am meisten gefeierten: unter ihnen wieder Zeus als der Himmlische schlechthin und vor allen übrigen mächtig weise und herrlich: das Haupt und der persönliche Mittelpunkt der gesammten Götterwelt und Weltregierung, wie dieses die Titanomachie und Gigantomachie mythologisch rechtfertigten, die Heldensage es in ihren verschiedenen Cyclen in epischer Weise an der überall zu Grunde liegenden βουλὴ Διὸς durchführte, und alle ernsteren Dichter Philosophen und Theologen es in vielen erhebenden Bildern und Sprüchen bekräftigen. In keinem Bilde großartiger als in dem bekannten der Ilias 8, 13–27, wo Zeus jeden widerspenstigen Gott in den Tartaros zu werfen droht und darauf hinzusetzt, sie sollten es nur versuchen und eine goldne Kette vom Himmel herablassen und sich alle daran hängen, Götter und Göttinnen, sie würden ihn doch nicht vom Himmel auf die Erde hinabziehn, ihn den obersten Herrn und Meister, wenn sie sich auch noch so sehr anstrengten: er aber werde sie leicht zu sich hinaufziehn, mit der Erde und mit dem Meere, und die Kette dann um die Kuppe des Olympos herumschlingen, so daß alle Dinge schwebend daran hängen würden; so sehr sei er über alle Götter und über alle Menschen. Ein in das Spiel des Wettziehens nach beiden Seiten verwandeltes Bild, mit welchem sich die allegorische und philosophirende Auslegung von jeher gerne beschäftigt hat172, da der einfache Sinn wohl kein anderer ist als dieser daß der oberste Gott des Himmels, der im Aether thronende Zeus, auch der mächtigste von allen Göttern und in der ganzen Welt ist, von welchem eben deshalb alles Uebrige abhängt: welche Abhängigkeit durch das Bild der Kette und den daran hängenden Göttern treffend veranschaulicht wird. Denn der Himmel ist ein Sohn des Aethers, wie ein alter Dichter sagte (S. 33), d. h. jenes ewig strahlenden Glanzes173, den man für die Quelle alles Lichts und die Substanz aller himmlischen Erscheinungen hielt, daher auch die Philosophen, namentlich seit Aristoteles und den Stoikern, diesen obersten und höchsten Himmel für den Sitz alles Unsterblichen und Herrschenden, alles Geistigen und Belebenden, ja für die Gottheit selbst zu erklären pflegten. In diesem Sinne also ist auch Zeus als ätherischer Lichtgott (αἰϑέρι ναίων) und als Inhaber des Blitzes, des ätherischen Feuers, zugleich der physisch stärkste und der geistig weiseste und beste unter den Göttern, welcher Himmel und Erde mit allen ihren Göttern und Geschöpfen schwebend trägt, an einer goldnen Kette weil Gold wie der goldne Regen bei der Geburt der Athena, des Perseus und des Herakles Licht bedeutet, und sie wird um den Gipfel des Olympos geschlungen diese Kette, weil Zeus in seiner höchsten Majestät auf diesem Berge thronend gedacht wurde (S. 50). Wird dieser Gott doch auch sonst immer in vielen alten, durch die epische Tradition gegebenen Wendungen als der Höchste, der Beste, der Mächtigste, der Herrlichste gepriesen174, als der Vater von Göttern und Menschen175, der Gott unter den Göttern, welche neben ihm nicht selten als namenloser Collectivbegriff genannt werden, während Zeus eben so oft der Gott oder Gott schlechthin (ϑεός, ὁ ϑεός) heißt176 und auf genealogischem Wege sein Verhältniß zu den übrigen Göttern dadurch daß er der Erstgeborne, der Gatte, der Vater ist gleichfalls durchweg als das des obersten Hauptes festgestellt wird.
Insofern ist die griechische Götterwelt also keineswegs ohne Einheit, ja sie verräth einen sehr vernehmlichen Zug zum Monotheismus, nur daß diese Religion als Naturreligion niemals zu der Vorstellung eines schlechthin einzigen und von der Natur unabhängigen Gottes gelangen konnte, sondern immer nur einen comparativ höchsten gelten ließ und auch dessen Wesen mit den Bedingungen und Wandlungen des Naturlebens vielfach verstrickte. Indessen verräth sich der monotheistische Trieb, bei so großer Zahl und Mannichfaltigkeit der Götter die Einheit des Gedankens zu behaupten auch durch manche andere Merkmale, namentlich durch das sehr bemerkenswerthe der mythologischen Gruppenbildung, welche sich bald in gewissen herkömmlichen Zahlverhältnissen bald nach örtlichen oder genealogischen Beziehungen in den verschiedensten Formen wiederholt und überall wenigstens auf die Einheit eines collectiven Begriffs zurückführt. Unter den Zahlen, deren sich dieser Trieb bedient, ist außer der Paarung besonders die Dreizahl beliebt, wie in der Gruppe der Chariten, der Moeren, der Hesiodischen Kyklopen, der Hekatoncheiren, aber auch beim Schwure und beim Gebete, so daß drei Götter vor allen übrigen herausgegriffen und anstatt aller angerufen werden, wie bei Homer Zeus Athena und Apollon sehr oft als Inbegriff aller göttlichen Ehre und Macht genannt werden177 und Solon für den Gebrauch des attischen Staates drei Schwurgötter vorgeschrieben hatte178. Daher bei erweitertem Umfange des Götterbegriffs, namentlich wo an öffentlichen Orten und viel besuchten Gegenden eine Art von Ausschuß der gesammten Olympischen Götterwelt vergegenwärtigt werden sollte, die bekannte Gruppe von zwölf Göttern oder sechs Götterpaaren entstand, wie der Sage nach Deukalion solche Altäre in Thessalien, Herakles in Olympia, Jason am Eingange zum Pontos gestiftet hatte und auch auf dem Markte von Athen und sonst in vielen Städten solche Zwölf-Götter-Altäre zu sehen waren179. Außerdem liefern die Götterversammlungen (ϑεῶν ἀγοραὶ) und Götterzüge der Dichter und der bildlichen Denkmäler, die Göttergruppen auf den Burgen und den Märkten der bedeutendsten Städte, die Anrufungen der Götter zu gewissen Zwecken des Gebets oder der Beeidigung oder sonst einer heiligen Handlung eine Menge von Beispielen desselben Triebes, welcher die Einheit der Handlung, des Zwecks, der örtlichen Beziehung dadurch ausdrückt daß er die Götter gleichsam in Accorden d. h. auf unzertrennliche Weise verbunden und zusammengehörig (σύνναοι, σύμβωμοι) auftreten läßt. Die griechische Götterwelt verliert auf diese Weise von selbst den Character der polytheistischen Zerstreutheit. Sie stellt sich vor als ein großes, schön und harmonisch geordnetes, die Einheit des Kosmos wiederspiegelndes, wie die Pyramide auf breiter Basis zu dem einen Gipfel emporstrebendes Pandaemonium.
Was endlich die Natur der griechischen Götter betrifft so deutet schon der Doppelname ϑεοί und δαίμονες auf eine verschiedene Auffassung; wenigstens pflegt von diesen bei Homer und den älteren Dichtern von denselben Göttern gebrauchten Wörtern jenes mehr die Persönlichkeit eines Gottes, wie dieselbe durch Cultus und Mythologie bestimmter umschrieben war, das Wort δαίμων dagegen mehr seine im Leben und in der Natur hervortretende Macht und Wirkung, sein numen auszudrücken180 : bis später, zuerst bei Hesiod (S. 70), die Dämonen sich als eine eigne Klasse von geisterartigen Wesen geltend machen, welche sich bald den größeren Cultusgöttern in ihren besonderen Kreisen als dienende Genien anschließen bald auf die einzelnen Beziehungen des menschlichen Lebens als hülfreiche Schutzgeister eingehen. Andre Unterschiede ergeben sich je nachdem man entweder von den bildlichen Vorstellungen des Cultus und der Cultuslegende ausgeht, wie uns deren besonders Pausanias viele überliefert, oder von dem örtlichen Märchen und der einfacheren Volkssage, in denen sich das Alterthümliche am längsten zu erhalten pflegt, oder endlich von den Traditionen der epischen Dichtung, welche durch eine längere Zucht und Schule der kunstmäßigen Uebung hindurchgegangen auch den religiösen Gedanken nicht mehr in seiner ursprünglichen Einfachheit und Innigkeit wiedergeben. Vielmehr treffen wir hier die Götter in einer so lebendigen Betheiligung an allen Vorgängen und Thatsachen der menschlichen Welt und des nationalen Lebens, namentlich in den höheren und ritterlichen Kreisen, daß eben deswegen gewisse Seiten des alten volksthümlichen und ohne Zweifel auch damals im Volke fortlebenden Götterglaubens entweder gar nicht oder doch nur beiläufig zur Sprache kommen. So sind alle Beziehungen der Götter zur Natur, so deutlich sie in dem Festcyclus der Griechen, in den örtlichen Culten und Cultuslegenden und in vielen Märchen vorliegen, in dieser poetischen Welt der Helden und ihrer Kriege und Abenteuer fast gänzlich verloren gegangen, so daß selbst die dem Natur- und ländlichen Kreise speciell angehörenden Götter, namentlich Demeter und Dionysos, nur beiläufig erwähnt werden: eine so wesentlich in der Natur des weltlichen Gesanges und der epischen Kunstübung begründete Erscheinung, daß man sich eben deshalb hüten sollte andre als culturhistorische Folgerungen daraus zu ziehen. Dagegen ist die Vermenschlichung der Götter