

      Parker riß den dünnen Vorhang vor dem eigentlichen Zelteingang zur Seite und sah gerade noch den Rücken eines athletisch gebauten Mannes, der davonhastete. Bevor Parker ihn stoppen konnte, war der potentielle Messerwerfer bereits in der Menge der Jahrmarktbesucher verschwunden.

      »Was ist denn, Mr. Parker?« fragte Lady Agatha ein wenig unwirsch.

      »Möglicherweise bestand gerade die Absicht, ein Messer zu werfen«, antwortete der Butler.

      »Ein Messer?« Agatha Simpson stutzte und lächelte dann erfreut. »Man wollte selbstverständlich mich treffen, nicht wahr?«

      »Oder vielleicht Madame Batour?« fragte Parker und blickte zur Wahrsagerin hinüber, die aufgesprungen war und ängstlich-abwehrend die Arme hob.

      »Unsinn, Mr. Parker! Warum sollte man Madame Batour ermorden wollen?« Lady Agatha war mit diesem Deutungsvorschlag überhaupt nicht einverstanden.

      »Man könnte und sollte möglicherweise Madame Batour danach fragen«, gab der Butler zurück und verbeugte sich andeutungsweise in Richtung der Wahrsagerin, die sich inzwischen schon wieder unter Kontrolle hatte und um Haltung bemühte.

      »Ich ... Ich habe hier keine Feinde«, bekannte Madame Batour nachdrücklich.

      »Eben«, redete die ältere Dame weiter, »dieser Anschlag galt selbstverständlich mir, Mr. Parker. Ich hoffe, Sie haben das Subjekt erkannt!«

      »Diese Frage muß meine Wenigkeit leider verneinen.«

      »Dachte ich mir.« Agatha Simpson schnaufte verächtlich. »Wo hatten Sie nur Ihre Augen, Mr. Parker? Sie müssen doch wissen, wie beliebt ich bei gewissen Leuten bin! Man ist immer hinter mir her.«

      »Es handelte sich um einen athletisch gebauten Mann, Mylady, mehr läßt sich dazu leider nicht sagen.«

      »Ein Kerl mit nacktem Oberkörper?«

      »Der potentielle Messerwerfer trug ein kariertes Hemd, Mylady.«

      »Er wird es sich übergestreift haben«, vermutete die ältere Dame, »ich werde sofort nach diesem Subjekt fahnden, Mr. Parker. Kommen Sie!«

      »Sehr wohl.« Parker trat zur Seite, schlug den leichten Vorhang zur Seite und warf einen prüfenden Blick nach draußen.

      »Es gibt einen Seitenausgang«, rief in diesem Augenblick die Wahrsagerin leise und deutete neben sich.

      »Ein erfreulicher Hinweis, Mylady«, sagte Parker.

      »Eine Lady Simpson benutzt niemals eine Hintertreppe«, gab die ältere Dame zurück, »Sie verstehen, was ich meine, Mr. Parker?«

      »Der Mordversuch könnte wiederholt werden, Mylady«, warnte Parker.

      »Dann tun Sie gefälligst etwas dagegen«, verlangte Agatha Simpson, »man wird mir nie nachsagen können, daß ich Angst habe.«

      Sie war nicht aufzuhalten und marschierte energisch zum Haupteingang. Parker hatte längst eingesehen, daß Mylady wieder mal mehr als vorsichtig war. Er schob sich vor sie und trat nach draußen. Dabei warf er einen schnellen, prüfenden Blick auf die Besucher, konnte aber nichts Ungewöhnliches feststellen.

      »Nun, wo ist mein Mörder?« fragte die Detektivin inzwischen fast enttäuscht, »dieser Lümmel hat natürlich längst die Flucht ergriffen.«

      »Mylady wollen weiter an der allgemeinen Belustigung teilnehmen?« erkundigte sich Parker.

      »Es fängt ja gerade erst an«, entgegnete sie, »ich denke, ich werde jetzt einige Papierblumen schießen.«

      »Der potentielle Messerwerfer könnte jederzeit wieder in Erscheinung treten, Mylady.«

      »Das sehen Sie zu eng, Mr. Parker«, gab sie munter zurück, »nur keine Panik, ich bin ja bei Ihnen.«

      Sie schob sich in gewohnt energischer Art durch die dichte Menschenmenge und wurde erneut abgelenkt, da ein aufgeregt-schrilles Glockenleuten zu hören war, das von einer Art Donnerschlag abgelöst wurde. Sie orientierte sich und entdeckte ein Gerät, das zur Messung der persönlichen Körperkraft diente.

      Mit einem schweren, langstieligen Holzhammer mußte man dazu auf einen kräftigen Eisenbolzen schlagen, der die so übertragene Kraft über ein Hebelsystem auf einen kleinen Schlitten übertrug, der senkrecht nach oben geschickt wurde. Reichte die Kraft, dann löste der Schlitten am Ende des galgenähnlichen Gerüstes das Glockengeläut und zusätzlich einen Donnerschlag aus.

      »Sehr interessant«, fand die ältere Dame und lachte nicht gerade leise, als ein stark aussehender Mann es mit Mühe und Not schaffte, den bunten Schlitten bis zur Hälfte des Gerüstes hochzutreiben.

      »Ein Gerät, das der sogenannte Volksmund ›Haut-den-Lukas‹ zu nennen pflegt«, erläuterte Parker, während der von Mylady Belachte sich drohend zu der älteren Dame umwandte.

      »Ich weiß, ich weiß«, gab Lady Agatha zurück, »trauen Sie sich zu, den Schlitten völlig hochzujagen, Mr. Parker?«

      »Mylady sehen in meiner bescheidenen Wenigkeit einen relativ müden und verbrauchten Mann«, erwiderte Josuah Parker.

      »Nun, dann werde ich Ihnen mal zeigen, wie man so etwas macht«, äußerte Agatha Simpson und schien animiert. Da sie auch jetzt nicht gerade leise gesprochen hatte, war man auf sie und Parker natürlich aufmerksam geworden.

      Die große Gruppe der Zuschauer witterte einen Spaß und sparte nicht mit Kommentaren. Man feuerte die Lady an, oder aber man hegte laut und deutlich Skepsis. Butler Parker schätzte es gar nicht, daß die Zahl der Zuschauer sich von Sekunde zu Sekunde vergrößerte. Er dachte an den Mann, der immerhin versucht hatte, ein Messer zu werfen. Wie leicht konnte der Täter sich unter die Zuschauer mischen und seinen Mordversuch wiederholen.

      »Sie wollen wirklich den Hammer, Mylady?« fragte inzwischen der Betreiber des Kraftmesserunternehmens, ein vierschrötiger Mann mit gerötetem Gesicht und listigen Augen.

      »Hoffentlich sind Sie gut versichert, junger Mann«, antwortete Agatha Simpson.

      »Wieso, wollen Sie etwa mich treffen?« gab der Mann ironisch zurück.