und wandte es erfolgreich an.
Führen ist wie investieren – der Wert nimmt zu.
Leiten ist gut mit den erfolgreichen Investitionen an der Börse zu vergleichen. Setzt man seine Hoffnung auf den schnellen Euro, wird man nicht viel gewinnen. Am erfolgreichsten sind die tagtäglichen Investitionen. Mein Freund Tag Short behauptet: „Das Geheimnis unseres Erfolgs liegt in unserer Tagesordnung.“ Wenn Sie ständig in Ihre persönliche Entwicklung von Führungskompetenz investieren und die „Ziele“ anwachsen lassen, wird auch mit der Zeit ein Ergebnis sichtbar.
Bei Tagungen werde ich sehr häufig gefragt: „Werden Führungspersönlichkeiten denn geboren?“ Darauf antworte ich gewöhnlich: „Ja natürlich. Oder ich müsste dem noch begegnen, der anders auf die Welt kam …“ Dann lachen wir gemeinsam und ich beantworte die eigentliche Frage – ob Leiten etwas ist, was man entweder kann oder nicht kann.
Obwohl es stimmt, dass manche Menschen mit natürlicher Führungsbegabung geboren werden, ist Leiten eigentlich ein Sammelsurium von Fähigkeiten. Fast alle können gelernt und verbessert werden! Nur geschieht das nicht über Nacht. Führen ist eine komplizierte, facettenreiche Angelegenheit: Respekt, Erfahrung, emotionale Kraft, Beziehungstalent, Disziplin, Vision, Schwung, gutes Timing und vieles andere. Viele dieser Faktoren sind offensichtlich unumgänglich. Deshalb brauchen gute Führungskräfte so viel Reife. Und daher fühle ich mich erst jetzt mit 51 Jahren so weit, dass ich die vielen Aspekte im Blick auf Führung einmal zusammenfassend darlegen kann.
FÜHRUNGSPERSÖNLICHKEITEN SIND LERNENDE
In einer Studie über neunzig Top-Führungskräfte aus ganz unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen beschreiben die Führungsexperten Warren Bennis und Burt Nanus den Zusammenhang zwischen Wachstum und Führung: „Der Unterschied zwischen Leitern und Nachfolgern besteht in der Kapazität, die eigenen Anlagen und Fertigkeiten zu entwickeln und zu verbessern.“
Erfolgreiche Führungskräfte sind zum Lernen bereit – ihr Leben lang. Diese Bereitschaft ist das Resultat von Disziplin und Ausdauer: Jeden Tag will man den Fortschritt vom vorigen Tag weiter ausbauen.
FÜHRUNGSWACHSTUM IN VIER PHASEN
Ob man nun viele natürliche Führungseigenschaften besitzt oder nicht – meist kann man seine Entwicklung und seinen Fortschritt an Hand folgender vier Phasen beobachten:
Phase 1: Ich weiß nicht, was ich nicht weiß.
Die meisten Menschen erkennen gar nicht, welch weitreichende Bedeutung das Thema Führung hat. Sie sind davon überzeugt, dass dieses Thema sowieso nur ein paar Top-Manager an irgendwelchen Konzernspitzen angeht und verpassen selbst tausend Gelegenheiten, Leiten zu lernen. Warum ist das so? Eine Antwort fand ich, als der Rektor einer Universität mir einmal mitteilte, dass immer nur eine Handvoll Studenten die Kursangebote zu Leitungsthemen wahrnahmen. Offensichtlich betrachteten sich nur wenige als Führungskraft. Wenn sie allerdings wüssten, dass Führen vor allem Einfluss nehmen meint und dass die meisten Menschen im Verlauf eines Tages mindestens vier Personen beeinflussen, würden sie vermutlich gerne viel mehr darüber lernen. Wenn man nicht weiß, was man nicht weiß, kann man leider auch nicht wachsen.
Phase 2: Ich weiß, was ich nicht weiß.
In einer führenden Position passiert es zuweilen, dass man sich umschaut und niemanden entdeckt, der mitgeht. Erst dann wird uns klar, dass wir das Führen lernen müssen. Der englische Premierminister Benjamin Disraeli hat richtig beobachtet: „Selbsterkenntnis ist der erste Schritt zur Weisheit.“
Mir ging das so 1969 in meiner ersten leitenden Position. Schon immer hatte ich Sportmannschaften betreut und war lange Zeit Schulsprecher gewesen. Also hielt ich mich bereits für einen Leitertyp. Die schreckliche Erkenntnis aber kam mit dem Versuch, Menschen im Leben „da draußen“ zu führen. Da half mir nur, von anderen zu lernen und Ideen zu sammeln. In meiner Not schrieb ich unter anderem an die zehn besten Führungspersönlichkeiten in meiner Arbeitssparte und bot ihnen hundert Dollar für ein halbstündiges Gespräch (keine kleine Summe damals). Unseren Urlaub planten meine Frau und ich in den folgenden Jahren immer nach dem Wohnort jener Leute. Lebte also eine dieser Führungspersönlichkeiten an der Ostküste oder im Mittleren Westen, suchten wir grade dort unser Urlaubsquartier. Rückblickend haben sich diese Gespräche mehr als ausgezahlt, denn diese Menschen erzählten mir von ihren reflektierten Erfahrungen und vermittelten mir Einsichten, die ich, wenn überhaupt, nie so schnell erhalten hätte.
Phase 3: Ich wachse und reife, dass erste Früchte ich zeige
Wenn Sie Ihre fehlende Kompetenz erkennen und sich dann ein Tagespensum an persönlicher Weiterqualifikation im Führungsbereich auferlegen, werden Sie bald sehr interessante Dinge beobachten.
Während eines Leadershipseminars in Denver fiel Brian auf, ein eloquenter, intelligenter Neunzehnjähriger. Brian schrieb tagelang alles mit und sprach mich immer wieder in den Pausen an. Als ich das Prinzip der Entwicklung erläuterte, bat ich ihn, vor allen andern aufzustehen: „Brian, mich beeindruckt, mit welchem Engagement Sie hier lernen, die Dinge hinterfragen, einordnen und sich dabei entwickeln. Deshalb möchte ich Ihnen ein Geheimnis verraten, das Ihr Leben verändern kann.“
Die gesamte Zuhörerschaft schien sich gespannt nach vorne zu beugen.
„In etwa zwanzig Jahren können Sie eine ganz große Führungspersönlichkeit sein. Deshalb möchte ich Ihnen Mut machen, immer ein Lernender in diesem Bereich zu bleiben. Lesen Sie Bücher, hören Sie regelmäßig Kassetten, besuchen Sie weiter Seminare. Und immer wenn Sie auf eine Goldader stoßen – eine Erkenntnis oder ein treffendes Zitat –, dann legen Sie es sich für die Zukunft bereit. Leicht wird es nicht werden“, ergänzte ich. „Doch schon in fünf Jahren können Sie durch Ihren vermehrten Einfluss auf andere Fortschritte sehen. In zehn Jahren haben Sie dermaßen Kompetenz entwickelt, dass Sie Menschen sehr effektiv führen werden. Wenn Sie in diesem Sinne weiter an ihrer Persönlichkeitsentwicklung arbeiten, wird man Sie in zwanzig Jahren, im Alter von nur neununddreißig, wahrscheinlich bitten, anderen etwas über Führung beizubringen. Man wird über Ihre Reife staunen und sich fragen: ‚Wie ist er in so kurzer Lebenszeit zu so viel Weisheit gelangt?‘
Brian, Sie können eine prima Führungspersönlichkeit werden, aber nicht an einem Tag. Fangen Sie heute schon an, die Raten einzuzahlen.“
Die vier Phasen von Führungswachstum
Was für Brian gilt, gilt auch für Sie. Fangen Sie heute damit an, Ihre Führungsqualitäten auszubauen. Dann werden Sie eines Tages die Auswirkungen des Prinzips der Entwicklung spüren.
Phase 4: Ich führe leis’ durch das, was ich weiß
In Phase 3 können Sie als Führungskraft schon recht effektiv sein, werden aber vieles ganz bewusst durchdenken und steuern müssen. In Phase 4 wird Ihr Führen jedoch nahezu wie ein Reflex laufen. Dann hat sich der Entwicklungsprozess wirklich bezahlt gemacht. Die Investitionen als Lernender muss man eben immer in Kauf nehmen.
HEUTE LERNEN, MORGEN FÜHREN
Führungskompetenz wird tagtäglich ausgebaut – sie fällt niemandem überraschend zu. Das Prinzip der Entwicklung bestimmt hier die Realität. Benjamin Disraeli behauptet sogar: „Das Geheimnis des Erfolgs liegt darin, dass man vorbereitet ist auf die Chance, die kommt.“ Also bereitet man sich wohlweislich durch Disziplin und Ausdauer vor, egal wie das Ziel heißt. Die Basketball-Legende Larry Bird wurde dadurch zum Superwerfer, dass er jeden Morgen vor der Schule erst einmal 500 Würfe absolvierte. Der Grieche Demosthenes wurde zu einem der wirksamsten Redner der Antike, indem er mit Kieseln im Mund Verse zitierte und dabei die rauschenden Meereswellen übertönte – und zwar trotz einer angeborenen Sprachbehinderung. Genau diese Übungsbereitschaft brauchen Sie, um eine wirklich erfolgreiche Führungspersönlichkeit zu werden.
Führungsqualitäten