Friederike von Buchner

Toni der Hüttenwirt Paket 1 – Heimatroman


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sind. Das würde dann bestimmt auch Sue einsehen. Im Grunde war sie ihrer Freundin nicht mehr ganz so gram, daß diese die Begegnung mit Antonius eingefädelt hatte. Trotzdem wollte sie ein ernstes Wort mit ihr reden.

      *

      Dann ging Dorothea hinunter. Wie Antonius gesagt hatte, waren keine Gäste mehr da. Xaver schloß gerade die Tür ab. Den Schlüssel ließ er innen stecken. Nur über einem Tisch brannte noch Licht.

      »Toni, ich gehe dann rauf. Du kümmerst dich um das Madl, nicht wahr?«

      »Ja, Vater! Das tue ich! Gute Nacht.«

      Verlegen stand Dorothea am Fuße der Treppe.

      »Gute Nacht, Herr Baumberger, Ihnen und auch Ihrer Frau!«

      Der Wirt lachte.

      »Gute Nacht, Madl. Und das mit dem ›Herr Baumberger‹, das kannst dir sparen. Ich bin der Xaver oder einfach der Baumberger. Aber das wirst du schon noch lernen, wie das hier so in den Bergen ist.«

      Er ging an ihr vorbei die Treppe hinauf. Antonius kam aus der Küche, deren Tür hinter dem Tresen war. Er stellte eine große Eisenpfanne auf dem Tresen ab und holte dann noch eine Schüssel mit Salat.

      »Komm, setz dich hin, Dorothea!«

      Er trug die Pfanne zum Tisch und stellte den Salat daneben. Er brachte ihr ein Glas Bier. Sein Bier stand schon auf dem Tisch. In der anderen Hand trug er zwei Gabeln und eine Serviette.

      »Dann wünsche ich dir guten Appetit!«

      »Danke! Sieht ja lecker aus. Was ist das?«

      »Nennt sich Bergpfanne! Ist ein altes Rezept von der Urgroßmutter. Da ist so alles drin, was groß und stark macht, Kartoffeln, verschiedene kleingewürfelte Wurstsorten, Schinken, Speck, Zwiebeln, und echte Bergkräuter. Dazu gibt es frischen Salat, hier sagt man Grünzeug dazu. Das ist besonderes Grünzeug. Das Kraut stammt nicht aus dem Supermarkt, das ist aus unserem Garten. Und die Kräuter auch.«

      »Da hat deine Mutter aber viel Arbeit, wenn sie das alles anpflanzt, bei den vielen Essen, die hier so verzehrt werden.«

      Antonius lachte.

      »Darfst nicht glauben, daß alle Gäste solche Delikatessen vorgesetzt kriegen. Nein, nein!« Er schmunzelte. »Grünzeug aus Mutters Garten, das bekommen nur besondere, äh, ich meine ganz spezielle Gäste, sozusagen. Verstehst?«

      Dorothea errötete.

      »Daraus soll ich schließen, daß ich zu dieser besonderen oder speziellen Sorte vonGästen gehöre?«

      »Genau! So ist es! Aber jetzt mußt du auch essen. Auch ich habe Hunger. Ich habe gewartet, weil ich mit dir essen wollte. Greif jetzt zu.«

      Er blickte in ihre erstaunten Augen.

      »Ah, jetzt verstehe ich. Du vermißt die Teller. Teller gibt es nur für andere Gäste.«

      »Für die nicht besonderen oder nicht speziellen!«

      »Genau! Richtig zünftig essen wir gemeinsam aus der Pfanne. Du auf der einen Seite und ich auf der anderen. Aber wenn du das nicht magst, dann hole ich dir auch einen Teller.«

      Dorothea wußte nicht, was sie darauf sagen sollte. Sie drehte ihre Gabel in der Hand.

      »Na, vielleicht ist das alles etwas viel für dich. Ich will ja nicht riskieren, daß du einen Kulturschock bekommst.«

      Antonius Baumberger stand auf und holte zwei große Teller und für Dorothea auch ein Messer. Er gab ihr eine Portion Bergpfanne darauf und Salat.

      Sie aßen also von den Tellern.

      »Schmeckt sehr gut! Wirklich lecker!«

      »Freut mich! Hab auch nichts anderes erwartet«, bemerkte er sachlich.

      »Ich bin etwas neugierig, Toni. Das kannst du sicher verstehen. Wie kam es denn, daß ihr beide, also du und Sue, den Plan ausgeheckt habt, mich in die Berge zu transportieren?«

      »Jetzt wird erst mal gegessen. Bei uns hier wird nur gegessen, wenn gegessen wird. Da, wo du herkommst, da mag das anders sein. Da wird geredet und geredet und das Essen ist nur Kulisse. So ist das bei uns nicht. Aber das wirst du auch noch lernen.«

      Er hatte nicht von seinem Teller aufgeschaut. Dorothea aß weiter und wagte keine weiteren Fragen zu stellen. Sie sah ein, daß sie hier mit den Umgangsformen, die sie beherrschte, wenig anfangen konnte. Das konnte ja noch heiter werden. Sie war am meisten verblüfft über die direkte Art, wie hier offensichtlich alles sofort ausgesprochen wurde. Sie mußte schmunzeln, wenn sie daran dachte, wie in ihrem Bekanntenkreis ein solches Gespräch abgelaufen wäre. Da hätte man gesagt, darüber können wir uns gern nach dem Essen austauschen oder wir sollten jetzt dem Koch die Ehre erweisen, daß wir nichts anderes tun als seine Zubereitung genießen. Hier hieß die Regel einfach, jetzt wird gegessen und sonst nichts. Ganz allmählich verstand sie, warum sich ihre Freundin Sue in den Bergen so wohl fühlte. Es waren sicher nicht nur die Berge, die Sue beeindruckten. Sue hatte auch so eine direkte Art. Deshalb fühlte sie sich hier sicher so heimisch.

      Dann waren sie mit dem Essen fertig. Antonius räumte den Tisch ab. Er brachte einen Schnaps.

      »Wohl bekomm’s!«

      »Zum Wohl!« sagte Dorothea und trank aus.

      Sie mußte husten.

      »Ist ein bißchen streng, beim ersten Mal. Aber daran gewöhnst du dich auch schon noch.«

      Er schaute sie an mit seinen großen grünen Augen. Ja, sie erinnerten an kostbare leuchtende Edelsteine.

      »Hast mich da vorhin etwas gefragt. Na, dazu gibt es nicht viel zu sagen. Die Sue hat mich nach den Bergen gefragt. Dann waren wir uns schnell einig, wie schön die Landschaft und die Berge hier sind. Dann hat sie mir erzählt, daß du noch nie in den Bergen gewesen bist. Das tat der Sue sehr leid. Weil sie halt meint, daß dir da etwas verloren geht.« Er lachte. »Die Sue meinte, daß man dich knebeln und binden müßte und auf den Berg schleppen. Sie kennt dich und meint, man müßte dich immer zu deinem Glück zwingen. Na, dann haben wir noch über das Baby geredet, den kleinen Peter und ihren Mann, den Sven. Der ist ja gerade ganz in der Nähe, bei dem Stausee. Da habe ich ihr den Vorschlag gemacht, sie könnte doch den Sven besuchen. Ja, und auf dem Weg dorthin, dich hier abliefern. Ich würde dir dann die Berge schon nahebringen. Es war eigentlich im Scherz gemeint, doch die Sue, die ist da voll drauf eingestiegen.«

      Er grinste verlegen.

      »Na, und ich hab auch nichts dagegen gehabt, dich wiederzusehen. So, jetzt weißt alles. Genauso so war es! Jetzt bist du an der Reihe. Jetzt mußt du erzählen.«

      Er trank einen Schluck Bier.

      »Was soll ich erzählen?«

      »Na, wer du so bist, was du machst und warum du noch nie in den Bergen gewesen bist!«

      Dorothea hatte das Gefühl, daß es ein Verhör war. Doch sie hatte in der kurzen Zeit seit ihrer Ankunft schon gelernt, daß die Leute hier sehr direkt sind. Sie atmete tief durch.

      »Also ich heiße Dorothea Zwirner, eigentlich Dorothea Annabelle Zwirner.«

      »Aha! Annabelle! Stimmt, das habe ich auch in deinem Notizbuch gelesen. Das ist schön, dann sag ich jetzt einfach Anna zu dir. Das ist kurz und geht gut über die Lippen. Es ist doch recht so? Eine Dorle und eine Thea, die haben wir schon im Dorf. Wenn wir dich Anna rufen, da kann’s auch keine Verwechslungen geben. Jetzt kannst weiterreden!«

      Dorothea konnte ihm nur zunicken. Er hatte sie mal wieder sprachlos gemacht. Sie räusperte sich.

      »Ich habe ein Studium der Wirtschaft gemacht und arbeite jetzt bei einer Bank in Hamburg, Abteilung Anlagengeschäft in bezug auf Aktien.«

      »Aha! Dann legst du also das Geld der großen Leute an. Wir hier sind nur kleine Leute. Wir haben unser Auskommen und auch was im Sparstrumpf. Wir halten das Geld zusammen und lassen die Finger von den Aktien. In meinen Augen ist das mit den Aktien auch riskant. Wir