Paul von Hindenburg

Aus meinem Leben


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und besonders von meinem IV. Korps, das mir fest ans Herz gewachsen war, wurde mir nicht leicht. Aber es mußte sein! Ich ahnte nicht, daß ich nach wenigen Jahren wieder zum Schwerte greifen und dann gleich meinem einstigen Armeekorps Kaiser und Reich, König und Vaterland erneut dienen durfte.

      Im Verlauf meiner langjährigen Dienstzeit habe ich fast alle deutschen Stämme kennen gelernt. Ich glaube daher beurteilen zu können, über welch einen Reichtum wertvollster Eigenarten unser Volk verfügt, und wie kaum ein anderes Land der Welt in solcher Vielseitigkeit die Vorbedingungen für ein reiches geistiges und seelisches Leben in sich birgt als Deutschland.

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       Inhaltsverzeichnis

      Mit treugehorsamstem Dank gegen meinen Kaiser und König, unter den heißesten Wünschen für seine Armee und in vollem Vertrauen auf die Zukunft unseres Vaterlandes war ich aus dem aktiven Dienst geschieden und blieb doch im Innern immer Soldat.

      Das reiche Erleben auf allen Gebieten meines Berufes ließ mich zufrieden auf meine bisherige Tätigkeit zurückblicken. Nichts war imstande, mir das Gesamtbild zu trüben, über dem der Zauber der Verwirklichung glühender Jugendträume lag. Der Übergang zur selbstgewählten Ruhe vollzog sich daher auch bei mir nicht ohne Heimweh nach dem verlassenen Wirkungskreise, nicht ohne Sehnsucht nach den Reihen der Armee. Die Hoffnung, daß im Falle einer Gefahr fürs Vaterland mein Kaiser mich wieder rufen würde, der Wunsch, meine letzten Kräfte seinem Dienste zu widmen, verlor in der Stille meines veränderten Daseins nichts von seiner Stärke.

      In der Zeit, in der ich die Armee verließ, pulsierte dort ein außergewöhnlich starkes geistiges Leben. Der erfrischende Kampf zwischen Altem und Neuem, zwischen rücksichtslosen Fortschritten und ängstlichem Zurückhalten suchte und fand seinen Ausgleich in den praktischen Erfahrungen der jüngsten Kriege. Diese Erfahrungen ließen trotz der neuen Bahnen, die sie uns öffneten, keinen Zweifel darüber, daß inmitten der Wertsteigerung aller Kampfmittel die Wertschätzung der Erziehung, der sittlichen Bildung des Soldaten die gleiche wie bisher bleiben mußte. Die herzhafte Tat hatte den Vorrang vor [pg 65]den Künsteleien des Verstandes auch jetzt noch behalten. Geistesgegenwart und Charakterfestigkeit blieben höher im kriegerischen Kurs als Feinheiten der Gedankenschulung. Über der Vervollkommnung der Vernichtungswaffen hatte der Krieg seine einfachen, ich möchte sagen groben Formen nicht verloren. Er vertrug keine Verbildung der menschlichen Natur, keine Überfeinerung der kriegerischen Erziehung. Was er auch weiterhin vor allem anderen forderte, das war die Bildung des Menschen zur willensstarken Persönlichkeit.

      Man hat im Frieden vielfach geglaubt, der Armee Unproduktivität vorwerfen zu können. Mit vollem Rechte, wenn man unter Produktivität die Schaffung von materiellen Werten versteht, mit ebensolchem Unrecht, wenn man die Produktivität von höheren, sittlichen Gesichtspunkten auffaßt. Wer nicht aus Vorurteil und Übelwollen unsere militärische Friedensarbeit von vornherein verwarf, mußte in der Armee die trefflichste Schule für Wille und Tat, ja geradezu für Freude an der Tat anerkennen. Wieviele Tausende von Menschen haben unter ihrem Einfluß erst gelernt, was sie körperlich und seelisch zu leisten vermochten, haben in ihr das Selbstvertrauen und die innere Eigenkraft gewonnen, die ihnen dann durch das ganze Leben erhalten blieb. Wo hatte der Gleichheitsgedanke und Einheitssinn des Volkes eine durchgreifendere Vertretung gefunden als in der alle gleichmachenden Schule unseres großen, vaterländischen Heeres? In ihm wurde der Hang zum schrankenlosen Sichselbstleben mit seinen Gesellschaft und Staat auflösenden Bestrebungen durch straffe Selbstzucht des Einzelnen zum Wohle für die Allgemeinheit segensvoll geläutert und umgewandelt. Das Heer schulte und verstärkte jenen machtvollen organisatorischen Trieb, den wir in unserem Vaterlande allenthalben fanden, auf dem Gebiete des Staatslebens, wie auf dem der Wissenschaft, im Handel wie in der Technik, in der Industrie wie in den Arbeitermassen, in der Landwirtschaft wie im Gewerbe. Die Überzeugung von der Notwendigkeit, ja von dem Segen der Unterordnung des einzelnen unter das Wohl des Ganzen war dem deutschen [pg 66]Heere und durch dieses auch dem deutschen Volke zum vollen Bewußtsein gekommen. Nur auf dieser Grundlage waren die ungeheuren Leistungen möglich, mit denen wir bald in harter Not einer ganzen feindlichen Welt Trotz bieten mußten und konnten.

      Auf den Kampffeldern Europas, Asiens und Afrikas hat denn auch der deutsche Offizier und Soldat den Beweis geliefert, daß unsere Heereserziehung die richtige war. Wenn auch unter mancherlei Einwirkungen die lange Dauer des letzten Krieges auf einige Naturen einen entsittlichenden Einfluß ausübte, oder unter den entnervenden Eindrücken seelischer und körperlicher Überanspannung die moralischen Begriffe sich teilweise verwirrten, sowie auch unter zahlreichen Versuchungen bislang tadelfreie Charaktere schwach wurden, der innerste Kern des Heeres blieb trotz der unerhörtesten Belastung sittlich gesund und seiner Aufgabe gewachsen.

      Man hat der bisherigen Armee vorgeworfen, daß sie sich bemühte, den freien Menschen zum willenlosen Werkzeug herabzuwürdigen. Auf den Schlachtfeldern des großen Weltkrieges, inmitten der auflösenden Wirkungen endloser Kämpfe hat es sich aber gezeigt, welch willensstärkenden Einfluß unsere Erziehung ausgeübt hat. Zahllose erhebende und gleichzeitig erschütternde Vorgänge beweisen, zu welch großen freiwilligen Opfern der brave deutsche Mann befähigt war, nicht weil er sich sagte: „Ich muß“, sondern weil er sich sagte: „Ich will.“

      Es liegt in dem Gange der Ereignisse, daß man mit der Auflösung der alten Armee neue Wege zur Erziehung des Volkes und seiner Wehrkraft fordert. Ich verbleibe dem gegenüber fest auf dem Boden der alten, bewährten Grundsätze. Mögen es andere für nicht unbedingt entscheidend ansehen, durch welche Mittel und auf welchem Wege wir die Möglichkeit zu gleichen Leistungen wie bisher erreichen, darin wenigstens werden sie gewiß mit mir übereinstimmen, daß es für die Zukunft unseres Vaterlandes bestimmend ist, daß wir diese Möglichkeit überhaupt wieder erlangen. Es sei denn, daß [pg 67]wir auf unsere Stellung in der Welt verzichten wollen und uns zum Amboß herabwürdigen lassen, weil wir weder den Mut noch die Kraft mehr finden, zum Hammer zu werden, wenn es die Stunde gebietet.

      Vielleicht ist es die Schicksalsfrage nicht nur für das politische sondern auch für das wirtschaftliche Neugedeihen unseres deutschen Vaterlandes, wie wir die große Schule für Organisation und Tatkraft, die wir in unserem alten Heere besaßen, wieder gewinnen. Wenn irgendein Land der Erde, so kann das deutsche nur unter äußerster Anspannung und Zusammenfassung seiner schöpferischen Kräfte gedeihen und einen lebenswerten Platz inmitten der übrigen Welt behaupten. Unter den zersetzenden Wirkungen eines unglücklichen Krieges und unter dem trügerischen Eindruck, als ob die strenge Unterordnung aller Volkskräfte unter einen beherrschenden Willen das Unglück des Vaterlandes nicht zu verhindern vermocht hätte, ist leider eine starke Auflehnung gegen die bestehende strenge Ordnung eingetreten. Die Empörung gegen die jahrelange freiwillige oder erzwungene Unterwerfung durchbrach die bisherigen Schranken und irrte planlos auf neuen Wegen. Ist ein Erfolg auf diesen neuen Wegen zu erhoffen? Bis jetzt haben wir jedenfalls unter den Einflüssen der staatlichen Auflösung weit mehr seelische und ethische Werte verloren, als unter den Wirkungen des eigentlichen Krieges. Schaffen wir nicht bald wieder neue erzieherische Kräfte, und treiben wir den Raubbau auf dem geistigen und sittlichen Boden unseres Volkes in der bisherigen Weise weiter, so werden wir die kostbarste Grundlage unseres Staatslebens frühzeitig bis zur völligen Unfruchtbarkeit und Öde erschöpfen!

      [pg 68]

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