einem seltenen Moment religiöser Dankbarkeit. Hastig sprach er in das Mikrofon und beorderte sie zu einer steinigen Felszunge, die er vor sieben Stunden ausgewählt hatte. Als er die Nachricht aus Teheran empfing.
Fürwahr, gepriesen sei Allah. Nun dauerte es nur noch eine weitere halbe Stunde, bis die Raketenbatterie eintreffen und in Stellung gebracht sein würde. Dann wären sie bereit. Bereit für die Amerikaner.
Hauptquartier der Sajeret Matkal, Israel, 11:58 Uhr Ortszeit
Gideon Laner ließ heißes Wasser aus dem Hahn laufen, fing es mit den Händen auf und spritze es sich ins Gesicht. Es war erfrischend, sich nach den Strapazen der letzten zwei Monate, in denen er undercover im Einsatz gewesen war, wieder sauber zu fühlen. Er griff in den Schrank unter dem Waschbecken und holte einen Gillette-Rasierer heraus. Er hatte sich in dieser Zeit auch nicht rasiert. Aber er war erfolgreich gewesen – Ibrahim Quasim war tot. Nun würde der Sajeret Matkal, die israelische Spezialeinheit, darauf warten, mit wem die Hamas ihn ersetzen würden.
Denn natürlich würde es einen Nachfolger geben, das stand fest, aber der neue Mann würde weitaus weniger erfahren sein als jener, dessen Leiche nun mit dem Rücken im Dreck einer Straße im Gazastreifen lag. Aber auch ihn würden sie töten.
Gideon zog sein Shirt aus, dann betrachtete er sich im Spiegel. Ein müdes, erschöpftes Gesicht voller Sorgenfalten starrte ihm entgegen. Das Gesicht eines Mannes, der frühzeitig gealtert war. Er seufzte und griff nach dem Rasierer.
In diesem Moment klopfte es an die Tür und er erschrak. »Einen Moment«, antwortete er und zog sich sein T-Shirt wieder über den Kopf.
Dann öffnete er die Toilettentür. »Was ist los?«, wollte er wissen, verärgert über die Störung. Ein weiblicher Corporal aus der Kommunikation stand vor ihm.
»Tut mir leid«, schob er entschuldigend nach, von seinem Gefühlsausbruch sichtlich beschämt.
Sie schien es jedoch nicht bemerkt zu haben und reichte ihm ein Klemmbrett. »Das hier kam via Telegramm herein, Lieutenant. Sie müssten dafür unterschreiben.«
Er nahm ihr das Klemmbrett ab und bemerkte das Wappen des Mossad auf dem Titelblatt. Was wollten die denn?
CIA-Hauptquartier, Langley, Virginia, 08:03 Uhr Ortszeit
»Das verstehe ich, Scott, wirklich. Aber sagen Sie Sorenson, dass ich die Satellitenüberwachung ASAP benötige – wie von Kranemeyer angefragt. Lassen Sie nicht locker. Auf Wiedersehen.« Director Lay legte auf und seufzte schwer. Die NRO hatte noch immer nicht die Echtzeit-Satellitenüberwachung wie angefordert bereitgestellt. Ihr regionaler KH-13 war offenbar mit der Überwachung eines langwierigen Aufstandes in Indonesien beschäftigt.
Lay schlug mit der Faust auf den schweren Eichentisch. Zur Hölle mit Indonesien! Sein Team war nicht in diesem gottverlassenen Teil der Welt unterwegs, sondern würde in den Iran gehen. Und irgendwie hatte er ein ganz schlechtes Gefühl bei der Sache. Irgendetwas war da im Argen.
Als er vor sechs Jahren zum DCIA ernannt worden war, trug ihm sein Vorgänger eine klare Aufgabe auf: Gestalte die Agency um. Und soweit es ihm möglich war, hatte er das auch getan. Dank erfolgreicher Lobbyarbeit auf dem Capitol Hill hatte er das Budget für Aufklärung und Spezialeinsätze um beinahe fünfzig Prozent aufstocken können, was ihn in die Lage versetzte, Operationen wie seit über vierzig Jahren nicht mehr durchführen zu lassen. Aber es gab Leute in dieser Stadt, denen das nicht gefiel. Ganz und gar nicht gefiel. Deshalb musste er auf der Hut sein.
Er erhob sich aus seinem Sessel, lief mit den Händen in den Taschen zum Fenster und sah auf die Stadt hinaus.
Sie konnten es nicht verstehen, und es machte den Anschein, als ob das kaum noch jemand tat. Der Preis ihrer Freiheit. Die Opfer, die nötig waren, um sie zu bewahren. Opfer. Die Möchtegern-Politiker, die sich im Politsumpf Washingtons tummelten, verstanden unter Opfer, alle paar Jahre ihren luxuriösen Lebensstil in Washington verlassen zu müssen, um in ihrem Heimatdistrikt Wahlkampf zu machen.
Opfer. Ächzend ließ sich Lay zurück in seinen Sessel sinken und nahm eine Fotografie von seinem Schreibtisch. Das Gesicht einer Frau Mitte zwanzig lächelte ihn an. In ihren Armen wiegte sie ein Baby.
Vor langer Zeit hatte auch er einmal eine Familie besessen, aber an dieser Stelle endete auch schon die Gemeinsamkeit mit einem Märchen.
Trisha, seine Frau, und seine kleine Tochter, Carol. Der Kalte Krieg hatte in seinen letzten Zuckungen gelegen, als er der Agency beigetreten war und dort Agenten zwischen Moskau und Havanna hin- und herschickte oder in den Einwanderervierteln von Miami arbeitete. Damals, in jenen friedlichen Zeiten, als religiöser Fanatismus für die CIA noch kaum eine Rolle spielte. Er hatte sie beide in Washington zurücklassen müssen, als er gen Süden zog, um seine Karriere voranzutreiben – die Vorschriften der Agency sahen vor, die eigene Familie nicht zu gefährden.
War es Patriotismus gewesen oder blinder Eifer? Nächtelang hatte er über diese Frage nachgegrübelt. Trisha hatte ihn verlassen, als sein kleines Mädchen vier Jahre alt gewesen war. In den Scheidungspapieren, die er bei seiner Rückkehr auf seinem Schreibtisch vorfand, hatte sie emotionale Vernachlässigung angegeben. Als er sie vorfand, waren die Papiere bereits drei Monate alt.
Das war vor sechsundzwanzig Jahren gewesen, und seine Hoffnung auf Aussöhnung starb mit Trisha, als diese mit achtundvierzig ihrem langen Kampf gegen Lymphknotenkrebs erlag.
Seine Finger bewegten sich zu der zweiten Fotografie und ein liebevolles Lächeln stahl sich auf seine Lippen. In all den Jahren hatte er seine Tochter nicht wiedergesehen. Ihre Mutter hatte ihren Mädchennamen wieder angenommen, auch Carols Nachnamen ändern lassen, und war ans andere Ende des Landes gezogen, um wieder bei ihren Eltern zu leben. Versteckt hinter seinem Berg von Arbeit hatte er sich selbst eingeredet, dass es so besser gewesen war, dass er nie die Art von Vater hätte sein können, die sie gebraucht hätte. Aber der Drang, eine Antwort auf die Frage zu finden, was aus ihr wohl geworden sein mochte, hatte ihn nie verlassen.
Und dann stand vor zwei Jahren plötzlich eine achtundzwanzigjährige Frau auf seiner Türschwelle in Langley, mit einem Abschluss des MIT in der Tasche und den rücksichtslosen Instinkten eines Computerhackers. Zuerst hätte er sie beinahe nicht wiedererkannt. Doch dann sah er die Augen ihrer Mutter …
Lay seufzte noch einmal, dann widmete er sich wieder dem Telefon und dem Präsidenten. Es gab in der Tat ein paar Opfer, die er bedauerte …
Das Basislager, 17:39 Uhr Ortszeit
Das Boden-Luft-Raketensystem war die Blüte russischer Militärtechnik. Als Weiterentwicklung der bereits überaus leistungsfähigen SA-15 »Gauntlet«, wie ihr Codename bei der NATO lautete, war die TOR-M1 9M330 im Dezember 2005 in den Iran geliefert worden. Das System war in der Lage, achtundvierzig Ziele erfassen und verfolgen und davon zwei Ziele gleichzeitig mit einer über zweiundneunzig prozentigen Abschusswahrscheinlichkeit angreifen zu können, was jede Art von Tiefflugangriff faktisch zu einer Selbstmordmission werden ließ. Die neunundzwanzig Transport-Trägerfahrzeuge, kurz TLVs, die Teheran erworben hatte, kosteten umgerechnet etwas über eine Milliarde US-Dollar.
Eine von ihnen befand sich nun auf jenem Felsvorsprung, den Major Hossein dafür auserkoren hatte. Bei ihrem Anblick rieb er sich die Hände und lächelte in sich hinein.
Ein Teil von ihm fühlte sich wie ein Kind, das ein neues Spielzeug geschenkt bekommen hatte. Er konnte es kaum erwarten, sie auszuprobieren.
Einer der Techniker trat hinter dem Fahrzeug hervor. »Alles bereits, Kommandant.«
»Gut.« Hossein lächelte. »Ist es möglich, dass ihren Anzeigen ein Fluggerät unbemerkt entwischen kann?«
»Was für eine Art von Fluggerät?«
Der Major überlegte. »Ein Transportflugzeug. Oder ein Helikopter.