Zukunft entgegenzutreten und einen Weg hindurch zu finden.
Kelly kam von der Columbia University und war Atheistin. Als Zwölfjährige hatte sie miterlebt, wie ihr Großvater an Krebs starb und ihre zweijährige Schwester, die einen Gehirntumor hatte, operiert wurde und Bestrahlungen und Chemotherapie bekam. Als Studentin hatte sie die Hoffnung verloren, dass das Leben einen Sinn hatte. Mehrere ihrer christlichen Freunde an der Universität redeten mit ihr über Glaubensfragen, aber sie war „steiniger Boden“ für deren Zeugnisse. Doch als ihre Schwester mit 14 Jahren einen Schlaganfall bekam, der sie lähmte, war ihr das ein Ansporn, die Sache mit Gott nicht aufzugeben, sondern ihn ernsthaft zu suchen. Mittlerweile wohnte und arbeitete sie in New York City. Sie lernte ihren künftigen Mann, Kevin, kennen, der ebenfalls Columbia-Absolvent und Atheist war und an der Wall Street bei J. P. Morgan arbeitete. Die beiden hatten hartnäckige Zweifel an Gott, aber sie hatten auch Zweifel an ihren Zweifeln und so begannen sie, die Gottesdienste unserer Gemeinde zu besuchen. Ihre Reise zum Glauben war langsam und mühevoll. Eines der Dinge, die sie nicht aufgeben ließen, waren die vielen Christen, die sie in der Gemeinde kennenlernten und die es an intellektuellem Niveau mit jedem, den sie in der Stadt kannten, aufnehmen konnten. Was sie schließlich überzeugte, war nicht nur die intellektuelle Glaubwürdigkeit des christlichen Glaubens, sondern auch das Leben, von dem er sprach. Kelly schrieb: „Als Atheistin glaubte ich, ein moralisches, auf Gemeinwohl und soziale Gerechtigkeit ausgerichtetes Leben zu führen, aber das Christentum ging noch darüber hinaus, indem es selbst unser Denken und den Zustand unseres Herzens einbezog. Ich nahm schließlich Gottes Vergebung an und bat ihn, in mein Leben zu kommen.“ Kevin schrieb: „Als ich in einem Café saß und C. S. Lewis’ Pardon, ich bin Christ las, legte ich das Buch hin und schrieb in mein Notizbuch: ,Es spricht überwältigend viel dafür, dass das, was das Christentum behauptet, wahr ist.‘ Ich erkannte, dass meine Leistungen letztlich unbefriedigend waren, der Beifall der Menschen flüchtig und dass ein Carpe-diem-Leben des Abenteuers um des Abenteuers willen nur eine andere Form von Narzissmus und Götzendienst war. Und so fing ich an, an Christus zu glauben.“12
Jesus und unsere Zweifel
Kelly berichtet auch, wie ihr in ihrem Kampf mit dem Glauben und dem Zweifel der „ungläubige Thomas“ im Neuen Testament (Johannes 20) eine Hilfe war. In dieser Szene begegnet Jesus dem Zweifel auf eine Weise, die differenzierter ist als die des modernen Skeptikers, aber auch des modernen Gläubigen. Jesus fordert Thomas auf, nicht beim Zweifeln stehen zu bleiben („Glaube!“), aber geht gleichzeitig auf seine Forderung nach „Beweisen“ ein. In einer anderen Szene begegnet Jesus einem Mann, der voller Zweifel ist und ihn bittet: „Hilf mir doch gegen meine Zweifel!“ (Markus 9,24). Worauf Jesus ihn wegen seiner Ehrlichkeit segnet und sein Kind heilt. Egal ob Sie sich für einen Gläubigen oder einen Zweifler halten, ich möchte Sie einladen, genauso ehrlich zu sein wie dieser Mann und Ihre Zweifel besser kennenzulernen. Das Ergebnis wird Ihre kühnsten Erwartungen übersteigen.
KAPITEL 1 „Es kann nicht nur eine wahre Religion geben“
„Wie soll es nur einen wahren Glauben geben können?“, fragte Blair, eine 24 Jahre alte Frau aus Manhattan. „Es ist doch anmaßend, wenn jemand behauptet, dass seine Religion besser als die anderen ist, und die Leute zu ihr zu bekehren versucht. Es sind doch wohl alle Religionen gleich gut, wenn es um die Bedürfnisse ihrer Anhänger geht.“
„Religiöse Exklusivität ist nich t nur engstirnig, sondern mords gefährlich“, fügte Geoff hinzu, ein Twen aus Großbritannien, der ebenfalls in New York City wohnte, „Religion hat doch immer nur zu Streit, Spaltung und Konflikten geführt; vielleicht ist sie der größte Feind für den Frieden in der Welt. Wenn die Christen weiter behaupten, dass sie die ‚Wahrheit‘ haben, und wenn andere Religionen ins gleiche Horn stoßen, wird es in der Welt nie Frieden geben.“ 13
I
n meinen jetzt fast zwanzig Jahren in New York habe ich unzählige Gelegenheiten gehabt, Menschen zu fragen: „Was ist Ihr größtes Problem mit dem Christentum? Was stört Sie am meisten an dem, was Christen glauben und leben?“ Eine der häufigsten Antworten, die ich bekommen habe, lässt sich in dem Wort Ausschließlichkeitsanspruch zusammenfassen.
Ich wurde einmal als christlicher Vertreter zu einer Podiumsdiskussion in einem nahe gelegenen College eingeladen, zu der auch ein jüdischer Rabbi und ein muslimischer Imam kamen. Wir drei sollten über die Unterschiede zwischen unseren Religionen diskutieren. Das Gespräch war höflich, intelligent und respektvoll. Wir betonten alle, dass es erhebliche, unüberbrückbare Differenzen zwischen den drei Religionen gab. Ein Beispiel war Jesus. Wir alle stimmten der folgenden Aussage zu: „Wenn die Christen recht haben und Jesus Gott ist, dann lieben die Muslime und Juden Gott nicht so, wie er wirklich ist, und wenn die Muslime und Juden recht haben und Jesus nicht Gott ist, sondern nur ein Lehrer oder Prophet, dann lieben die Christen Gott nicht so, wie er wirklich ist.“ Der springende Punkt war: Es konnte nicht sein, dass wir alle drei mit unseren Auffassungen über das Wesen Gottes recht hatten.
Etliche der Studenten waren höchst aufgebracht. Einer sagte, dass das, worauf es ankam, doch wohl war, dass man überhaupt an Gott glaubte und im Übrigen selber Liebe praktizierte. Die Position, dass die eine Religion der Wahrheit näher kam als die andere, fand er intolerant. Ein anderer Student sah uns drei Geistliche an und sagte frustriert: „Es wird nie Frieden auf der Erde geben, wenn die Vertreter der Religionen weiter solche Ausschließlichkeitsansprüche stellen!“
Religion ist ein Sicherheitsrisiko für den Weltfrieden.
Die Meinung, dass eines der ganz großen Hindernisse für den Weltfrieden die Religion ist – vor allem die großen Weltreligionen, die behaupten, die allein wahren und den anderen überlegen zu sein – ist weitverbreitet. Es wird Sie vielleicht überraschen, wenn ich Ihnen sage, dass ich als Pastor diese Meinung teile. Religionen haben es an sich, dass sie die Herzen ihrer Anhänger auf einen potenziell gefährlichen Weg lenken. Jede Religion sagt ihren Gläubigen, dass sie „die Wahrheit“ haben, worauf sie sich prompt den Anhängern anderer Religionen überlegen fühlen. Sie sagt ihnen weiter, dass sie errettet werden und zu Gott kommen, wenn sie sich dieser Wahrheit ganz hingeben, was sie natürlich leicht dazu bringt, sich von den Menschen, die weniger rein und ernst leben, abzugrenzen. Es ist nur zu leicht, die anderen Religionen schlechtzumachen und zu karikieren. Und wenn es erst einmal so weit ist, ist der Weg zur gesellschaftlichen Ausgrenzung, ja zu Unterdrückung und Gewalt nicht mehr weit.
Religion ist also ein Sicherheitsrisiko für den Frieden. Wie kann man dieses Risiko minimieren? Unter den heutigen politischen und gesellschaftlichen Wortführern in der Welt kursieren drei Strategien: Entweder sie sind dafür, die Religion zu verbieten, sie schlechtzumachen oder sie radikal zur Privatsache zu erklären.14 Viele Menschen setzen große Hoffnungen auf diese Strategien, doch ich glaube nicht, dass sie von Erfolg gekrönt sein werden; eher werden sie die Situation noch verschärfen.
1. Religion verbieten?
Eine klassische Methode, den Ausschließlichkeitsansprüchen der Religionen zu begegnen, besteht darin, sie mit eiserner Hand zu kontrollieren oder sie, wo möglich, zu verbieten. Das 20. Jahrhundert hat gleich mehrere groß angelegte Versuche dazu gesehen. Die Kommunisten in der Sowjetunion, China, Kambodscha und anderswo, aber auf ihre Art auch die Nazis in Deutschland waren entschlossen, die Religionsausübung einzudämmen, um zu verhindern, dass sie die Gesellschaft spaltete oder die Macht des Staates gefährdete. Das Ergebnis war regelmäßig nicht mehr Friede und Harmonie, sondern mehr Unterdrückung. Die tragische Ironie dieser Situation hat Alister McGrath in seiner Geschichte des Atheismus so beschrieben:
Im 20. Jahrhundert finden wir eines der größten und traurigsten Paradoxe in der Geschichte der Menschheit: dass die größte Intoleranz und Gewalt dieses Jahrhunderts von denen praktiziert wurden, die glaubten, dass die Religion zu Intoleranz und Gewalt führt. 15
Hand in Hand mit diesen Bemühungen ging die im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert weitverbreitete Annahme, dass im Zuge des weiteren technischen