Franziska Gehm

Die Vampirschwestern 10 - Ein Date mit Bissverständnis


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Augenbrauen zusammen und ihre Hand aus der ihres Mannes.

      „Skyzati.“ Mihai räusperte sich, nachdem er aufgegessen hatte, und begann erneut: „Elvira, vierzehn Jahre ist es her, dass wir ‚sni‘ zueinander sagten und unser Blut im Eheschwur vereinten. Noch heute kribbelt es in meinen Eckzähnen, wenn ich an die wundervolle Zeremonie damals denke.“

      „Du sahst so stattlich und verwegen aus“, sagte Elvira.

      „Und du so rein und appetitlich“, raunte Mihai. Er zwinkerte seiner Frau zu und sie lächelte. „Ich habe bisher kein Jahr, keine Stunde, keine Minute und keine Sekunde mit dir bereut. Und du?“

      Elvira dachte an den muffigen Geruch in Mihais Keller. Sie dachte an die Blutflecke, die immer so schwer bei der Wäsche rausgingen. Sie dachte an die tote Ratte, die ihr Nachbar auf ihrer Terrasse gefunden hatte. Und an die Nacht, in der Mihai den Vermieter ihres Klobrillenladens beißen wollte. Sie dachte an die Heimaterde im Katzenklo im Wohnzimmer, die unschöne Flecken auf dem weißen Teppich hinterließ. Und an die Kopfnüsse, die Mihai in der Nachbarschaft verteilte.

      Frau Tepes holte tief Luft, funkelte ihren Mann aus ihren nachtblauen Augen an wie am Tag, an dem sie ihm zum ersten Mal begegnet war, und flüsterte: „Keine Sekunde bereue ich.“ Dann beugte sie sich vor, um ihren Mann zu küssen.

      Mihai aber wich zurück. „Nicht so stürmisch, El Virus.“ So nannte er seine Frau normalerweise nur, wenn sie verärgert war. Er drehte sich kurz um und hantierte hinter seinem Rücken. Elvira reckte den Hals und versuchte, etwas zu erkennen. Aber natürlich war der Rücken ihres Mannes zu breit.

      Mihai drehte sich wieder zu ihr um. Er sah sie ernst an. Dann griff er hinter seinen Rücken und holte eine kleine Schale hervor. Darin lag ein schwarzer Wackelpudding, der wie eine Spinne aussah und eine Spezialität von Mihai war. Mitten im Pudding steckte eine schwarze Kerze.

      „Spinnenpudding!“ Elvira nahm Mihai den Pudding ab. „Danke. Datiboi.“ Wieder beugte sie sich vor und wollte ihren Mann küssen. Doch wieder wich Mihai zurück.

      „Das ist noch nicht alles.“ Mihai Tepes lächelte und seine spitzen Eckzähne blitzten im Mondlicht weiß unter dem Lakritzschnauzer hervor. „Vierzehn Jahre sind wir ein Paar. Ein Traumpaar. Dein Vater würde sagen, ein Albtraumpaar. Aber lassen wir das jetzt. Ich hoffe, dass wir noch viele Hunderttausend weitere glückliche Jahre miteinander verbringen werden.“

      Elvira runzelte die Stirn.

      „Liebste Elvira, du Stern meiner schlaflosen Tage, du mein Wölkchen vor der gleißenden Sonne, du zauberhafte Taggestalt.“ Mihai hielt inne und sah seiner Frau fest in die Augen. „Es jährt sich die glücklichste Nacht meines Lebens, unsere Hochzeitsnacht. Aus diesem Grund möchte ich dir etwas sagen …“ Mihai hob eine Hand und schnippte mit dem Finger.

      Elvira sah verdutzt auf die Hand, dann wieder in die dunklen Augen ihres Mannes.

      Mihai schielte zum Nachthimmel und schnippte abermals mit dem Finger. Dazu stieß er einen schrillen Pfiff aus. Im Geäst der Tannen rund um den See raschelte es. Die Tannenspitzen wiegten sich hin und her, als wäre eine leichte Brise aufgekommen. Plötzlich leuchteten zwischen den Ästen Lichter auf. Erst eins, dann zwei, dann immer mehr, bis die Tannen aussahen wie Weihnachtsbäume. Die Lichter bewegten sich nach und nach. Schließlich erhoben sie sich und stiegen über die Bäume auf. Es waren Kerzen, die von Dutzenden kleinen schwarzen Gestalten auf dem Kopf getragen wurden. Als sie zur Mitte des Sees flogen, erkannte Elvira, dass es Fledermäuse waren. Ein paar von ihnen hielten ein Banner zwischen den Krallen.

      „Zur Jahresnacht unserer Hochzeit möchte ich dir sagen …“, Mihai strahlte seine Frau an und zeigte auf das Banner.

      Elvira sah zum Banner. Dort stand:

. Sie legte den Kopf schräg und runzelte die Stirn.

      Mihai blickte jetzt ebenfalls zum Banner. „Fumpfs! Verkehrt herum, ihr Flederdussel!“ Er stand auf, wedelte mit den Armen und rief den Fledermäusen für Menschen unverständliche Laute zu. Das Schlauchboot wackelte bedrohlich.

      Die Fledermäuse aber verstanden. Schnell flogen sie einen Halbkreis und formierten sich neu, sodass die Schrift auf dem Banner nicht mehr auf dem Kopf stand.

      „Miloba oista bratscho ky sangu“, las Elvira vor. Es dauerte einen Moment, bis sie den vampwanischen Satz übersetzt hatte. „Liebe ist dicker als Blut.“ Sie lächelte Mihai an.

      „Und du bist so schön wie ein Tautropfen in einem Spinnennetz an einer modrigen transsilvanischen Blutbuche am Morgen.“

      „So etwas Schönes hat noch nie jemand zu mir gesagt.“ Elvira beugte sich zu ihrem Mann.

      Dieses Mal wich er nicht zurück. Im Gegenteil. Er umarmte Elvira voller vampirischer Leidenschaft, woraufhin diese nach hinten kippte und beide auf dem Bug landeten.

      „Mihai! Pass auf, dass du mit deinen Eckzähnen kein Loch ins Schlauchboot machst!“

      Mehr konnte Elvira Tepes nicht sagen. Der Lakritzschnauzer ihres Mannes kitzelte bereits auf ihren Lippen.

      Stunk in der Schule

      Die Fassade der Gotthold-Ephraim-Lessing-Schule schimmerte senfgelb im Licht der aufgehenden Sonne. Aus allen Himmelsrichtungen strömten Schüler auf das große Eingangstor zu. Manche mit prall gefüllten Rucksäcken, manche mit Umhängetaschen, die fast am Boden schleiften, und einige mit Rollkoffern, als müssten sie zur Vorstandssitzung einer großen Bank jetten. Sie kamen zu Fuß, mit dem Fahrrad, mit der Straßenbahn, dem Bus oder wurden von ihren Eltern mit dem Auto vor der Schule vorgefahren.

      Silvania und Daka Tepes stiegen gerade aus der Straßenbahn. Daka war so gut gelaunt, dass sie sich gleich mal über den Fahrradweg auf den Fußweg flopste. Sie hatte wunderbar geschlafen, obwohl es Nacht gewesen war. Lag wohl daran, dass sie vom Konzert von Krypton Krax geträumt hatte. Im Traum hatte sie mit ihrer Lieblingsband auf der Bühne gestanden. Wie ein Wirbelwind hatte sie am Schlagzeug gesessen und danach mit Murdo ihr verschwitztes T-Shirt getauscht. Sie hatte seinen Schweiß im Traum förmlich riechen können. Zensatoi futzi!

      „Daka! Bist du total guguplum?“ Silvania zog ihre Schwester am Arm, nachdem sie über den Radweg auf den Fußweg gehüpft war. „Du kannst doch nicht einfach mitten am Tag mitten in der Stadt vor allen Leuten herumflopsen. Hast du die sieben radikalen Regeln schon vergessen, die Mama aufgestellt hat?“

      „Würde ich gerne. Geht aber kaum. Mama wiederholt sie ja ständig. Fliegen und Flopsen tagsüber verboten, keine lebenden Mahlzeiten, immer fett Sonnencreme drauf und so weiter – weiß ich doch alles.“ Daka verzog den Mund.

      „Dann halt dich daran!“

      „Och, reicht doch, wenn du dich dran hältst.“ Daka schielte grinsend zu Silvania.

      Die versuchte, ein ernstes Gesicht zu machen. Auch Silvania hatte ausgesprochen gute Laune. In ihrem 800-Seiten-Liebesroman, den sie gestern nach dem Hammer-Horror-Videoabend noch bis nach Mitternacht zu Ende gelesen hatte, war alles gut ausgegangen. Die Heldin des Buchs hatte ihre große Liebe gefunden und es wurde groß geheiratet. Genauso stellte sich Silvania ihr Liebesleben auch vor. Und immer wenn es am schönsten war (total verliebt auf der Hochzeit), würde es aufhören, wie in all ihren Romanen, und eine neue Liebe würde beginnen.

      Silvania wollte sich verlieben und heiraten, verlieben und heiraten, ihr ganzes Leben lang. Was nach der Hochzeit kam, interessierte sie nicht sonderlich.

      Die Zwillinge hingen ihren sonnigen Gedanken nach – Silvania dachte an die große Liebe und Daka an den großen Auftritt mit Krypton Krax. So gut gelaunt kamen die Vampirschwestern selten zur Schule. Wenn sie jetzt noch vor der ersten Stunde Helene trafen, würde der Tag perfekt beginnen.

      An der Wand neben dem Haupteingang der Gotthold-Ephraim-Lessing-Schule lehnte jemand, der alles andere als gut gelaunt war. Helene hatte die Arme verschränkt und stemmte sich mit einem angewinkelten Bein von der Wand ab. Wie immer hatte ihr Vater sie zur Schule gefahren, bevor er seine Zahnarztpraxis öffnete.