Claudia Torwegge

Mami Staffel 6 – Familienroman


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ihr euch überraschen.«

      »Also, ich würde mich gerne überraschen lassen«, lachte Clemens unbefangen. »Aber bitte nichts Alkoholisches. Ich muß noch fahren.«

      »Alles klar, bin schon weg.« Renate eilte davon, um in Nathalies Küche die Drinks zu mixen, während Nathalie ihren Gast ins Wohnzimmer führte.

      Hier sah es aus wie immer: Dennis auf dem Boden liegend, den Gameboy in Händen, Sandra auf dem Sofa, einen Liebesschmöker vor der Nase, der Fernseher plärrte, und auf dem Teppich lag ein buntes Sammelsurium von Spielzeug.

      Warum konnten diese Kinder nicht einmal, ein einziges Mal nur, etwas Ordnung halten!

      »Kinder!« Nathalie klatschte in die Hände, um den Fernseher zu übertönen und die Aufmerksamkeit ihrer Brut auf sich zu lenken. »Hallo, hört mal einen Moment her.«

      Widerstrebend ließ Sandra ihren Lieblingsschmöker sinken, Dennis warf einen kurzen Blick über seinen Gameboy hinweg ins Zimmer.

      »Hey!« Sandra hatte den Gast erkannt. »Wow, ist meine Brille schon fertig?«

      Nathalie schoß ihr einen warnenden Blick zu, der soviel wie »übertreib nicht!« sagen sollte und wandte sich Clemens zu.

      »Kinder, das ist Herr Hochdahl«, machte sie den Gast mit ihrer Familie bekannt. »Und das ist Sandra. Ihr habt euch ja gestern schon gesehen. Dort drüben, das lange Elend, ist mein Ältester, Dennis, und diese kleine, vorlaute Maus ist Stephanie, unser Nesthäkchen.«

      »Hallo«, machte Steffi artig und reichte Clemens die Hand. Nathalie betete indessen inständig zu sämtlichen Heiligen, daß die Kleine Sandras Anspielungen von wegen ›neuem Papi‹ inzwischen vergessen hatte.

      Aber Steffi quälten andere Fragen.

      »Wohin gehst du denn mit meine Mami?«

      Clemens beugte sich herunter, um Stephanie intensiv in die Augen sehen zu können.

      »Ich wollte gerne mit ihr ins Kino gehen«, erklärte er geduldig. »Und anschließend vielleicht noch gemütlich irgendwo mit ihr essen. Ist das in Ordnung?«

      Steffi überlegte kurz. Ihre großen braunen Augen musterten das Gesicht vor sich sehr genau.

      »Abe nich’ bei dil zu Hause«, entschied sie schließlich. »Und du blingst Mami wiede zulück.«

      »Versprochen«, erwiderte Clemans mit feierlichem Ernst. »Hand drauf, ja?«

      »Hand dlauf«, nickte Steffi und reichte ihm ihre kleine Rechte. Nachdem der Pakt zu ihrer Zufriedenheit besiegelt war, verlor sie das Interesse an dem neuen Gast. Sie wandte sich wieder dem Fernseher zu, wo gerade ein Zeichentrickfilm über die Mattscheibe flimmerte.

      Regina erschien mit den Drinks. Der Anblick der hohen Gläser, die sie mit Orangen-, Zitronen-, und Apfelscheiben kunstvoll dekoriert hatte, weckte augenblicklich das Interesse der Großen.

      Sie kamen herbei, um mit Clemens und Nathalie anzustoßen. Innerlich entspannte sich Nathalie etwas. Offensichtlich fand Clemens Hochdahl Gnade vor den Augen ihrer Kinder. Selbst der eher zurückhaltende Dennis war etwas aufgetaut, nachdem ihm Clemens ganz beiläufig einen kleinen Trick gezeigt hatte, mit dem er eines der Computerspiele auf dem Gameboy überlisten konnte.

      »Die drei sind einfach prächtig«, meinte Clemens, als sie eine halbe Stunde später in seinem Wagen in die Innenstadt fuhren. »Ich mag sie.«

      »Nun ja«, lächelte Nathalie. Das Kompliment erfüllte sie mit Stolz. »Manchmal können sie ganz schön nerven, aber alles in allem sind sie, glaube ich, ganz gut gelungen. Weißt du, ich wollte immer, daß sie eine eigene Meinung haben, sich ein eigenes Urteil bilden und nicht blindlings kuschen. Das bringt zwar manchmal Schwierigekeiten, aber ich finde, wir haben schon genügend Menschen ohne Rückgrat. Meine Kinder sollen sich mal durchsetzen können.«

      »Nun, Selbstbewußtsein besitzen die drei, glaube ich«, lächelte Clemens, während er den Wagen in eine Parklücke manövrierte.

      Bis zum Apollo-Kino war es nicht weit. Sie kamen gerade rechtzeitig, um noch die Vorankündigungen zu sehen, dann begann der Hauptfilm. Leider konnte Nathalie sich kaum auf die Handlung konzentrieren. Zu wissen, daß neben ihr der aufregendste Mann saß, dem sie in den letzten zwanzig Jahren begegnet war, machte sie so unruhig, daß sie am liebsten aufgesprungen und irgend etwas ganz Unmögliches angestellt hätte.

      Nach dem Film führte Clemens sie in ein Indisches Restaurant. Nathalie, die sich mit dieser Küche überhaupt nicht auskannte, überließ Clemens vertrauensvoll die Auswahl der Speisen. Es tat gut, sich einmal verwöhnen zu lassen und ein kleines Stückchen Verantwortung oder Entscheidung einem anderen in die Hände zu legen.

      In den vergangenen Jahren war immer sie es gewesen, die alles managen und in Gang halten mußte. Werner hatte sich aus allem, was die Familie betraf, herausgehalten.

      »Das kannst du besser«, hatte er stets gesagt, wenn Nathalie ihn nach seiner Meinung befragte. »Ich sorge für’s tägliche Brot, das ist Verantwortung genug.«

      Während des ausgezeichneten Essens unterhielten sie sich über Gott und die Welt. Erstaunt stellte Nathalie fest, daß Clemens und sie in vielen Dingen derselben Ansicht waren oder den gleichen Geschmack teilten. So war er ein ausgesprochener Pur-Fan. Er hatte im vergangenen Jahr zwei Konzerte dieser im Volksmund »Spätzlecombo« genannten Band besucht und erzählte begeistert von deren Open-air-Auftritt auf dem Mannheimer Maimarkt.

      Nathalie hatte die Gruppe zusammen mit Sandra und Dennis in der Frankfurter Festhalle gesehen und schwärmte begeistert von den Pyroeffekten. Außerdem, darüber waren sie sich beide einig, waren nicht nur die Musik, sondern auch die Texte der Band super.

      Das Paar unterhielt sich so angeregt miteinander, daß es gar nicht merkte, wie schnell die Zeit verrann. Erst als die Musik, die aus unsichtbaren Lautsprechern in den Raum rieselte, verstummte und die Kellner verstohlen begannen, die Tische zusammenzuschieben, bemerkten die beiden, daß die Sperrstunde längst überschritten war.

      »Ich glaube, wir gehen besser, bevor uns das Putzkommando aus dem Restaurant fegt«, raunte Nathalie ihrem Begleiter zu.

      Clemens sah sich wie erwachend um, dann nickte er lächelnd.

      »Schade, ich hätte mich noch stundenlang unterhalten können.« Er winkte einen der Kellner herbei, der sich sofort mit einem erleichterten Lächeln auf den Lippen näherte.

      Müde sank Nathalie ein paar Minuten später in den bequemen Sitz. Der ungewohnte Genuß des schweren süßlichen Weines, den sie getrunken hatte, machte sie schläfrig. Zugleich aber fühlte sie sich vollkommen aufgedreht. Eine seltsame Mischung, die sie selbst am meisten verwirrte.

      Das Haus lag im tiefen Dunkel, als sie dort eintrafen. Die Lichtkegel der Scheinwerfer beleuchteten die Umgebung und ließen die Büsche und Bäume der Nachbargärten als bizarre Schemen aus dem Dunkel hervortreten.

      Eher unwillig löste Nathale den Sicherheitsgurt und tastete nach dem Türgriff.

      »Es war ein schöner Abend«, murmelte sie, während sie sich anschickte auszusteigen. Ihr Herz klopfte auf einmal wieder wie wild.

      Als sich Clemens’ Finger auf ihren Arm legten, zuckte sie wie getroffen zusammen.

      »Warte einen Augenblick.« Er stieg aus, umrundete den Wagen und öffnete die Beifahrertür.

      Nathalies Beine zitterten so stark, daß sie fürchtete, der Länge nach hinzufallen, wenn sie auch nur einen Fuß aus dem Wagen schwang, aber sie schaffte es, elegant auszusteigen und ihre Unsicherheit hinter einem charmanten Lächeln zu verbergen.

      Zu spät wurde ihr bewußt, daß sie und Clemens plötzlich sehr dicht voreinander standen. Himmel, schoß es ihr durch den Kopf. Wenn er mich jetzt küßt, falle ich glatt in Ohnmacht!

      »Ich möchte mich bei dir für diesen Abend bedanken«, hörte sie Clemens’ Stimme wie durch einen Nebel an ihr Ohr dringen. »Ich habe mich schon lange nicht mehr so wohl gefühlt. Vielen Dank.«

      Nathalie