Hendrik Conscience

Der Löwe von Flandern


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errichtet worden. Ob der Wölbung hing das Wappen von Frankreich auf purpurnem Grunde, weiter unten an Pfeilern die Schilde von Flandern und Brügge. Überall an den Leisten waren Sinnbilder angebracht, um dem fremden Gebieter zu schmeicheln. Hier kroch Flanderns schwarzer Löwe vor einer Lilie, dort waren die Sterne des Himmels mit Lilien vermengt, kurz lauter plattes Zeug, das die Bastardvlaemen erdacht hatten.

      Wäre Jan Breydel nicht durch den Obmann der Weber zurückgehalten worden, so hätten die unwürdigen Darstellungen das Volk nicht lange erbittert; so aber verhehlte er seinen Ärger und beschaute alles mit finsterer Ruhe. De Coninck hatte ihm begreiflich gemacht, daß der rechte Augenblick noch nicht gekommen war.

      Die Kathelinenstraße war ihrer ganzen Länge nach mit schneeweißer Leinwand und langen Laubkränzen behangen. Willkommensprüche schmückten die Häuser der Leliaerts. Auf kleinen viereckigen Ständern brannte allerlei Rauchwerk in prächtig getriebenen Vasen und junge Mägdelein streuten Blumen auf die Straßen. – Das Kathelinentor, durch das die Fürsten in die Stadt einziehen mußten, war von außen mit kostbarem Scharlach behangen. Sinnbilder schmeichelten den Fremden und entehrten den Löwen, das siegreiche Zeichen früherer Geschlechter. Acht Trompeter standen neben dem Tor auf dem Wall, um den Willkomm zu blasen und die Fürsten anzukündigen. Auf dem großen Markte standen die Zünfte mit ihren Goedendags in Reihe und Glied längs der Häuser. De Coninck lehnte sich mit dem rechten Flügel der Weber an den Eiermarkt; Breydel mit der Fleischerzunft stand zur Steinstraße hin; die anderen Zünfte verteilten sich in kleineren Gruppen auf der anderen Seite. Die Leliaerts und vornehmsten Edlen der Stadt hatten sich unter der Halle auf einem prächtigen Gerüst versammelt.

      Gegen elf Uhr kündeten die Trompeter auf den Wällen die Ankunft der Herrschaften an, und endlich betrat der königliche Zug durch das Kathelinentor die Stadt. Voraus ritten vier Herolde auf schönen weißen Pferden; an ihren Trompeten hingen die Banner Philipps des Schönen, ihres Gebieters, mit goldenen Lilien auf blauem Felde. Sie bliesen einen schönen Marsch und entzückten die Zuhörer durch den Zusammenklang der Töne.

      Zwanzig Schritt dahinter ritt König Philipp der Schöne hoch zu Roß einher. Keiner von allen Rittern, die ihn begleiteten, konnte ihn an Schönheit übertreffen; schönes schwarzes Haar fiel in leichten Locken auf seine Schultern nieder und spielte schmeichelnd um seine zarten Wangen, auf die ein Weib hätte stolz sein können. Die gebräunte Farbe seines weichen Gesichts verlieh ihm einen männlichen Ausdruck; sein Lächeln war sanft und seine ganze Erscheinung sehr einnehmend. Die hohe, schöne Gestalt und die edle Haltung machten ihn zum vollkommensten Ritter seiner Zeit. Deshalb wurde er denn auch in ganz Europa le Bel ‚der Schöne‘ genannt. – Seine Kleidung war reich mit Gold und Silber gestickt und doch nicht überladen. Überhaupt empfand man, daß feinster Geschmack, nicht Eitelkeit den Ausschlag gab. Der versilberte Helm auf seinem Haupte war mit einem großen Federbusch geschmückt, der bis auf den Rücken seines Pferdes herabhing.

      Neben ihm ritt seine Gemahlin, die stolze Johanna von Navarra. Sie saß auf einem falben Zelter und war ganz mit Gold und Edelsteinen beladen. Ein langes Reitkleid von Goldstoff, das eine silberne Schnur auf der Brust zusammenfaßte, fiel in schweren Falten bis auf die Erde und schillerte lebhaft in tausendfältigem Glanz. Perlen, Knöpfe und Eicheln aus den kostbarsten Stoffen hingen im Übermaß an ihr und ihrem Zelter. Man konnte in den Zügen der hochmütigen, eitlen Fürstin lesen, daß dieser siegreiche Einzug ihrem stolzen Herzen schmeichelte. Sie blickte mit hochfahrender Aufgeblasenheit auf das überwundene Volk, das in den Fenstern, auf den Brunnen, ja sogar auf den Dächern stand, um den Zug sehen zu können.

      An der andern Seite des Königs ritt sein Sohn Ludwig Hutin. Der junge Fürst war trotz seiner hohen Stellung demütig und gutartig; Wohlwollen für seine neuen Untertanen strahlte von seinem Gesicht, und die Bürger sahen ihn stets freundlich lächeln. Er besaß die guten Eigenschaften seines Vaters, nichts von den häßlichen Wesenszügen seiner Mutter.

      Dicht hinter dem König kamen einige Schildknappen, Pagen und Hofdamen, dann folgte ein langer Zug prächtig gekleideter Ritter, darunter die Herren Enguerrand von Marigny, Châtillon, Saint-Pol, de Nesle, de Nogaret und andere. Die königliche Standarte und eine Menge kleiner Fahnen flatterten lustig über den edlen Rittern.

      Schließlich kam noch ein Trupp Leibwachen, wohl dreihundert Mann, alle zu Pferde, von Kopf bis zu Füßen in Eisen. Lange Speere ragten wohl zwanzig Fuß über die Schar empor; sie hatten Helme, Harnische, Waffenröcke, Schilde und eiserne Handschuhe, auch die schweren Pferde waren mit Eisenplatten bedeckt.

      Die vielen Bürger, deren Scharen überall standen, betrachteten den Zug in feierlichem Schweigen. Kein einziger Willkommengruß ertönte aus ihren Reihen, keinerlei Freude tat sich kund. Durch diesen kalten Empfang fühlte sich Johanna von Navarra schwer gekränkt, und ihre Erbitterung stieg, als sie bemerkte, daß viele Augen ohne jede Ehrerbietung auf ihr ruhten, und daß manch verächtliches Lächeln ihr den Haß der Vlaemen gegen sie bezeigte.

      Sobald der Zug zum Markt kam, setzten die beiden Engel auf den Marmorsäulen ihre Posaunen an und bliesen ihren Willkomm, daß es über den ganzen Platz schallte. Dann stimmten die Herren vom Magistrat mit einigen anderen Leliaerts den Ruf an: „Hoch Frankreich! Es lebe der König! Es lebe die Königin!“

      Die stolze Johanna kochte innerlich vor Wut, als sie auch nicht einen Einzigen aus dem Volk oder den Zünften rufen hörte. Alle Bürger standen regungslos da, nicht das kleinste Zeichen von Ehrerbietung oder Freude ward laut[23]. Die zornige Königin verbiß vorerst ihren Grimm, und nur ihr Gesicht verriet ihre Mißstimmung.

      Etwas abseits vom Throne befand sich eine Schar Edeldamen auf auserlesenen Zeltern. Um die Königin Johanna mit geziemender Pracht zu empfangen, hatten sie sich so reich mit Juwelen und kostbarem Schmuck behangen, daß das Auge den Glanz kaum ertragen konnte. Machteld, die schöne junge Tochter des Löwen von Flandern, war ganz vorn und fiel der Königin zuerst in die Augen.

      Ein langer spitzer Hut von gelber Seide und rotsammeten Bändern saß leicht auf ihrem Kopf; darunter fiel ein Tuch von feinstem Linnen über Wangen, Hals und Schultern bis zur Mitte des Rückens hernieder. An einem goldenen Knopf, oben auf dem Hut, hing ein durchsichtiger, mit tausend goldenen und silbernen Punkten durchwirkter Schleier; ihr Obergewand war vorn offen und ließ einen Latz von blauem Sammet mit silbernen Schnüren hervorschauen; es reichte nur bis an die Knie und war von dem kostbarsten Goldstoff. Darunter kam ein grünes Atlasgewand hervor, das lang, in reichen Falten bis zur Erde niederhing. Lieblich schimmerte dies reiche Gewand, denn bei jeder Bewegung änderte es die Farbe: bald schien es im Sonnenlichte wie feinstes Gold in gelbem Glanze zu erstrahlen, bald wieder ward es grün, bald blau. Auf der Brust der jungen Edeldame an einer kostbaren Perlenschnur, blinkte eine Platte von geschlagenem Gold, die den schwarzen Löwen von Flandern, kunstvoll in Achat geschnitten, umfaßte. Ein goldener Schuppengürtel mit seidenen und silbernen Fransen zeigte einen Verschluß aus zwei Rubinen. Das Geschirr des Zelters, der die liebliche Jungfrau trug, war auch über und über mit goldenen und silbernen Plättchen und beweglichen Eicheln verziert. Ebenso kostbar und prächtig waren auch die anderen Frauen gekleidet.

      Die Königin von Navarra kam mit dem ganzen Zuge langsam angeritten und richtete den Blick mit unwilliger Neugierde auf diese Frauen, die so im Sonnenlicht glänzten. Als sie sich ihnen auf eine bestimmte Entfernung genähert hatte, ritten ihr die Edeldamen mit vielem Anstand entgegen und bewillkommneten ihre neue Fürstin mit manch höflichem Gruße. Nur Machteld schwieg und betrachtete Johanna ernst; es war ihr nicht möglich, die Frau zu ehren, die ihren Vater hatte in den Kerker werfen lassen. Ihr Grimm war deutlich auf ihrem Gesicht zu lesen; Johanna bemerkte es. Hochmütig blickte sie auf Machteld, um sie einzuschüchtern; aber sie täuschte sich, denn die Jungfrau senkte ihre Augenlider nicht und sah die grimmige Königin stolz an. Diese war schon durch die ungewohnte Pracht der Edeldamen erregt, nun konnte sie nicht länger an sich halten, wandte mit sichtlichem Ärger ihren Zelter um und rief, mit dem Kopf auf die Damen weisend:

      „Seht, meine Herren, ich glaubte allein Königin in Frankreich zu sein; aber fast dünkt mich, die Vlaemen, die in unseren Gefängnissen liegen, sind allesamt Prinzen, da ich ihre Frauen hier gekleidet sehe wie Königinnen und Prinzessinnen.“

      Sie hatte das so laut gerufen, daß alle umstehenden Ritter,